ERC Synergy Grant: Mehr als zehn Millionen Euro für Quanten-Mikroskopie in der Biologie

Dabei handelt es sich um das höchst dotierte Förderinstrument der Europäischen Union, das 2012 erstmals vergeben wurde. Als übergeordnetes Ziel wollen die Ulmer Forscher eine neue Art der Sensorik entwickeln und so Strukturen und strukturelle Änderungen von einzelnen Molekülen in biologischen Systemen sichtbar machen. Künstlich hergestellte Quantennanodiamanten sollen diese Einblicke ermöglichen.

„Die Auszeichnung ist ein schöner Beweis für die Forschungsstärke unserer Universität. Die bewilligten Fördergelder ermöglichen uns die erfolgreiche Weiterentwicklung der zukunftsweisenden Quanten-Mikroskopie zur Erforschung biologischer Vorgänge. Hier wollen wir neue Maßstäbe setzen und ein weltweites Spitzenzentrum aufbauen“, kommentiert Universitätspräsident Professor Karl Joachim Ebeling den Erfolg. Freude auch bei dem BioQ-Sprecher Martin Plenio: „Die großzügige Unterstützung des ERC versetzt uns in die Lage, wirklich aufregende Forschung mit hohem Risiko zu verfolgen.“

In einem zweistufigen Begutachtungsprozess samt Interview und Präsentation in Brüssel haben sich die Ulmer Professoren Martin Plenio, Tanja Weil und Fedor Jelezko gegen 720 weitere Forschergruppen durchgesetzt. Nur 16 Anträge erreichten die letzte Runde. Die Universität Ulm erhielt als einzige Hochschule in Baden-Württemberg eine Förderzusage. Mit einem Synergy Grant unterstützt der Europäische Forschungsrat hervorragende, innovative und risikoreiche Wissenschaft, oft zwischen den Disziplinen.

Beste Voraussetzungen für BioQ: Mit ihrer gebündelten Expertise wollen die Ulmer Forscher neue Messmethoden im Grenzbereich von Physik, Chemie und Biologie entwickeln. Als hochsensitive Quantensensoren sollen Nanodiamanten Strukturen und Funktionen einzelner Bio-Moleküle sichtbar machen. Molekulare Prozesse in lebenden Zellen werden in atomarer Auflösung bis in den Quantenbereich beobachtbar. Praktische Anwendungen dieses nicht-invasiven, bildgebenden Verfahrens ergeben sich zum Beispiel in der Medikamentenentwicklung, bei der Wirkmechanismen von Arzneistoffen genau verstanden werden müssen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Gruppe liegt auf der Quantenbiologie: In diesem neuen Forschungsfeld werden mögliche Auswirkungen der Quantenmechanik auf biologische Prozesse in Menschen, Tieren und Pflanzen untersucht – unter anderem mit den neuartigen Messmethoden. Möglicherweise beeinflussen Quanteneffekte die Photosynthese von Pflanzen, den menschlichen Geruchssinn oder die Magnetfeldwahrnehmung von Vögeln. In jedem Fall müssen die Forscher ein komplexes Zusammenspiel verschiedenster Faktoren in biologischen Systemen verstehen.

Außerdem werden im Zuge von BioQ Sensoren und Materialien hergestellt, deren Funktion auf Quanteneffekten beruht. Diese Neuentwicklungen sollen auch bei Raumtemperatur sowie unter warmen, wässrigen und geräuschvollen Bedingungen funktionieren – eine große Herausforderung. Ein künftiges Anwendungsfeld sind Quantensimulatoren, die eine modellhafte Darstellung komplexer Quantenphänomene – zum Beispiel für die Materialwissenschaften – ermöglichen.

Die Forschungsziele des Projekts BioQ sind ambitioniert, die Reputation der beteiligten Wissenschaftler ist hervorragend: „Wir sind ein wirklich interdisziplinäres Team, in dem jeder einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen liefert. Nur gemeinsam können wir diese Ziele gemeinsam mit unseren Mitarbeitern erreichen“, sagt Martin Plenio. Der Leiter des Instituts für Theoretische Physik gilt im Bereich Quanteninformationstheorie als weltweit führend. Zudem hat der Inhaber einer renommierten Alexander von Humboldt-Professur mit Professorin Susana Fernández Huelga Pionierarbeiten in der Untersuchung von Quanteneffekten in biologischen Systemen geleistet.

Demgegenüber steht Professor Fedor Jelezko, Leiter des Ulmer Instituts für Quantenoptik, für grundlegende Forschung zur Manipulation der kleinsten Teilchen in Festkörpern – vor allem in extrem reinen, künstlich hergestellten Diamanten. Seine Forschung ebnet den Weg zu hochpräzisen Sensoren und verbesserten bildgebenden Verfahren.

Professorin Tanja Weil, Leiterin des Instituts für Organische Chemie III, bereichert BioQ mit ihrem Wissen um individuell hergestellte Biomakromoleküle und deren Wechselwirkungen mit Zellen. „Wie verhalten sich Nanomaterialien in biologischen Systemen? Und wie kann man sie gezielt zum Wirkort transportieren und an biologische Strukturen anknüpfen?“ sind weitere wichtige Forschungsfragen der Wissenschaftlerin.

In Zukunft könnte die Einrichtung eines Instituts für Quantenmikroskopie dazu beitragen, Schwerpunkte des Projekts BioQ dauerhaft an der Universität Ulm zu etablieren.

Der Europäische Forschungsrat mit Sitz in Brüssel fördert seit 2007 hervorragende Grundlagenforschung – auch mit dem Ziel, Standorte der Europäischen Union für führende Wissenschaftler attraktiver zu machen. Erstmals konnten sich Gruppen von zwei bis vier Spitzenforschern 2012 um einen Synergy Grant bewerben.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Tanja Weil, Tel.: 0731 50-22871

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Annika Bingmann idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-ulm.de/

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