Förderpreise für Schmerzforschung 2003: Highlights der Grundlagen- und klinischen Forschung

Eine einfache Berührung oder ein Prick-Test genügen, Nervenschmerz genauer zu charakterisieren: Dieses bahnbrechende Forschungsergebnis prämiert die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e. V. mit einem der diesjährigen Förderpreise für Schmerzforschung. Prof. Dr. Michael Zenz, Präsident der DGSS, verleiht in den beiden Kategorien Grundlagen- und Klinische Forschung je einen mit 7000 Euro dotierten ersten und einen mit 3500 Euro dotierten zweiten Preis. Stifter der Preise ist die Grünenthal GmbH. Weitere prämierte Forscher fanden ein Gen, das seinen Träger zum guten oder schlechten Verwerter von Schmerzmedikamenten macht, den Sitz der Schmerzwahrnehmung im Gehirn und Gründe für die gute oder schlechte Wirkung und Verträglichkeit von Schmerzmitteln. Zur Verleihung bei der Eröffnung des Deutschen Schmerzkongresses am 9. Oktober 2003 (8.30-10 Uhr) in Münster sind die Medien herzlich eingeladen.

Verschiedene Typen von Nervenschmerz erkennen und gezielt behandeln

Den ersten Preis in der Kategorie Klinische Forschung erhalten Dr. Ulf Baumgärtner und Dr. Thomas Klein (Universität Mainz, „Neurogenic hyperalgesia versus painful hypoalgesia: two distinct mechanisms of neuropathic pain“).

In ihrer Arbeit stellen sie eine einfache Methode vor, Mechanismen von Nervenschmerzen näher zu charakterisieren: Anhand von mechanischen Tests der Hautsensibilität durch Berührung oder Prick-Tests lässt sich herausfinden, ob der Patient eher an Schmerzen durch eine Sensibilisierung zentraler Nervenzellen leidet, oder ob es sich eher um sog. Deafferenzierungsschmerzen handelt. Ersteres geht mit einer abgesenkten Schmerzschwelle im betroffenen Hautareal einher. Beim Deafferenzierungsschmerz, der sich durch eine erhöhte Schmerzschwelle im betroffenen Hautareal auszeichnet, sind die Reizleitungen zu den zentralen Nervenzellen gestört, so dass sie mangels Kontrolle von außen ein Eigenleben beginnen und unkontrolliert feuern. Das verursacht – so die Hypothese – die Schmerzen. Die selben Subtypen des Nervenschmerzes können bei verschiedenen Grunderkrankungen wie z. B. Nervenverletzungen, Schlaganfall oder Multipler Sklerose vorkommen. Die mechanismen-basierte Klassifikation des Nervenschmerzes könnte in Zukunft eine wichtige Grundlage für Therapieentscheidungen unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung sein.

Kontakt: thoklein@uni-mainz.de

Gen macht zum guten oder schlechten Schmerzmittelverwerter

Der zweite Preis in der Kategorie Klinische Forschung geht an PD Dr. Ulrike Stamer (Universität Bonn, „Impact of CYD2D6 Genotype on Postoperative Tramadol Analgesia“).

Sie fand heraus, dass bestimmte Erscheinungsformen eines Gens dafür verantwortlich sind, ob ein Patient ein guter oder schlechter „Verwerter“ von Medikamenten („Extensive Metabolizer oder Poor Metabolizer“) ist. Frisch operierte Patienten, bei denen die fraglichen Allele des untersuchten Gens eine Mutation aufwiesen und somit keine Enzymaktivität für CYP2D6 bestand, brauchten signifikant mehr Tramadol als Patienten mit mindestens einem funktionellen Allel. Auch der Bedarf an zusätzlichen Ausweichmedikamenten wegen starker Schmerzen war bei diesen Patienten höher und die Patientenzufriedenheit geringer. Insgesamt gab es in der Gruppe mit fehlender Enzymfunktion mehr Patienten, die auf die Schmerzmedikation mit Tramadol nicht ansprachen. Diesen Effekt konnte Dr. Stamer erstmals in einer großen klinischen Studie belegen.

Kontakt: ulrike.stamer@ukb.uni-bonn.de

Präfrontale Hirnregion kann Schmerzen ausblenden

Mit dem ersten Preis in der Kategorie Grundlagenforschung zeichnet die DGSS Dr. Jürgen Lorenz aus (Universität Hamburg“Keeping pain out of mind: The role of the dorsolateral prefrontal cortex in pain modulation“).

