Europäischer Nachwuchspreis für Freiburger Diabetes-Forscher

Beinahe jeder sechste Mensch weltweit leidet unter Diabetes, Übergewicht oder beidem. Doch genetische Unterschiede können nur einen Teil der Fälle erklären.

Ein zweites, mehr im Verborgenen wirkendes System scheint eine zentrale Rolle in der Entwicklung der Krankheit zu spielen: die so genannte epigenetische Regulation. Der Freiburger Forscher Andrew Pospisilik und seine Doktorandin Tess Lu vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik fanden Hinweise, dass Typ-2-Diabetes zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass Insulinzellen ihre epigenetische Erinnerung verlieren – und damit ihre Funktion. Für die geplanten Studien wurde Pospisilik mit einem Nachwuchspreis auf der Konferenz der European Association for the Study of Diabetes in Barcelona ausgezeichnet.

Epigenetische Regulation bestimmt die Genaktivität in unterschiedlichen Zelltypen und ist eine Art Zelltyp-spezifisches Gedächtnis. Dieses epigenetische Gedächtnis kann durch äußere Faktoren wie Stress oder Ernährung verändert werden. Gleichzeitig kann es über viele Zellteilungen und sogar Generationen bestehen bleiben.

Im Jahr 2012 entdeckten Forscher einen lange übersehenen Entstehungsweg für Diabetes Typ-2. Die Zellen starben nicht oder fuhren ihre Funktionen runter, sondern schienen ihre Bestimmung zu vergessen und sich zurück in Richtung einer undifferenzierten Stammzelle zu entwickeln. Obwohl diese Verlaufsform erst sehr kurz bekannt ist, gelang es der Gruppe um Pospisilik bereits, die Krankheit gezielt durch epigenetische Veränderungen hervorzurufen. Diese Entdeckung wird nun Forschern auf der ganzen Welt helfen, diesen neuen Diabetestyp detailliert zu untersuchen.

Die Freiburger Forscher schalteten ein für die epigenetische Regulation wichtiges Gen ab, von dem bekannt ist, dass es große Programme der Zellidentität kontrolliert. Tiere mit dieser Veränderung waren anfangs gesund und entwickelten normale Insulin-Zellen. Erst in mittlerem Alter vergaßen die Zellen ihre Aufgabe und die Tiere konnten den Zuckerhaushalt nicht mehr kontrollieren. Anzeichen für Entzündungen, Zelltod oder Zellvermehrung konnten nicht gefunden werden. Zurück blieben einizig „Geisterzellen“, die keine klare Identität mehr hatten.

Im Rahmen der „Rising Star“-Auszeichnung möchte Pospisilik unter anderem das epigenetische Profil einzelner Zellen untersuchen und herausfinden, welche Veränderungen bei der Entwicklung von Diabetes eine Rolle spielen. Dabei wird die Gruppe um Pospisilik molekularbiologische, genetische, biochemische und analytische Methoden kombinieren. Die Daten sollen anderen Forschern frei zugänglich sein über eine Open-Access-Plattform.

„Die Studien werden Diabetes-Forschern erste Einblicke gewähren, wie epigenetische Profile stabil erhalten bleiben und was geschieht, wenn die Insulin-produzierenden Zellen ihre Funktion vergessen“, sagt Pospisilik. „Diese Forschung kann sowohl einen wichtigen Beitrag für die Grundlagenforschung bilden, indem sie untersucht, wie sich Stammzellen in differenzierte Zellen entwickeln. Gleichzeitig eignet sie sich auch um eine wichtige Diabetesform besser zu verstehen und für mögliche Therapieansätze zugänglich zu machen.“

J. Andrew Pospisilik ist 1976 in Vancouver, Kanada, geboren. Seit 2010 leitet er ein eigenes Labor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg.

Kontakt:
J. Andrew Pospisilik
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik, Freiburg
Telefon: +49 7615 108-757
E-Mail: pospisilik@­immunbio.mpg.de
Johannes Faber
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik, Freiburg
Telefon: +49 761 5108-368
E-Mail: presse@­ie-freiburg.mpg.de

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Dr Harald Rösch Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://­www.immunbio.mpg.de

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