Druckbehälter und Luftfederdämpfer: Der VDI-Preis 2007 geht an Visionäre aus Kunststofftechnik und Mechanik

Diese herausragende ingenieurwissenschaftliche Leistung wird anlässlich des Universitätstages 2007 der Universität Kassel am 9. Februar vom „Verein Deutscher Ingenieure“ (VDI) mit dem 1983 ins Leben gerufenen VDI-Preis gewürdigt. Den mit 2.000 € ausgezeichneten Dissertationspreis erhält Dr.-Ing. Frank Finis für seine Arbeit über Druckbehälter. Der mit 1.000 € dotierte Diplompreis geht an den Diplom-Ingenieur Karsten Quint, der sich in seiner Arbeit mit Luftfederdämpfern auseinandergesetzt hat. Der Vorsitzende des VDI-Bezirksvereins Nordhessen, Prof. Dr.-Ing. Bernd Klein, zeichnet die Preisträger aus.

Kassel. Reines Trinkwasser und Fahrkomfort wie auf einer Luftsänfte: Den Schlüssel für die kostengünstige Realisierung dieser Zukunftsvisionen lieferten zwei Ingenieure am Fachbereich Maschinenbau der Kasseler Universität mit ihren Abschlussarbeiten. Diese herausragende ingenieurwissenschaftliche Leistung wird anlässlich des Universitätstages 2007 der Universität Kassel am 9. Februar vom „Verein Deutscher Ingenieure“ (VDI) mit dem 1983 ins Leben gerufenen VDI-Preis gewürdigt. Den mit 2.000 € ausgezeichneten Dissertationspreis erhält Dr.-Ing. Frank Finis für seine Arbeit über Druckbehälter. Der mit 1.000 € dotierte Diplompreis geht an den Diplom-Ingenieur Karsten Quint, der sich in seiner Arbeit mit Luftfederdämpfern auseinandergesetzt hat. Der Vorsitzende des VDI-Bezirksvereins Nordhessen, Prof. Dr.-Ing. Bernd Klein, zeichnet die Preisträger aus.

Kunststofftechnik vom Feinsten: neue, „gesunde“ Druckbehälter aus Plastik
Neuartige Druckbehälter für Heißwasseranwendungen, die etwa als Warmwasserspeicher in Küche oder Badezimmer fungieren können, sind sein Spezialgebiet: Dr.-Ing. Frank Finis hat sich in seiner Doktorarbeit mit der Entwicklung, Herstellung und Überprüfung von „Druckbehältern aus thermoplastischen Werkstoffsystemen für komplexe Beanspruchungskollektive“ beschäftigt. Neu und günstiger sind Herstellungsverfahren und Materialien dieses Behälters, neu und besser ist die resultierende Wasserqualität, neu und sehr clever ist ein kombiniertes Prüfverfahren, das Zukunftsprognosen über seine Haltbarkeit erlaubt.

Der Druckbehälter wird aus zwei Schalen unterschiedlicher Kunststoffe zusammengesetzt. Der Kunststoff der äußeren Schale garantiert die Druckfestigkeit des Behälters. Der Kunststoff der inneren Schale ersichert die gewünschte Wasserqualität. Das Problem der Verbindung dieser beiden Kunststoffschalen löste Frank Finis in seiner Dissertation mit einem neuen Fertigungsverfahren, das er MSA-Verfahren (Mould Shrink Assembly) nennt, zu Deutsch: „Schrumpfverfahren“. Es nutzt den so genannten Verarbeitungsschwund von Kunststoffen beim Spritzgießverfahren aus: Im warmen Zustand wird die frisch produzierte äußere Schale um die schon ausgekühlte innere Schale gelegt. Beim Abkühlen zieht sich die äußere Schale so zusammen, dass sich die Kunststoffe von Innen- und Außenschale spaltfrei zu einem Werkstoffsystem verbinden.

Der europäische Standard für das Innenleben eines solchen Behälters ist jedoch nicht Kunststoff, sondern Metall, meistens Kupfer. Der von Finis verwendete Kunststoff gibt keinerlei Schadstoffe an das Trinkwasser ab und ist auch günstiger und umweltfreundlicher in der Produktion. Eine solche zweischalige Konstruktion ist etwa 20 Prozent billiger als ein vergleichbares System aus Kupfer.

Auch Alterungseffekte und Werkstoffprüfung der Kunststoffe werden in der Dissertation umfassend behandelt. Finis konzipierte eine neue Prüfvorrichtung für zyklisch-dynamische Untersuchungen. Das Werkstoffsystem, aus dem der Behälter aufgebaut ist, kann damit mehrachsig belastet werden: Statt einfacher Belastung durch etwa Druck oder Zug ist nun eine der Realität entsprechende gleichzeitige Belastung mehrerer Belastungsrichtungen möglich, Temperaturänderungen mit in begriffen. Diese Prüfvorrichtung erlaubt in Kombination mit Simulationsprogrammen und Analysemethoden wie beispielsweise der Computertomographie bessere Aussagen über die Versagenssicherheit, also darüber, wie lange ein solcher Druckbehälter hält. Mit herkömmlichen Methoden hätte Finis erst in 15 Jahren sagen können, dass sein Gerät diesen Zeitraum im Originaleinsatz problemlos überdauert, nicht schon, wie jetzt, nach ein paar Wochen.

