DECHEMA-Preis für Prof. Dr. Wolfgang Wiechert

Der Preis wird am 28. November im Rahmen eines Festkolloquiums durch den Vorsitzenden der DECHEMA, Dr. Alfred Oberholz (Vorstandsmitglied der Degussa-Evonik AG), überreicht.

Der im europäischen Raum ausgeschriebene Preis wird in diesem Jahr verliehen für „bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiet der Modellierung von Stoffwechselvorgängen, die zu einer quantitativen und experimentell gesicherten Beschreibung biologischer Systeme und ihrer industriellen Nutzung führen“.

Präzise Messmethoden und eine mathematische Beschreibung der beobachteten Phänomene werden bis heute eher als ein Kennzeichen der Physik als ein Merkmal der Biologie betrachtet. Erst seit relativ kurzer Zeit wird in der biologischen Forschung an einem quantitativen Verständnis der stark vernetzten Abläufe im Inneren einer lebenden Zelle gearbeitet. Mit der Verfügbarkeit neuer Messmethoden, die in kurzer Zeit große Mengen an Daten über die Strukturen und Prozesse in einer Zelle liefern, rückt eine mathematische Beschreibung biologischer Systeme in den Bereich des Möglichen.

Ein neuer Zweig der Biologie – die Systembiologie – hat sich auf die Fahnen geschrieben, die komplexen Regulationsnetzwerke von Zellen aufzuklären. Da der Umgang mit komplexen, aus vielen verschiedenen miteinander wechselwirkenden Einzelteilen bestehenden Systemen eine klassische Ingenieurdomäne ist, wird verständlich, warum in diesem biologischen Arbeitsgebiet heute viele Systemwissenschaftler aus dem Ingenieurbereich anzutreffen sind.

Auch Prof. Wiechert befasst sich mit seiner Arbeitsgruppe seit nunmehr 15 Jahren mit der Vermessung und quantitativen Beschreibung biologischer Netzwerke. So war er maßgeblich beteiligt an der Entwicklung einer Methode zur Quantifizierung von Stoffflüssen in lebenden Zellen. Als Ergebnis einer Stoffflussanalyse wird sichtbar, wie die einzelne Zelle den aufgenommenen Nährstoff (meist Glukose) im Stoffwechsel umsetzt und für die Energiegewinnung oder den Aufbau der Zellmasse nutzt. Die Stoffflussanalyse wird heute weltweit als Werkzeug eingesetzt, um den Effekt genetischer Veränderungen im Zuge der Entwicklung biotechnologischer Produktionsstämme zu diagnostizieren.

Hinter der Methode verbirgt sich eine relativ komplizierte mathematische Theorie, die von Herrn Wiechert – als studiertem Mathematiker – mitentwickelt wurde. Stoffflüsse sind nämlich nur selten direkt messbar. Vielmehr muss die Information über die Flüsse in einem Stoffwechselnetzwerk indirekt beschafft werden, in dem man die Zelle mit einem Spurstoff in Form einer mit dem 13C-Kohlenstoffisotop markierten Glukose füttert und dann beobachtet, wie sich dieser Spurstoff über das Stoffwechselnetzwerk verteilt.

Mit der Messung der Stoffflüsse ist allerdings noch nicht geklärt, warum in einer Zelle gerade diese Flussverteilung vorliegt. Um mehr über die Regulationsnetzwerke einer Zelle zu erfahren, befasste sich die Siegener Gruppe mit der Auswertung so genannter Pulsexperimente. Dies ist ein Experiment, bei dem der Nährstoff Glukose nach einer Hungerphase schlagartig bereitgestellt wird. Zellen reagieren auf ein solches plötzliches Überangebot mit sich schnell verändernden Stoffflüssen in den biochemischen Netzwerken. Durch Auswertung dieser Daten auf der Grundlage von mathematischen Modellen konnten Aussagen über die Regulationsmechanismen abgeleitet werden.

Dieser Weg führt schrittweise zu einer quantitativen durch mathematische Modelle gestützten Sicht der Zelle. Diese wiederum dient dann wiederum den Ingenieuren als Grundlage für eine Bioprozessentwicklung.

Ein enger Kooperationspartner bei allen diesen Entwicklungen war in den vergangenen Jahren das Institut für Biotechnologie am Forschungszentrum Jülich. Vor kurzem erhielt Prof. Wiechert den Ruf auf die Direktorenstelle am IBT 2 (Nachfolge Prof. Wandrey). Damit erhält er die Chance, seine Arbeiten in Zukunft im großen Stil fortzusetzen. Wie bisher wird dabei die fachübergreifende Zusammenarbeit von experimentell arbeitenden Biologen und Systemwissenschaftler im Kontext großer multidisziplinärer Projekt im Mittelpunkt stehen.

Die Max-Buchner-Forschungsstiftung ist nach dem der DECHEMA (Gesellschaft für chemische Technik und Biotechnologie e.V.) benannt. Sie wurde 1936 ins Leben gerufen und begründet die aktive Forschungsförderung der DECHEMA auf den Fachgebieten der Chemischen Technik, der Verfahrenstechnik, der Biotechnologie und des Umweltschutzes.

Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert.

Media Contact

Kordula Lindner-Jarchow idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-siegen.de

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