Dr. Leopold Lucas-Preis 2009 an Karen Armstrong verliehen

Der mit 50.000 Euro dotierte Dr. Leopold-Lucas-Preis geht in diesem Jahr an die Londoner Publizistin und Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong.

Sie erhält den Preis, wie es in der Verleihungsurkunde heißt, „in Würdigung ihres in Öffentlichkeit und Bildung, in Literatur, Film und Fernsehen gleichermaßen wahrgenommenen Bemühens um ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis von Religion und Religionen sowie der Sinngrundlagen menschlichen Lebens, ihres weltweiten Wirkens für Toleranz und wechselseitigen Respekt, für Achtung und Anerkennung des Anderen im Dialog sowie ihres wissenschaftlichen und persönlichen Einsatzes für eine konstruktive Überwindung fundamentalistischer Versuchungen und religiös motivierter Gewalt.“

Der Festakt aus Anlass der Preisverleihung findet am Dienstag, 12. Mai, um 17.15 Uhr im Festsaal der Neuen Aula, Wilhelmstr. 7 statt. Die Laudatio auf den Preisträger hält der Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Prof. Dr. Friedrich Schweitzer. Karen Armstrong hält anschließend den Festvortrag zum Thema: „The Case for God“.

Ebenfalls am Dienstag, 12. Mai, findet um 10.30 Uhr im Sitzungssaal der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Liebermeisterstr. 12, 2. Stock ein Pressegespräch mit Karen Armstrong statt.

Der Dr. Leopold Lucas-Preis würdigt alljährlich hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Theologie, der Geistesgeschichte, der Geschichtsforschung und der Philosophie. Er ehrt dabei insbesondere Persönlichkeiten, die zur Förderung der Beziehungen zwischen Menschen und Völkern wesentlich beigetragen und sich durch Veröffentlichungen um die Verbreitung des Toleranzgedankens verdient gemacht haben. Zu den bisherigen Preisträgern gehörten namhafte Wissenschaftler wie Karl Rahner, Paul Ricoeur, Raimund Popper und Michael Walzer, aber auch hervorragende politische Repräsentanten des Geistes und der Kultur wie Richard von Weizsäcker, Léopold Sédor Senghor, der frühere senegalesische Staatspräsident, und Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama. Die Auszeichnung wurde 1972 von dem am 9. Juli 1998 verstorbenen Generalkonsul Franz D. Lucas, ehemals Ehrensenator der Eberhard Karls Universität, zum 100. Geburtstag seines in Theresienstadt umgekommenen Vaters, des jüdischen Gelehrten und Rabbiners Dr. Leopold Lucas, gestiftet.

Karen Armstrong gehört zu den weltweit führenden Kommentatorinnen in religiösen Fragen. Sie schreibt als Wissenschaftlerin, wendet sich jedoch an eine breite Leserschaft. Sie ist Autorin von Bestsellern, die in 40 verschiedene Sprachen übersetzt worden sind, und zugleich eines religionswissenschaftlich-theologischen Werkes von höchstem Rang. Weltberühmt geworden sind auch ihre religiös-autobiographischen Schriften, in denen sie die eigene Lebensgeschichte, beginnend mit ihrer Zeit als Nonne, verarbeitet.

Armstrongs Schriften befassen sich mit verschiedenen Religionen, mit der Geschichte des Judentums, des Christentums und des Islam, in den letzten Jahren auch mit östlichen Religionen. Ihr besonderes Interesse gilt den Herausforderungen der Gegenwart: Fundamentalismus, Heiliger Krieg, Toleranz, Dialog der Religionen sowie Möglichkeiten des Religionsfriedens. Ihr im Jahre 2000 erschienenes Buch „Im Kampf für Gott. Fundamentalismus im Christentum, Judentum und Islam“ erwies sich angesichts der Ereignisse im Jahr 2001 als von geradezu prophetischer Natur.

Neben ihrem literarischen Oeuvre, das zahlreiche Monographien umfasst, steht ihre Arbeit im Bereich von Film und Fernsehen. Auch hier gehört sie zu den international gefragtesten Gesprächspartnern. Darüber hinaus hat sie Dokumentarfilme etwa zu Paulus und zu Jerusalem gestaltet.