Er untersuchte die Rolle des Frontalhirns bei der Verarbeitung von Schmerz. Während Hirnaktivitätsmessungen reizte er die Unterarme gesunder Probanden mit langandauernden Hitzeimpulsen an Hautarealen, deren Schmerzempfindlichkeit er zuvor mit dem Wirkstoff des Chilipfeffers (Capsaicin) gesteigert hatte. Es zeigten sich Aktivitätszunahmen in mehreren Unterregionen des Frontalhirns mit unterschiedlichen Teilfunktionen. Sind die weiter vorne und mehr in der Mitte gelegenen Anteile (orbitofrontaler und cingulärer Cortex) aktiv, verstärkt sich die Schmerzwahrnehmung. Bei Aktivierung weiter oben und seitlich gelegener Anteile (dorsolateraler Präfrontalcortex) wurden die Schmerzen erträglicher. Dieses Ergebnis widerlegt die bisherige Annahme einer einheitlichen Aufgabe des Frontalhirns bei der Aufmerksamkeitszuwendung zum Warnsignal Schmerz. Es belegt seine Bedeutung bei der Eigensteuerung von Schmerz in dafür spezialisierten Unterregionen. Die Leistung des Frontalhirns, Schmerz situationsabhängig „auszublenden“, kommt insbesondere bei Entzündungen und Verletzungen zum Tragen, wenn man der Schmerzursache nicht – wie beim Berühren einer heißen Herdplatte – unmittelbar entrinnen kann.

Kontakt: lorenz@uke.uni-hamburg.de

Schmerzmittel schont Magen und Darm

Der zweite Preis in der Kategorie Grundlagenforschung geht an PD Dr. Burkhard Hinz (Universität Erlangen-Nürnberg „Aceclofenac spares cyclooxygenase 1 as a result of limited but sustained bio-transformation to diclofenac“).

Dr. Hinz fand heraus, warum das Schmerzmittel Aceclofenac wesentlich verträglicher ist als Diclofenac. Beide Medikamente kommen bei Arthrose und rheumatoider Arthritis zum Einsatz und wirken ähnlich schmerzlindernd und entzündungshemmend. Nach der Einnahme von Aceclofenac kommt es aber wesentlich seltener zu Nebenwirkungen im Verdauungstrakt. Die Studie zeigte, dass die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von Aceclofenac auf einem besonderen pharmakokinetischen Verhalten basiert: Aceclofenac selbst hat keine Wirkung auf die dafür entscheidenden sog. Cyclooxygenase(COX)-Enzyme, wird im Organismus aber zu aktiven Substanzen – darunter Diclofenac – umgebaut. Diese Wirkstoffe hemmen vor allem das Enzym COX-2, das Entzündungsreaktionen und Schmerz vermittelt, jedoch weniger das COX-1-Enzym, das den Magen-Darm-Trakt schützt. Verglichen mit der Einnahme einer gleich wirksamen Dosis Diclofenac führt die begrenzte, aber anhaltende Bildung von Diclofenac aus Aceclofenac zu einer signifikant geringeren Hemmung des schützenden Enzyms COX-1. Folglich lässt sich das COX-2-Selektivitätsprofil von Diclofenac dadurch verbessern, indem man anstelle des eigentlichen Wirkstoffs eine Vorläufersubstanz (Prodrug) verabreicht. Diese Ergebnisse sind eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung selektiver COX-2-Hemmstoffe.

Kontakt: burkhard.hinz@pharmakologie.uni-erlangen.de

Informationen im Internet

Das Programm und weitere Informationen zum Deutschen Schmerzkongress (8. bis 12. Oktober, Münster) finden Sie im Internet unter http://www.schmerzkongress.de.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e. V. Institut für Physiologie u. Pathophysiologie, Universität Mainz, Saarstr. 21, 55099 Mainz, Tel. 06131/39-5715, Fax 06131/39-5902, E-Mail: treede@mail.uni-mainz.de

Prof. Dr. Michael Zenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e. V., Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Knappschaftskranken-haus Bochum-Langendreer, In der Schornau 23-25, 44892 Bochum, Tel 0234/299-3000, Fax 0234/299-3009, E-Mail: zenz@anaesthesia.de

Meike Drießen, M.A., Pressestelle der DGSS, c/o Ruhr-Universität Bochum, Raum UV 3/366, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-26952, Fax: 0234/32-14136, E-Mail: meike.driessen@presse.rub.de

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Meike Drießen idw

Weitere Informationen:

http://www.schmerzkongress.de

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