Attempto-Preise 2008 für neurowissenschaftliche Erkenntnisse auf den Gebieten der Wahrnehmung von Mengen und Bewegungen

Die mit jeweils 7.500 Euro dotierten Preise werden am 27. Mai traditionell im Rahmen der Mitgliederversammlung der Vereinigung der Freunde der Universität Tübingen e.V. (Unibund) um 15 Uhr im Großen Senat in der Neuen Aula überreicht. Seit 1983 werden mit dem Preis herausragende Arbeiten junger Wissenschaftler im Bereich der Neurobiologie ausgezeichnet.

Er dient zur Förderung der weiteren wissenschaftlichen Karriere und wird von der Attempto-Stiftung verliehen. Die Stiftung wurde vom Reutlinger Ehepaar Maria-Dorothea und Konrad Ernst ins Leben gerufen.

Oana Tudusciuc wurde 1977 in Iasi in Rumänien geboren. Sie forscht als Doktorandin am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in der Abteilung Kognitive Neurologie in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Andreas Nieder. In der prämierten Studie hat Oana Tudusciuc untersucht, wie einzelne Nervenzellen des Gehirns Quantitäten wahrnehmen und wie sie bei deren Beurteilung zusammenarbeiten. Forscher sprechen dabei von der mentalen Repräsentation diskreter und kontinuierlicher Mengen. Für ihre Experimente trainierte Tudusciuc zwei Affen, die Anzahl von Punkten (als diskrete Menge) und die Länge einer Linie (als kontinuierliche Menge) einzuschätzen. Während die Affen die antrainierte Aufgabe lösten, hat die Forscherin die Aktivität einzelner Nervenzellen gemessen. Sie beobachtete, dass es Nervenzellen gibt, die jeweils sehr stark auf eine ganz bestimmte Zahl, eine „Lieblingszahl“, ansprechen.

Ebenso existieren Nervenzellen, die besonders auf eine spezielle Länge einer Linie reagieren, eine „Lieblingslänge“. Weiterhin entdeckte Oana Tudusciuc einzelne Nervenzellen, die sowohl eine „Lieblingslänge“ als auch eine „Lieblingsanzahl“ haben. Diese Zellaktivitäten hat die Forscherin mithilfe künstlich erzeugter neuronaler Netzwerke analysiert: Sie stellte fest, dass diese Zellen Mengeninformationen durch feine zeitliche Modulationen in ihrer Antwortrate ermitteln können. Oana Tudusciucs Forschungen offenbaren neue Details über die Funktionsweise des Gehirns auf der Ebene einzelner Zellen und ihrer Zusammenarbeit.

Dr. Andreas Bartels ist 1973 in Zürich zur Welt gekommen. Seit 2004 forscht er als Postdoktorand am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen in der Abteilung von Professor Dr. Nikos K. Logothetis. In seiner prämierten Studie hat Andreas Bartels Hirnareale untersucht, die auf visuelle Reize der Eigenbewegung reagieren. Augen, Kopf und Körper eines Menschen sind ständig in Bewegung. Ein großer Teil der visuellen Bewegungsreize entsteht durch solche Eigenbewegungen, die in der Neurowissenschaft von der Bewegung von Objekten wie zum Beispiel anderen Menschen, Tieren oder Fahrzeugen in der Umgebung unterschieden werden. Die visuellen Reize aus Eigenbewegungen nimmt der Mensch häufig kaum wahr, da das Gehirn die visuellen Reize mit den Muskelbewegungen verrechnet und sozusagen wegsubtrahiert. Die korrekte Verarbeitung von visuellen Selbstbewegungsreizen ist aber eine Voraussetzung dafür, dass auch die Bewegung von externen Objekten korrekt wahrgenommen wird. In seiner Arbeit hat Andreas Bartels mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) nachgewiesen, welche Hirnreale des Menschen auf visuelle Objekt- und welche auf visuelle Selbstbewegungsreize reagieren, und mit welchen anderen Arealen diese kommunizieren. Hierbei wurde ein neues Hirnareal im parietalen Kortex des Menschen beschrieben, dessen Existenz schon aus Patienten- sowie aus Tierstudien vermutet wurde. Erstmals konnte in einer Studie eine klare Trennung zwischen menschlichen Hirnregionen festgestellt werden, die auf Eigenbewegungsreize reagieren und solchen, die auf Objektbewegungsreize ansprechen.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Hans-Peter Thier
Zentrum für Neurologie
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
Abteilung Kognitive Neurologie
Hoppe-Seyler-Straße 3
72076 Tübingen
Tel: (07071) 29-83057
E-Mail: thier@uni-tuebingen.de

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Michael Seifert idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-tuebingen.de

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