10 Jahre lang war Karen Armstrong als Dozentin am renommierten Leo Baeck College für jüdische Studien in London tätig. Im Jahre 2001 wirkte sie als Gastprofessorin an der Harvard Universität, wo sie u. a. die Tillich-Gedächtnisvorlesungen hielt.

Seit dem 11. September 2001 sind ihre Arbeiten zu Islam und Fundamentalismus in den Vordergrund getreten, besonders in den Vereinigten Staaten. Mehrfach hat sie vor Mitgliedern des amerikanischen Kongresses und des Senats vorgetragen, an hochrangigen politischen Konsultationen in verschiedenen Ländern teilgenommen und vor den Vereinten Nationen und bei NATO-Konferenzen gesprochen. Vom Niederländischen Parlament wurde sie zur Beraterin in Fragen des Islam bestellt.

Im Jahre 2005 wurde sie von Kofi Annan als Mitglied der Initiative „Allianz der Zivilisationen“ ernannt. Sowohl in Spanien als auch in der Türkei hat sie als politische Beraterin fungiert – mit dem Auftrag, sich kritisch mit der These vom „Kampf der Kulturen“ auseinander zu setzen sowie Hilfestellungen gegen Extremismus zu entwickeln.

Für ihr Bemühen um Verbindungsmöglichkeiten zur islamischen Welt hat sie zahlreiche Ehrungen empfangen – zuletzt vom Muslim Council for Public Affairs (USA, 1999) und der Muslim Association of Social Sciences (UK, 2004). Im Jahre 2007 erhielt sie von der ägyptischen Regierung eine wissenschaftliche Auszeichnung für ihre Verdienste um den Islam und wurde damit zur ersten Ausländerin, die diese begehrte Auszeichnung der Al Azhar Universität erhielt. Weitere Einladungen führten sie in zahlreiche Länder der islamischen Welt – von Istanbul bis Singapur, Lahore, Islamabad und Karachi.

Dr. Leopold Lucas wurde am 18. September 1872 in Marburg geboren. Er entstammte einer seit Anfang des 17. Jahrhunderts in Marburg ansässigen jüdischen Familie. Lucas studierte in Berlin Geschichte und jüdische Wissenschaft sowie Philosophie und orientalische Sprachen. 1895 wurde er in Tübingen mit einer Dissertation über die „Geschichte der Stadt Tyrus zur Zeit der Kreuzzüge“ zum Doktor der Philosophie promoviert. Im Jahre 1899 wurde er als Rabbiner nach Glogau berufen. Er diente dieser traditionsreichen jüdischen Gemeinde vier Jahrzehnte lang als Lehrer, Prediger und Seelsorger. Unermüdlich war Leopold Lucas während seines ganzen Lebens wissenschaftlich tätig. Sein besonderes Arbeitsgebiet war die Geschichte der Juden in den ersten christlichen Jahrhunderten. Lucas war 1902 Initiator der „Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums“, deren Leitung er sich mit Martin Philippson teilte. Im Jahr 1940 folgte Lucas einem Ruf an die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin – zu einer Zeit also, in der die Vernichtung der Juden in Deutschland beschlossene Sache war und begonnen hatte. Am 17. Dezember 1942 wurde Leopold Lucas zusammen mit seiner Frau nach Theresienstadt deportiert. Auch hier wirkte er noch als Seelsorger seiner Leidensgenossen. Er erlag am 13. September 1943 den Strapazen des Konzentrationslagers. Frau Dorothea Lucas wurde im Oktober 1944 nach Auschwitz verschleppt und umgebracht.

Für Nachfragen:

Prof. Dr. Friedrich Schweitzer
Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät
Liebermeisterstr. 12
72076 Tübingen
Tel.: (07071) 29-72538, Fax: 29- 5415
E-Mail: ev.theologie[at]uni-tuebingen.de

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Michael Seifert idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-tuebingen.de

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