Paul-Bunge-Preisträgerin 2007

Zum 15. Mal verleiht in diesem Jahr die Hans-R.-Jenemann-Stiftung den Paul-Bunge-Preis für herausragende Arbeiten zur Geschichte wissenschaftlicher Instrumente. Die Stiftung, die bei der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) und der Deutschen Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie geführt wird, zeichnete am 24. Mai 2007 anlässlich der Jahrestagung der GDCh-Fachgruppe Geschichte der Chemie in Bad Langensalza Dr. Charlotte Bigg, Berlin, mit dem mit 7.500 Euro dotierten Bunge-Preis aus. Den mit 1.500 Euro dotierten Bettina-Haupt-Förderpreis für Geschichte der Chemie erhielt aus gleichem Anlass der Hamburger Henning Schweer. Auf der Tagung in Bad Langensalza, der Heimatstadt des Apothekers, Chemikers und Chemiehistorikers Johann Christian Wiegleb (1732 bis 1800), wurden in rund 30 Vorträgen u.a. der kaiserliche Befehl zur Erprobung von Reifen aus synthetischem Kautschuk, chemische und pharmazeutische Laboratorien im 18. Jahrhundert sowie bedeutende Chemikerpersönlichkeiten und Schicksale jüdischer Chemiker vorgestellt.

Den Paul-Bunge-Preis 2007 erhielt Charlotte Bigg für ihre Dissertationsschrift „Behind the Lines: Spectroscopic Enterprises in Early Twentieth-Century Europe.“ „Behind the Lines“ ist eine Geschichte über Experimentalpraktiken und über die durch diese geprägten Wissenschaftskulturen vom 19. Jahrhundert bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Sie knüpft an die Analyse der Laborwissenschaften an, die Instrumente als integrale Bestandteile von Experimentalsystemen und Experimentalkulturen versteht. Bigg gelang es, viele Praktiken und Kontexte zu rekonstruieren – hinsichtlich der Benutzung eines bestimmten Instrumententyps oder gemeinsamer metrologischer Standards, auch unter Einbeziehung der Instrumentenbauer. Die Arbeit behandelt unterschiedliche Gruppen: Universitätsphysiker und die optische Industrie, die an den Eigenschaften des Lichts, an Astrophysik oder an Eichstandards interessiert waren; oder Chemiker und Metallurgen, die am Nachweis neuer Elemente, an der Fortentwicklung der Spektroskopie zu einem quantitativen Verfahren oder an Methoden der Produktions- und Qualitätskontrolle arbeiteten. Eingebettet sind systematische Überlegungen zur Funktion der Metrologie oder zur Rolle der Instrumente bei der Durchsetzung von Innovationen. U.a. geht Bigg auf die Implementierung spektroskopischer Labormethoden in die industrielle Verfahrens- und Produktkontrolle unter den Bedingungen des Ersten Weltkriegs ein und zeigt auf, wie sich ein neuartiges Netzwerk aus Wissenschaft und Technik herausbildete. Interessant sind auch ihre Ausführungen zur Bedeutung der Spektroskopie für die frühe Geschichte der Quantenmechanik.

Charlotte Bigg wurde 1974 in Manchester geboren, legte in Frankreich das Baccaluarét ab, ging zum Studium der Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftstheorie nach Kanada an die University of Victoria, machte in Oxford ihren B.A. in Neuerer Geschichte, wechselte für ein Jahr an die Ludwig-Maximilians-Universität nach München und erwarb 1998 am King's College in Cambridge den Master in History and Philosophy of Science. Vier Jahre später promovierte sie dort. Seit 2002 – unterbrochen durch ein Jahr als Mitarbeiterin an der Professur für Wissenschaftsforschung der ETH Zürich – arbeitet Bigg am Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, zunächst als Postdoc-Stipendiatin innerhalb der Nachwuchsgruppe „Experimentelle Wissenschaftsgeschichte“, die von Dr. Otto Sibum, Bunge-Preisträger von 1994, geleitet wird; dann im Rahmen eines eigenen DFG-Projekts.

Biggs derzeitiges Forschungsinteresse gilt der Geschichte von Beobachtungstechniken, der Visualisierung von physikalischen Phänomenen und der Erforschung der Brownschen Bewegung um 1900. In diesem Zusammenhang steht auch eine von ihr mitkonzipierte Ausstellung „Atombilder“, die vor wenigen Wochen im Deutschen Museum eröffnet wurde.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit über 27.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat sich als treuhänderischer Träger einer Reihe von Stiftungen etabliert. Die Hans-R.-Jenemann-Stiftung hat sich zur Aufgabe gemacht, Arbeiten zur Geschichte wissenschaftlicher Instrumente zu fördern und diesem Arbeitsgebiet größere Sichtbarkeit zu verleihen. Von Hans R. Jenemann, dem 1996 verstorbenen Chemiker, Instrumentenhistoriker und Sammler chemischer Analysenwaagen, ins Leben gerufen, zeichnet die Stiftung seit 1993 herausragende Arbeiten zur Geschichte wissenschaftlicher Instrumente mit dem international ausgeschriebenen Paul-Bunge-Preis aus, der angesehensten und höchstdotierten Auszeichnung auf diesem Gebiet. Der Name des Preises erinnert an den bedeutendsten Konstrukteur chemischer Analysenwaagen im 19. Jahrhundert.

Kontakt:
Dr. Renate Hoer
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.
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