Deutscher Umweltpreis für Pionier der Weißen Biotechnologie

An unwirtlichen Orten der Erde, wie hier an heißen Quellen auf den Azoren, sucht Garabed Antranikian nach Mikroorganismen, die sich in Industrieprozessen einsetzen lassen.

Deutscher Umweltpreis 2004: Einzelwürdigung Professor Garabed Antranikian

„Professor Antranikian hat auf dem Gebiet der Weißen Biotechnologie Pionierarbeit geleistet. Dank seiner Forschungen können neue, umweltfreundliche biotechnologische Herstellungsprozesse entstehen und existierende Verfahren so umgestaltet werden, dass die Umwelt deutlich entlastet wird.“ Mit diesen Worten würdigte heute Dr. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU, Osnabrück), den Hamburger Mikrobiologen Prof. Dr. Dr. h.c. Garabed Antranikian (53). Antranikian, Leiter des Instituts für Technische Mikrobiologie an der Technischen Universität Hamburg-Harburg, ist einer von zwei Trägern des Deutschen Umweltpreises 2004 der DBU, des mit 500.000 Euro höchst dotierten Umweltpreises Europas.

Vulkane, Arktis, Schwefelseen: Antranikian ist überall auf der Suche nach besonderen Mikroorganismen

Seit 1980 sucht Antranikian in heißen Quellen, schwefligen Vulkanen, Salzseen oder im arktischen Eis nach Mikroorganismen, die in diesen unwirtlichen Umgebungen gedeihen. „Sie lieben das Leben im Extremen und halten etwa starke Hitze, Kälte oder Säure gut aus. Professor Antranikian hat ihr außerordentliches Potenzial für die Weiße Biotechnologie früh erkannt“, so Brickwedde. Dank der in extremen Lebensräumen lebenden (extremophilen) Mikroorganismen gebe es neue Möglichkeiten, industrielle Prozesse umweltfreundlich zu gestalten, in denen ebenfalls Hitze, Kälte oder Säure herrschten – und bei denen andere Mikroorganismen mit ihrem Latein am Ende seien.

Mit Weißer Biotechnologie für den Umweltschutz

Dies gilt vor allem für die Herstellung von Wasch- und Reinigungsmitteln, Vitaminen oder Medikamenten. Aber auch in der Lebensmittel-, Textil-, Papier-, Druck- und Kosmetikindustrie wird Biotechnologie bereits angewandt. Dabei setzt die Weiße Biotechnologie, auch industrielle Biotechnologie genannt, besonders darauf, Umweltbelastungen möglichst erst gar nicht entstehen zu lassen: „Das bekannteste Beispiel für den Einsatz Weißer Biotechnologie sind neuartige Enzyme in Waschmitteln, die Fett und Schmutz noch besser beseitigen“, sagte Brickwedde. „Dadurch wird weniger Waschpulver verbraucht, zugleich wird die Wäsche bei niedrigerer Temperatur sauber.“ Allein durch das Waschen bei 40 Grad anstatt bei 60 Grad könnten pro Jahr 1,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart, also ein wichtiger Impuls zur Verringerung des Treibhauseffekts gegeben werden. Zum Vergleich: diese Menge entspricht in etwa dem Kohlendioxidausstoß von 1,7 Millionen Familien, die mit ihrem Auto jeweils über 4.000 Kilometer in Urlaub fahren.

Jeans – stonewashed dank Enzymen

Jedes Jahr werden weltweit eine Milliarde Jeans verkauft – viele mit dem modernen Stonewashed-Effekt. Um diesen zu erreichen, werden Jeans mit Bimsstein gewaschen. Das kostet Wasser, Energie und Produktqualität, denn das Gewebe wird durch den Bimsstein stark beansprucht. Ein Problem ist zudem der Abfall, denn pro Hose kommen 600 Gramm Steinabrieb zusammen, die entsorgt werden müssen und die Maschinen stark in Mitleidenschaft ziehen. Durch Einsatz von Enzymen (Biostoning durch Cellulasen) ist es möglich, dieselbe Wirkung wie durch Einsatz von Bimssteinen zu erzielen und gleichzeitig die Umwelt zu entlasten: Zum einen werden bezogen auf Wasser, Luft und Abfall die umweltrelevanten Kosten um 54 Prozent gegenüber dem konventionellen Verfahren gesenkt. Zum anderen zeigt die Ökobilanz, dass es das umweltfreundlichste Verfahren ist: Schadstoffe im Abwasser werden um 97 Prozent, in der Luft um 86 Prozent verringert.

Weniger Wasser- und Energieverbrauch

Ein anderes Beispiel zeigt die Umweltentlastungs- und Kostensenkungspotenziale in einem mittelständischen Textilveredlungsbetrieb. Durch Einsatz eines Enzyms (Katalase) in der Färbevorbehandlung von Baumwolle war es möglich, pro Tonne Textil den Ausstoß des klimaschädigenden Kohlendioxids um bis zu 120 Kilogramm zu verringern sowie bis zu 19.000 Liter Wasser und bis zu 500 Kilowattstunden einzusparen – dies entspricht der Energie, die ein Erwachsener aufbringen müsste, um 15.000 Kilometer Rad zu fahren.

Aus Stärke wird Sirup

Ein großes Innovationspotenzial haben die von Antranikian entdeckten Enzyme auch auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe. Durch Biokatalysatoren aus extremophilen Mikroorganismen können aus nachwachsenden Rohstoffen wie Stärke oder Cellululose hochwertige Produkte (Cyclodextrine, Zuckersirup, Bioethanol) hergestellt werden.

„Durch Antranikians Forscherleidenschaft werden Umweltprobleme innovativ gelöst“

„An unterschiedlichen Orten dieser Welt, ob im Okinawa-Graben im pazifischen Ozean, im norwegischen Spitzbergen oder in den Solfatarenfeldern bei Neapel, hat Professor Antranikian Mikroorganismen ausfindig gemacht. Durch seine Forscherleidenschaft ist es möglich, belastbare, maßgeschneiderte Enzyme für die Industrie zu produzieren und damit aufgrund seiner Kooperationen auf dem Gebiet der Biokatalyse mit weltweit tätigen Firmen Umweltprobleme auf innovative Weise zu lösen“, so Brickwedde.

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