Dr.-Ing. Frank Finis hat die Dissertation berufsbegleitend bei der Firma Stiebel Eltron GmbH in Eschwege geschrieben. Betreut wurde er von Prof. Dr.-Ing. Andrzej Bledzki, Leiter des Bereichs Kunststoff- und Recyclingtechnik am Institut für Werkstofftechnik im Fachbereich Maschinenbau. Nun wechselt Frank Finis auf den Posten des Werkleiters für Forschung, Entwicklung und Formenbau der Firma Ritter GmbH in Schwabmünchen.

Ein Meilenstein in der Luftfederdämpfer-Entwicklung

Hohe Geschwindigkeit, Bordstein, Waldweg: Federn und Dämpfer sorgen schon seit vielen Jahrhunderten im Fahrzeug für Fahrkomfort. Das klassische Federmedium ist Stahl, das komfortabelste hingegen Luft. Im Gegensatz zu Stahlfedern bleibt bei Luftfedern mit Hilfe eines Kompressors der Abstand zwischen Rad und Kotflügel immer gleich, der Luftdruck wird an die verschiedenen Fahrgegebenheiten angepasst: das Auto kann „tiefgelegt“ werden, wenn hohe Geschwindigkeit nach Verringerung des Luftwiderstands verlangt, oder es wird angehoben, wenn man auf unebenen Fahrwegen oder schwer belastet fährt.

Luftfedern haben sich allerdings erst bei LKWs und anderen Nutzfahrzeugen durchgesetzt. Personenwagen funktionieren weiterhin mit Stahlfedern und führen Luftfedern nur in der Luxusklasse – der Grund: zu hohe Kosten.

Jede einzelne Luftfeder ist teuer und braucht aufgrund ihrer geringen Eigendämpfung einen zusätzlichen Dämpfer. Diese Aufgabe haben bisher vor allem separate Hydraulikdämpfer übernommen. Relativ neu ist die Idee, Luft auch als Dämpfungsmedium einzusetzen und die Feder- und Dämpfereigenschaften in einem einzigen Bauteil zu vereinen. Die Herstellung solcher „Luftfederdämpfer“ verläuft zunächst problemlos, wesentlich schwieriger verhält es sich aber mit der Abstimmung der Prototypen: Aufgrund des komplexen Zusammenspiels von mechanischen und thermodynamischen Vorgängen und der daraus resultierenden unendlichen Vielfalt von Varianten sind Entwickler bisher auf kostspielige Tests in einer Prüfmaschine und im tatsächlichen Fahrversuch angewiesen.

Das hat sich mit der Diplomarbeit von Dipl.-Ing. Karsten Quint „Luftfederdämpfer – Physikalische Modellierung und Simulation in Fahrzeugen mit MATLAB und ADAMS/CAR“ im geändert: Er entwickelte ein physikalisches Modell, das erstmals ein tieferes Systemverständnis von Luftfederdämpfern ermöglicht. Es entstand im Rahmen des Studiums im Praxisverbund bei Volkswagen und im Fachbereich Maschinenbau der Universität Kassel in Zusammenarbeit mit Prof. Alexander Lion, vormals Universität Kassel, jetzt Universität Bundeswehr München. Ausgehend von diesem Modell hat Karsten Quint außerdem neue Simulationswerkzeuge für die Programme MATLAB und ADAMS/CAR entwickelt: Nach Eingabe der echten Größen von Bauteilparametern, wie zum Beispiel den Durchmesser der Zylinder oder die Wärmeleitfähigkeit des Materials, können nun alle erdenklichen Entwicklungsvarianten am Computer durchgespielt werden. Die Besonderheit liegt in der Vorhersagekraft des Programms: Verändert man einen Parameter, so können sofort die Auswirkungen dieser Veränderung auf Mechanik und Fahrverhalten prognostiziert werden. Die vielversprechendsten Varianten einer Luftfederdämpfung werden auf diese Weise vorab am Computer selektiert, die Erfolgsquote im Praxistest steigt und die Produktion wird günstiger.

Karsten Quint hat gerade seine zweite Diplomarbeit vollendet und ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich „Prozessintegrierte Herstellung funktional gradierter Strukturen auf der Grundlage thermo-mechanisch gekoppelter Phänomene“ im Fachbereich Maschinenbau beteiligt.

Info
Universität Kassel
Fachbereich Maschinenbau
Institut für Mechanik
tel (0561) 804 2821
fax (0561) 804 2720
Dipl.-Ing. Karsten Quint
Universität Kassel
Fachbereich Maschinenbau
tel (0561) 804 3606
fax (0561) 804 2720
e-mail quint@uni-kassel.de
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86830 Schwabmünchen
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