Michael Preis zur Förderung der Epilepsieforschung

„Ausgezeichnete“ Experten auf dem Gebiet der Epilepsie trafen sich in Potsdam

Epilepsie ist die häufigste chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems. Bei einer Lebenszeitprävalenz von 3-5 % erkranken die meisten Menschen nur vorübergehend. Etwa 500.000 Menschen in Deutschland sind aber von einer aktiven Epilepsie betroffen. Unter Epilepsie litt auch der Sohn Michael des Publizisten und Verlegers Dr. Fritz Harzendorf, der 1962 die STIFTUNG MICHAEL zur Erforschung und Bekämpfung der Anfallskrankheiten ins Leben rief. Ein Jahr später wurde erstmals der MICHAEL-FORSCHUNGSPREIS vergeben, der – unterstützt durch Novartis Pharma – mit einem Preisgeld von heute 12.500 Euro zu den am höchsten dotierten internationalen Preisen in der Epilepsieforschung gehört. Seit 1985 wird der Preis im Zweijahresturnus vergeben. Alternierend treffen sich aktuelle und frühere Preisträger, um auf dem MICHAEL FORUM über neueste Forschungsergebnisse zu berichten. Nach Vergabe des Preises im letzten Jahr fanden sie sich vom 27. bis 29. Mai dieses Jahres in Potsdam zusammen.

Ursachen der Pharmakoresistenz noch weitgehend unklar

In diesem Jahr folgten 14 Preisträger der Einladung von Prof. Dr. Walter Christe, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam, der Einladung zum MICHAEL FORUM. Der Preisträger der Jahre 1991/92, Prof. Wolfgang Löscher vom Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Tierärztlichen Hochschule Hannover, erläuterte mögliche Ursachen, warum einige Patienten nach einer gewissen Zeit auf ein Medikament nicht mehr ansprechen. Die Mechanismen einer solchen „Pharmakoresistenz“ sind bislang kaum verstanden.

Es werden aber zwei Hypothesen erwogen: zum einen Veränderungen der Zielstrukturen der Medikamente, zum anderen Veränderungen der Medikamentenaufnahme in das Gehirn und in die dort ansässigen Zellen. Die Zielstrukturhypothese liefert allerdings für jene Medikamente keine Erklärung, die – wie Carbamazepin – an den Natriumkanälen angreifen. Denn bei ihnen kann bei Wirkverlust eines Medikamentes ein anderes weiterhin wirksam sein, obwohl beide den gleichen Wirkmechanismus besitzen. Wahrscheinlicher sind deshalb Veränderungen der Medikamentenaufnahme in das Gehirn durch so genannte „Multi Drug Resistance“ (MDR)-Proteine, die zuerst bei chemotherapieresistenten Tumorzellen beschrieben wurden. Sie sind für die Ausschleusung fettlöslicher Substanzen aus der Zelle verantwortlich und schützen die Zellen gemäß ihrer natürlichen Funktion z.B. vor Giftstoffen, die über die Nahrung in das Blut gelangen. Solche MDR-Proteine finden sich bei Epileptikern in den Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke sowie anderen Zellen wie Astrozyten und Neuronen in besonders hoher Dichte. Ein weiterer Vertreter solcher Transportproteine ist das P-Glycoprotein (PGP), das in epileptischen Foci (d.h. jenen Regionen des Gehirns, von denen epileptische Krampfanfälle ausgehen) pharmakoresistenter Ratten vermehrt exprimiert wird. Um die Ausschleusung antiepileptischer Medikamente zu verhindern, werden derzeit (u.a. durch das Unternehmen Novartis) MDR-Protein- und PGP-Inhibitoren entwickelt.

Wann verspricht eine Operation Aussicht auf Erfolg?

