Karlsruher Forscher entdecken bislang unbekannte magnetische Ordnung

Heidelberger Akademie der Wissenschaften verleiht Akademiepreis 2004 an Dr. Christian Pfleiderer – „Vielleicht haben wir gleichzeitig auch eine neue Klasse von Metallen gefunden!“, so Christian Pfleiderer

Am kommenden Samstag verleiht die Heidelberger Akademie der Wissenschaften Dr. Christian Pfleiderer den Akademiepreis 2004. Dem Physiker ist es gemeinsam mit einem Forscherteam von der Universität Karlsruhe und dem Forschungszentrum Karlsruhe gelungen, eine bislang unbekannte magnetische Ordnungsstruktur zu entdecken. Seit ihrer Entstehung als wissenschaftliche Disziplin im 19. Jahrhundert kennt die Festkörperphysik drei magnetische Ordnungszustände. „Wir können uns diese ganz grob gesprochen so vorstellen: Im ’ungeordneten Zustand’ weisen die magnetischen Momente in rascher Folge in alle möglichen Richtungen“, erklärt Pfleiderer. „Sind sie ’langreichweitig angeordnet’ deuten sie in bestimmte Richtungen, sind sie ’glasartig’, so sind sie in alle möglichen Richtungen eingefroren.“ Dass es nun noch eine vierte Form der Ordnung geben soll, versetzt die Fachwelt in Erstaunen.

In der Januarausgabe der Zeitschrift „Nature“ (Band 427) berichteten Pfleiderer und Kollegen über die Entstehung dieses neuen Zustandes. Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und bei Drücken oberhalb von 15.000 Atmosphären zeigte das Metall Mangansilizium (MnSi) ungewöhnliche Eigenschaften. Die langreichweitige spiralförmige Anordnung der magnetischen Momente löst sich nur zum Teil auf. Die Spirale bleibt erhalten, aber die Richtung der magnetischen Spirale ist in diesem neuen Zustand nicht mehr eindeutig festgelegt. Der neue Zustand ähnelt dabei Flüssigkristallen, die sich ebenfalls in einem Zwitterzustand befinden: sie sind gleichzeitig kristallin und geschmolzen. Seit der Veröffentlichung dieser Forschungsergebnisse erfährt Pfleiderer aus Fachkreisen eine enorme Resonanz: „Ich kann mich gegenwärtig vor Einladungen auf Kongresse nicht mehr retten.“ Bereits im Jahr 2001 wies Pfleiderer mit einem anderen Team in „Nature“ darauf hin, dass die statistischen Eigenschaften der Ladungsträger im magnetischen Metall Mangansilizium unter den von ihnen erzeugten Bedingungen vollkommen unkonventionell sind. „Wir spekulieren gegenwärtig, ob die von uns entdeckte magnetische Ordnung das Kennzeichen einer ganz neuen Klasse von Metallen ist.“

14 Jahre forscht Pfleiderer, zunächst an der Universität Cambridge und dem Forschungszentrum Grenoble, nun schon auf diesem Themengebiet. Dabei wird er mittlerweile von drei Mitarbeitern unterstützt. „Es handelt sich hier um reine Grundlagenforschung“, so betont er. Eine praktische Nutzung der gewonnenen Ergebnisse steht nicht im Vordergrund. Auch die technische Nutzung von Flüssigkristallen für High-Tech-Displays benötigte schließlich rund 100 Jahre von ihrer Entdeckung bis zur Marktreife. „Wenn ich jedoch spekulieren darf, so könnte unsere Forschung eines Tages neue Speichermedien in der Informationstechnik ermöglichen. Diese würden auf einer Nanoskala um ein Vielfaches höhere Speicherkapazitäten bieten als alles, was uns gegenwärtig machbar erscheint. Aber das ist im Augenblick noch ferne Zukunftsmusik.“

In die nähere Zukunft sieht Pfleiderer mit viel Optimismus. Bislang war er bei seinen Experimenten auf Forschungsreaktoren in Paris und Berlin angewiesen. Doch seit Juni 2004 steht der neue Forschungsreaktor München II (FRM II) zur Verfügung. „Dank dieser international hervorragenden Einrichtung werden bei der Erforschung magnetischer Strukturen mit Neutronen neue Perspektiven möglich. Wir haben gute Chancen, die von uns entdeckte magnetische Ordnung nicht nur strukturell, sondern auch in ihrer Dynamik zu begreifen!“ Die Helmholtzgemeinschaft Deutscher Forschungszentren und das Forschungszentrum Karlsruhe wird deshalb eine eigene Nachwuchsgruppe unter Leitung von Pfleiderer an der Universität Karlsruhe einrichten.

Der Akademiepreis wird von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften jährlich für die herausragende Arbeit eines Jungforschers verliehen. Der mit 6.000 Euro dotierte Preis wurde 1984 vom Verein zur Förderung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gestiftet. „Mit der Verleihung dieses Preises anerkennt die Akademie die Leistung junger Forscher und will sie so ausdrücklich ermutigen. Sie möchte ihnen ihr eigenes Prestige zugute kommen lassen, um in der Öffentlichkeit auf den Wert der geleisteten Forschungsarbeit hinzuweisen,“ so Professor Graf Kielmansegg, Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

Ort: Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Karlstraße 4, 69117 Heidelberg
Datum: Samstag 10. Juli 2004
Uhrzeit: 12.15 Uhr
Der Eintritt ist kostenlos.

Rückfragen bitte an

Dr. Johannes Schnurr
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
Telefon: 06221/54 34 00
Fax: 06221/54 33 55
E-Mail: johannes.schnurr@urz.uni-heidelberg.de

sowie

Dr. Christian Pfleiderer
Telefon: 0721/6 08 35 40
E-Mail: christian.pfleiderer@pi.uka.de

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Weitere Informationen:

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