„Deutung der modernen Welt“ – Lorraine Daston erhält den Schelling-Preis 2012

Prof. Dr. Lorraine Daston, seit 1995 Direktorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, gehört zu den führenden Vertreter(inne)n der Wissenschaftsgeschichte. Sie studierte Wissenschaftsgeschichte in Harvard und Cambridge und war u.a. Professorin für Wissenschaftsgeschichte an den Univer-sitäten von Göttingen und Chicago.

Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Frühen Neuzeit und im Zeitalter der Aufklärung, schließen aber auch die Wissensentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert mit ein. Hervorzuheben sind ihre Untersuchungen zur Geschichte der Wahrscheinlichkeit bzw. der Statistik in den frühneuzeitlichen Wissensordnungen sowie ihre Arbeiten darüber, wie Wundererscheinungen in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wissenschaft zur Beschreibung der Natur verwendet wurden.

Lorraine Daston ist eine herausragende Vertreterin neuerer Forschungen, die dem modernisierungstheoretisch unterfütterten Verständnis eines kontinuierlichen „Fortschritts“ der Wissenschaft und beständig wachsender Rationalität kritisch entgegentreten. In einem grundsätzlich konstruktivistisch inspirierten Ansatz geht sie zudem davon aus, dass wissenschaftliches Wissen immer kulturell und moralisch bedingt ist, also vom kulturellen und ideellen Kontext der Wissensproduktion abhängt. Dies hat sie insbesondere in ihren Arbeiten zur Geschichte der Objektivität vertieft, zuletzt in dem preisgekrönten Buch „Objectivity“ (gemeinsam mit Peter Galison). Es behandelt die Geschichte der sich wandelnden Vorstellungen von Objektivität von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert.

Lorraine Daston versteht es, die Paradigmen der neuen Kulturgeschichte originell und innovativ für ihr Fachgebiet Wissenschaftsgeschichte einzusetzen. Der Interpretation der modernen Lebenswelt und insbesondere der historischen Entwicklung und Veränderung ihrer Wissensformen und -visionen gilt ihr bisheriges Lebenswerk. Zugleich gelingt es ihr in besonderer Weise, weit über die Grenzen ihres eigenen Faches hinaus zu wirken und Brücken zur „allgemeinen“ Geschichtswissenschaft zu schlagen. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften verleiht ihr daher den Schelling-Preis 2012, der für das Fachgebiet „Deutung der modernen Welt“ ausgeschrieben worden war.

Lorraine Daston wird bei der Feierlichen Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften am morgigen Samstag, 8. Dezember 2012, um 10.00 Uhr im Herkulessaal der Münchner Residenz mit dem Schelling-Preis ausgezeichnet.

Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wird 2012 mit Unterstützung durch E.ON Bayern zum vierten Mal für herausragende wissenschaftliche Leistungen verliehen, und zwar in diesem Jahr für das Fachgebiet „Deutung der modernen Welt – philosophische, historische, sozialwissenschaftliche Aspekte“. Er ist benannt nach dem Philosophen und Akademiepräsidenten Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling (1775-1854). Eine Selbstbewerbung ist nicht möglich. Die bisherigen Preisträger waren der Physiker Gerhard Abstreiter (2006), der Indologe Lambert Schmithausen (2009) und der Biochemiker Matthias Mann (2010).

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften, gegründet 1759, ist eine der größten und ältesten Akademien in Deutschland. Sie ist zugleich Gelehrtengesellschaft und Forschungseinrichtung von internationalem Rang. Mit rund 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreibt sie Grundlagenforschung in den Geistes- und Naturwissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf langfristigen Vorhaben, die die Basis für weiterführende Forschungen liefern und die kulturelle Überlieferung sichern. Sie ist ferner Trägerin des Leibniz-Rechenzentrums, eines der größten Supercomputing-Zentren Deutschlands, und des Walther-Meißner-Instituts für Tieftemperaturforschung. Seit 2010 betreibt sie ein Junges Kolleg für den exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs in Bayern.

Media Contact

Dr. Ellen Latzin idw

Weitere Informationen:

http://www.badw.de

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