Prof. Colin Binnie (Preisträger 1980/81) vom King´s College Hospital in London, erläuterte einen neuen Ansatz zur Identifizierung jener Hirnregionen, die an der Entstehung epileptischer Krämpfe beteiligt sind. Erprobt wurde das hierbei eingesetzte Verfahren der „Single Pulse Electrical Stimulation“ (SPES) in einer Studie mit 45 Patienten, denen vor einer Epilepsie-Operation Elektroden unter die Hirnhaut (subdural) oder in das Gehirn (intrazerebral) implantiert worden waren. Bei ihnen verglichen Prof. Binnie und Mitarbeiter die Geschwindigkeit der Reizweiterleitung nach Stimulation der Hirnrinde durch einen elektrischen Einzelimpuls in Hirnarealen mit und ohne Anfallsaktivität. Dabei identifizierten sie zwei Hauptresponstypen (d.h. zwei verschiedene Antworten auf den Reiz). Dies war zum einen eine frühe Antwort, bei der bereits innerhalb von 100 ms nach dem Reiz (Stimulus) eine Reaktion messbar war. Diese wurde in den meisten Regionen aller Patienten verzeichnet und ist vermutlich eine normale Reaktion der Hirnrinde auf einen elektrischen Reiz. Daneben fand sich eine verzögerte Antwort (100 ms – 1 s nach Stimulation) in einigen Regionen von 27 Patienten. Diese Regionen stimmten mit jenen überein, in denen epileptische Anfallsaktivität stattgefunden hatte.

Das Verfahren könnte in Zukunft möglicherweise dazu genutzt werden, Vorhersagen über den Erfolg einer Operation zu treffen. Eine solche kommt für Patienten in Frage, bei denen die epileptischen Anfälle in umschriebenen Bereichen des Gehirns ausgelöst werden (fokale Epilepsie) und die auf antiepileptische Medikamente unzureichend ansprechen. Prof. Binnie und Mitarbeiter selbst setzten die SPES zur Untersuchung von Patienten ein, bei denen eine Temporallappen-Lobektomie (Entfernung von Hirngewebe einer bestimmten Region) durchgeführt wurde. Dreiundzwanzig von ihnen sind mittlerweile über zwölf Monate nach der Operation beobachtet worden. Das Ergebnis: Eine Operation hatte in der Regel dann Erfolg, wenn Hirngewebe entfernt worden war, das in den Versuchen eine verzögerte Antwort auf einen Reiz gezeigt hatte. Dies war bei 16 von 17 Patienten der Fall. Ohne Erfolg blieben hingegen vier der sechs Operationen, in denen Hirngewebe entfernt wurde, das keine verzögerte Reizantwort aufgewiesen hatte.

Bewerbungsfrist: 30. November 2004

Der MICHAEL-PREIS zählt mit seiner mehr als 40-jährigen Tradition zu den renommiertesten Preisen in der Epilepsieforschung. Seit 1976 wird er von Novartis Pharma (d.h. früher durch Ciba-Geigy) unterstützt, um Ursachenforschung und klinische Forschung voranzutreiben. Der Preis richtet sich an jüngere Wissenschaftler bis 40 Jahre, die sich „für die beste, zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragende Arbeit auf dem Gebiet der Epileptologie“ – so ein Auszug aus der Satzung – bewerben können. Die Auswahl trifft ein unabhängiges Gremium hochkarätiger Wissenschaftler. Die Liste der Preisträger liest sich wie das „Who is Who“ der internationalen Epilepsieforschung.

Der MICHAEL PREIS 2003/2004 wird im nächsten Jahr wieder vergeben. Interessierte Epilepsieforscher können sich bis zum 30. November 2004 bewerben, wobei bis zu vier Veröffentlichungen oder Publikationen der Jahre 2003/2004 in deutscher oder englischer Sprache berücksichtigt werden. Die Unterlagen können angefordert werden unter: STIFTUNG MICHAEL, Münzkamp 5, 22339 Hamburg.

Die Novartis AG (NYSE: NVS) ist ein weltweit führendes Unternehmen in den Bereichen Pharma und Consumer Health. Im Jahr 2003 erzielte der Konzern einen Umsatz von USD 24,9 Milliarden und einen Reingewinn von USD 5,0 Milliarden. Der Konzern investierte rund USD 3,8 Milliarden in Forschung und Entwicklung. Novartis hat ihren Sitz in Basel (Schweiz). Die Novartis Konzerngesellschaften beschäftigen rund 78 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in über 140 Ländern.

Media Contact

Philipp Kressirer idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Förderungen Preise

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer