20 Millionen Euro für Gründungen von Biowissenschaftlern

In den Biowissenschaften herrscht an kommerziell verwertbaren Ideen kein Mangel, dennoch wagen die Forscher nicht immer den Sprung ins Unternehmertum. Zu unsicher erscheint vielen dieser Karriereschritt. Deshalb hat das Bundesforschungsministerium (BMBF) nun in der zweiten Runde des Wettbewerbs GO-Bio sieben Sieger nominiert. Diese werden mit zunächst 20 Millionen Euro gefördert. Der Wettbewerb soll die Hürden für gründungsbereite Spitzenwissenschaftler absenken und bereits im akademischen Umfeld tätigen Unternehmern den Weg bereiten. GO-Bio soll Forscher ermuntern, ihre guten Ideen in Produkte umzusetzen. „Wir brauchen in Deutschland Wissenschaftler, die unternehmerisch denken. Deshalb ist dieser Wettbewerb ein wichtiger Impuls“, betonte Bundesforschungsministerin Annette Schavan am Mittwoch in Berlin.

Über maximal sechs Jahre finanziert das BMBF ein Forscherteam, das eine wissenschaftliche Idee zu einem marktfähigen Produkt weiter entwickeln und ein Unternehmen gründen will. Für fünf Ausschreibungsrunden stellt das BMBF dabei insgesamt 150 Millionen Euro zur Verfügung. Nachdem im vergangenen Jahr die ersten zwölf GO-Bio-Gewinner ausgewählt wurden, stehen nun die Sieger der zweiten Runde fest. Aus mehr als 80 Bewerbern wurden dem BMBF durch ein Expertengremium im Juni 2007 zunächst sieben Teams für eine Förderung vorgeschlagen.

Die Finanzierung erfolgt dabei in zwei Phasen, die jeweils auf maximal drei Jahre angelegt sind: In der ersten Förderphase soll von der Arbeitsgruppe das Anwendungspotenzial der Entwicklung herausgearbeitet und bewertet werden. Begleitend sollen konkrete Kommerzialisierungsstrategien für die weitere Umsetzung der Ergebnisse entwickelt werden. In der zweiten Förderphase, über die nach einer Zwischenevaluation entschieden wird, erfolgt die Überführung dieser Strategien in die wirtschaftliche Verwertung.

Schon die erste Runde von GO-Bio im vergangenen Jahre hatte gezeigt, dass es an guten Ideen für Unternehmensgründungen in Deutschland nicht mangelt. Auch die Resonanz in der zweiten Runde ist beachtlich – insgesamt wurden 85 Ideenskizzen eingereicht. Mehr als zwei Drittel der Anträge stammt dabei aus Universitäten und Kliniken, ein geringerer Anteil aus außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die regionale Verteilung der Bewerber ist groß. Aus fast allen Bundesländern wurden Bewerbungen eingesandt, die Mehrheit kommt jedoch aus dem Süden des Landes. Mit 20 Forschern liegt Bayern an der Spitze, gefolgt von Baden-Württemberg und Sachsen mit jeweils 11 Bewerbungen. Die thematische Bandbreite der eingereichten Ideen deckt das gesamte Spektrum der Biowissenschaft ab: von therapeutisch orientierten Projekten zur Entwicklung neuer Arzneimittel über technische Plattformen bis hin zu biotechnologischen Anwendungen in Industrie und Landwirtschaft. Ein ähnliches Bild hatte bereits die erste Runde des Wettbewerbs ergeben.

Weitere Informationen zu den Projekten und den Preisträgern sind zu finden unter www.biotechnologie.de.

Joachim Hauber, Heinrich-Pette-Institut für Experimentelle Virologie und Immunologie, Hamburg

Titel: „Eradikation proviraler HIV-1 DNA aus Patientenzellen: Ansatz zur Entfernung des AIDS-Virus-Erbgutes aus den Chromosomen der Patienten“

Kurzbeschreibung: Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines neuen gentherapeutischen Ansatzes für Aids-Kranke, der auf dem Einsatz von speziellen Enzymen (Rekombinase) beruht. Diese molekularen Scheren wurden biotechnologisch so optimiert, dass sie gezielt das Erbgut von HI-Viren aus infizierten Zellen des Patienten herausschneiden können. Im Rahmen einer Unternehmensgründung soll dieser Ansatz als Aids-Therapie für den Markt entwickelt werden.

Heiko Funke-Kaiser, Charité, Berlin

Titel: „Entwicklung von Renin-/Prorenin-Rezeptor-Blockern, einer neuen Medikamentenklasse zur Endorganprotektion“

Kurzbeschreibung: Krankheiten wie Herzschwäche oder Diabetes haben oft Organschäden zur Folge, die mit bisherigen Medikamenten nur verlangsamt, aber nicht verhindert werden können. Ziel des Projektes ist die Umsetzung eines Therapieansatzes, der auf der gezielten Blockierung eines speziellen Signalweges (RER) mithilfe kleiner chemischer Moleküle basiert. RER spielt bei Organversagen eine entscheidende Rolle und könnte als Ausgangspunkt für die Entwicklung einer völlig neuen Medikamentenklasse (RERB) dienen, die in einem noch zu gründenden Unternehmen für den Markt entwickelt werden sollen.

Dieter Peschen, Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie, Aachen

Titel: „Weiterentwicklung einer Antikörper-vermittelten Resistenz Plattform und Ausgründung der Agro-Protect GmbH“

Kurzbeschreibung: Ziel des Projektes ist die Entwicklung einer Plattform-Technologie, um Nutz- und Zierpflanzen unempfindlich gegen Krankheitserreger zu machen. Im Rahmen der Förderung soll zunächst eine Kartoffelsorte entwickelt werden, die gegen die durch den Pilz Phytophthora infestans initiierte Kraut- und Knollenfäule resistent ist. Das Verfahren beruht dabei auf der Nutzung von Antikörpern, die sich gegen ein Oberflächeneiweiß des jeweiligen Pilzes richten. Gleichzeitig sind an diese Antikörper Eiweißmoleküle gekoppelt, die eine Antipilzwirkung haben. Werden diese Moleküle in die Pflanze integriert, kann eine spezifische Resistenz initiiert werden. In einem noch zu gründenden Unternehmen soll die Technologie langfristig auch auf andere krankheitsauslösende Pilze, Bakterien und Viren angewendet werden.

Gundram Jung, Universität Tübingen

Titel: „Entwicklung, Produktion und initiale klinische Erprobung von gentechnisch optimierten Antitumor-Antikörpern“

Kurzbeschreibung: Gentechnisch hergestellte Antikörper gehören schon jetzt zum Waffenarsenal im Kampf gegen Krebs, aber ihre therapeutische Aktivität bleibt oft begrenzt. Ziel des Projektes ist die Weiterentwicklung und Optimierung bestehender Antikörper zur noch gezielteren und effizienteren Behandlung von Krebs. Dabei soll eine neue Plattform-Technologie zur Kombination verschiedener gentechnisch optimierter Antikörper entwickelt werden.

Ricardo Biondi, Universität Frankfurt/Main

Titel: Entwicklung von allosterischen Substanzen als Inhibitor oder Aktivator von AGC-Proteinkinasen zur Behandlung von Krankheiten)

Kurzbeschreibung: Ziel des Projektes ist die Entwicklung von Krebs- und Diabetesmedikamenten, die noch effektiver als bisherige Arzneien wirken und bestehende Behandlungen ergänzen sollen. Der Ansatz beruht auf der gezielten Beeinflussung spezieller Enzyme (AGC-Proteinkinasen) durch kleine chemische Moleküle. Diese sollen auf eine Strukturregion innerhalb der Proteinkinasen gerichtet werden, die offenbar eine zentrale Rolle für die generelle Aktivität der Enzyme spielt und daher zur Therapie bei Krebs oder Diabetes angewandt werden kann.

Jacques Rohayem, TU Dresden

Titel: „siROX, Advanced siRNA Technologies“

Kurzbeschreibung: Im Mittelpunkt des Projektes steht die Entwicklung von Krebsmedikamenten, die auf kleinen Molekülschnipseln – den small interfering RNAs (siRNAs) – basieren. Dieser Ansatz macht sich die Technik der RNA-Interferenz (RNAi) zunutze, mit der sich einzelne Gene gezielt ausschalten und stilllegen lassen. Bei der Entwicklung geeigneter Medikamentenkandidaten im Rahmen einer noch zu gründenden Firma soll gleichzeitig eine neue industrielle Herstellungsmethode etabliert werden, die kostengünstiger als bisherige Produktionsverfahren ist. Bei diesem sogenannten RCR-Verfahren soll ein spezielles virales Enzym (Calicivirus RNA-dependent RNA-Polymerase) zum Einsatz kommen.

Ulrich Rothbauer, LMU Biozentrum, München

Titel: „Chromobodies: Innovative biomedizinische Forschung und Diagnostik mit fluoreszierenden Nanobodies“

Kurzbeschreibung: Antikörper sind Schlüsselreagenzien zum Nachweis von Biomolekülen in Forschung und Diagnostik. Aufgrund ihres variablen Aufbaus lassen sie sich ideal nutzen, um gezielt bestimmte Substanzen in Zellen oder Gewebe aufzuspüren. Für den Einsatz in lebenden Zellen sind herkömmliche Antikörper allerdings zu groß und instabil. Im Rahmen dieses Vorhabens soll nun eine neuartige Technologie etabliert werden, die auf sogenannten Chromobodies basiert. Diese Nanosonden bestehen aus Kamel-Antikörpern-Fragmenten, die bis zu zehnmal kleiner als herkömmliche Antikörper sind. Durch Fusion mit fluoreszierenden Eiweißen sind sie stabil genug, um als Analysewerkzeug in lebenden Zellen eingesetzt zu werden. Ziel des Projektes ist es, die Chromobodies in einem noch zu gründenden Unternehmens für den Markt zu entwickeln.

Media Contact

Silvia von Einsiedel idw

Weitere Informationen:

http://www.bmbf.de/press/2100.php

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