Europäisches Eiskernprojekt EPICA erhält Descartes-Preis der Europäischen Union

Der mit insgesamt 1,36 Millionen Euro dotierte Descartes-Preis wird jedes Jahr an bis zu vier europäische Forschergruppen für hervorragende grenzüberschreitende Projekte in Natur- und Geisteswissenschaften vergeben. Dem von zwölf Partnern aus zehn europäischen Ländern durchgeführten Projekt gelang es Klimadaten zu gewinnen, die für die Diskussion des derzeitigen Klimawandels von größter Bedeutung sind. So war es möglich, erstmals Temperaturen und Treibhausgaskonzentrationen der letzten bis zu 800.000 Jahre zu rekonstruieren sowie den Zusammenhang des Klimas der Nord- und Südhemisphäre im Detail zu untersuchen.

Seit über zehn Jahren arbeiten Wissenschaftler aus zehn europäischen Ländern, darunter Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Norwegen, Schweden und die Schweiz, im EPICA-Projekt auf verschiedensten Gebieten der Eiskernforschung und der Glaziologie zusammen. Als deutscher Partner in EPICA ist das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft für die Durchführung der Eisbohrung im Dronning-Maud-Land in der Antarktis und für eine Vielzahl der Analysen verantwortlich. Prof. Heinrich Miller, stellvertretender Direktor des Alfred-Wegener-Instituts, koordiniert unter dem Dach der European Science Foundation (ESF) die gesamten Forschungsarbeiten des Großprojekts. Finanziert wird EPICA durch Beiträge der beteiligten Länder und durch die Europäische Union.

„Nur in dieser engen Zusammenarbeit aller europäischen Arbeitsgruppen war es überhaupt möglich, solch ein Großprojekt logistisch und wissenschaftlich umzusetzen“, sagt Dr. Hubertus Fischer, Glaziologe am Alfred-Wegener-Institut und Koordinator des Antrags für den Descartes-Preis. „Gerade für junge Wissenschaftler und Studenten ist EPICA eine Gelegenheit, Spitzenforschung gemeinsam mit Kollegen aus ganz Europa durchzuführen und so eine wissenschaftliche Karriere aufzubauen. Mit dem Descartes-Preis können wir diese Vernetzung und europäische Zusammenarbeit noch weiter intensivieren“, so Fischer weiter.

Im Rahmen von EPICA wurden über mehrere Jahre zwei tiefe Eisbohrungen durch den circa 3000 Meter dicken ostantarktischen Eisschild – weitab der ganzjährig besetzten Forschungsstationen an der Küste – gebohrt. Die Bohrungen fanden unter extremen klimatischen Bedingungen statt. Eine Bohrung erfolgte an Dome C bei 75°06'S, 123°24'E bei einer mittleren Jahrestemperatur von minus 54,5 °C. Die zweite Bohrung hat das Alfred-Wegener-Institut federführend im Dronning-Maud-Land bei 75°00'S, 0°04'E und einer mittleren Jahrestemperatur von minus 44,6°C durchgeführt. Im Anschluss wurden die Eiskerne in gefrorenem Zustand nach Bremerhaven verschifft und in Teilstücken in den verschiedenen europäischen Labors untersucht.

Anhand der Eisbohrkerne haben die Wissenschaftler die Temperatur- und Niederschlagsraten, die Aerosolzusammensetzung der Atmosphäre, die Aktivität der Sonne, den Fluss extraterrestrischen Staubes auf die Erde und die Treibhausgas-Konzentrationen der Luft in der Vergangenheit gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Konzentration der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas in den letzten 650.000 Jahren nie so hoch waren wie in unserer Zeit, in der der Mensch künstlich Treibhausgase in die Atmosphäre abgibt. Dabei ist der Kohlendioxidgehalt in der Vergangenheit eng an die Temperaturänderungen der Antarktis, beziehungsweise des Südozeans gekoppelt. Unter anderem waren in den Warmzeiten vor 450.000 Jahren die Temperaturen und Kohlendioxid-Konzentrationen geringer als in der heutigen Warmzeit, dem Holozän. Auch die Temperaturänderungen in der letzten Eiszeit weisen diese Kopplung auf, wobei langsamere Temperaturänderungen in der Antarktis eng mit schnellen eiszeitlichen Klimaschwankungen im Nordatlantikraum verknüpft waren. Diese Verknüpfung wird durch den Wärmetransport des Ozeans zwischen Nord- und Südatlantik verursacht.

EPICA ist eines der Kernprojekte des Forschungsprogramms „Meeres-, Küsten- und Polarsysteme“ am Alfred-Wegener-Institut im Bereich „Erde und Umwelt“ der Helmholtz-Gemeinschaft.

SPERRFRIST: Veröffentlichung nicht vor Mittwoch, 12. März 2008, 15:00 Uhr (MEZ).

Hinweise für Redaktionen: Ihre Ansprechpartner am Alfred-Wegner-Institut sind Dr. Hubertus Fischer (Tel. 0471 4831-1174; E-Mail: hubertus.fischer@awi.de) und Prof. Heinrich Miller (Tel. 0471 4831-1210; E-Mail: heinrich.miller@awi.de). Ihr Ansprechpartner in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist Dr. Ude Cieluch (Tel. 0471 4831-2008; E-Mail: ude.cieluch@awi.de). Bitte senden Sie uns bei Veröffentlichung einen Beleg.

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der fünfzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschland.

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Margarete Pauls idw

Weitere Informationen:

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