Gesundheitliche Probleme von Kindern – wie die Eltern erreichen?

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld insgesamt 730.000 Euro zur Verfügung, um neue Konzepte für die Verbesserung der Gesundheitsbildung in Familien zu erproben und wissenschaftlich zu überprüfen. In einem mehrstufigen Wettbewerb konnte ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Dr. Uwe Bittlingmayer und Dr. Kordula Marzinzik sich den Zuschlag für das Projekt im Bereich der Präventionsforschung und Gesundheitsbildung in Familien sichern.

Ein besonderer Schwerpunkt des Forschungsprojekts „BEEP“ (Bielefelder Evaluation von Elternedukations-Programmen) liegt auf der Frage, wie sozial benachteiligte Familien in schlechter wirtschaftlicher Lage – deren Kinder heute überdurchschnittlich viele gesundheitliche Probleme aufweisen – erreicht werden können.

Das Bielefelder Forschungsteam arbeitet schon seit vier Jahren an diesem Thema. So konnte in systematischen Untersuchungen nachgewiesen werden, dass die in Deutschland flächendeckend angebotenen Früherkennungsuntersuchungen für Gesundheitsstörungen bei Kindern (die so genannten U-Untersuchungen durch die Kinderärzte, die bis zum 5. Lebensjahr angeboten werden) gerade von den Eltern nicht wahrgenommen werden, deren Kinder besonders viele körperliche und psychische Risikofaktoren aufweisen. „Viele Eltern aus Familien mit einem schwierigen wirtschaftlichen oder auch einem Migrationshintergrund scheuen den Weg zum Kinderarzt“, so Projektleiter Prof. Dr. Klaus Hurrelmann. „Deswegen bleiben bei ihren Kindern viele gesundheitliche Störungen unentdeckt, die bei einer frühen Behandlung leicht korrigiert werden könnten – es kommt zu einer Verfestigung von Ernährungs-, Koordinations- und Leistungsschwierigkeiten, die sich bis zum Schuleintritt und meist auch darüber hinaus immer weiter hochschaukeln.“ Die Bielefelder Wissenschaftler sprechen von einem „Präventionsdilemma“, weil durch vorbeugende Schritte gerade diejenigen Eltern und ihre Kinder nicht erreicht werden, bei denen eine frühe Hilfe besonders große Wirksamkeit hätte.

Ein anderes Beispiel sind Elterntrainingskurse. Die Bielefelder Wissenschaftler untersuchen seit längerem am Beispiel des in Deutschland weit verbreiteten Angebotes STEP, warum dieses Kompetenz fördernde Elterntraining von Eltern aus gut situierten Haushalten gerne angenommen wird, Eltern aus wirtschaftlich und sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen aber fernbleiben. Bisher haben Anreize und Appelle an diese Eltern nicht zu einer Verbesserung der Situation und zu häufigeren Besuchen von Elternkursen geführt. Der finanzielle Aufwand, der mit den Angeboten verbunden ist, ist ein wichtiger Faktor, aber keineswegs der einzige. Die Motive hinter den Ablehnungen wirksamer Elternbildung sind vielschichtig und werden im Projekt BEEP im Zentrum stehen.

Welche Strategien erfolgreich sind, um die bisher zurückhaltenden Eltern für die Gesundheitsbildung und das Erziehungstraining zu gewinnen, das sind die entscheidenden Fragestellungen des neu genehmigten Forschungsprojektes des Bundesforschungsministeriums. Im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Präventionsforschung“ sollen die Bielefelder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor allem eine mögliche Strategie detailliert untersuchen.

Projektleiter Prof. Dr. Klaus Hurrelmann: „Erste Erfolge zeigen sich, wenn Programme zur Verbesserung der Gesundheitsbildung und des Erziehungsverhaltens von Eltern nicht auf dem freien Markt angeboten werden, sondern in einen institutionellen Kontext einbezogen sind. Die Weltgesundheitsorganisation spricht hier von einem Setting-Bezug. Ein Beispiel ist das verbindliche Angebot zum Besuch eines Elternkurses dann, wenn das Kind in einer Kindestagesstätte aufgenommen wird. Schulen machen die Erfahrung, dass ihre Attraktivität sogar gesteigert wird, wenn sie den Besuch von Elterntraining zur Voraussetzung zur Aufnahme der Kinder macht. Wir wollen überprüfen, ob diese Strategie in kommunale Strukturen einbezogen werden kann.“

Das Projekt BEEP untersucht Angebote für Eltern im Kindergarten, in der Schule sowie in kommunalen Trägerstrukturen. Die Bielefelder Gesundheitswissenschaftler möchten zusammen mit den Programmanbietern Wege aufzeigen, wie auch die besonders bedürftigen Gruppen von den bestehenden Angeboten profitieren können.

Kontakt:
Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld
Frau Dr. Kordula Marzinzik; Herrn Dr. Uwe Bittlingmayer
Tel. 0521/106-3834 oder 0521/106-6245
beep@uni-bielefeld.de

Media Contact

Ingo Lohuis idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bielefeld.de/

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