Augenfolgebewegungen und Schizophrenie

Störungen der langsamen Augenfolgebewegungen können eine ererbte Anfälligkeit für Psychosen anzeigen. Der weltweit erste positive Kopplungsbefund dazu wurde 1997 von einer Arbeitsgruppe der Universität zu Lübeck veröffentlicht.

Jetzt erhält der amerikanische Psychiater, Neurologe und Psychologe Prof. John A. Sweeney von der University of Illinois at Chicago/USA, der mit der Lübecker Gruppe zusammenarbeitet, einen Forschungspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Die mit 60.000 Euro dotierte Auszeichnung ermöglicht es Prof. Sweeney, Forschungsprojekte an der Universität Lübeck durchzuführen.

Psychiater und Neurologen der Universitäten Lübeck und Kiel haben die gemeinsame Neurobiomedizin-Initiative „Intermediäre Phänotypen und Biomarker bei Bewegungsstörungen und assoziierten psychiatrischen Erkrankungen“ gebildet. Sprecher sind Prof. Dr. Fritz Hohagen aus Lübeck und Prof. Dr. Günter Deuschl aus Kiel. Im Rahmen des Teilprojekts „Veränderungen der sensomotorischen Kontrolle von Augenbewegungen als intermediärer Phänotyp für psychotische Störungen“ haben Priv.-Doz. Dr. Rebekka Lencer und Prof. Dr. Christine Klein aus Lübeck Prof. Sweeney für den Forschungspreis vorgeschlagen.

Dr. Lencer hat 2005 zum Thema „Störungen der langsamen Augenfolgebewegung als Endophänotyp für Schizophrenie“ habilitiert. Sie untersuchte die Frage, inwieweit Augenfolgebewegungsstörungen bei Patienten mit psychotischen Störungen Hinweise auf Störungen neuronaler Netzwerke geben können. Die Augenfolgebewegung dient also als Model dafür, auf welche Art und Weise und warum neuronale Netzwerke bei psychotischen Störungen verändert sind, so dass zum Beispiel Wahrnehmungsstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen oder Störungen der Reizverarbeitung (sensomotorische Transformation) auftreten können. Methodisch setzen die Lübecker Forscher dafür, zusammen mit der Klinik für Neurologie, okulomotorische Untersuchungsverfahren und Untersuchungen mittels funktioneller Magnetresonanztomographie ein.

Prof. John A. Sweeney, Direktor des Center for Medicine an der University of Illinois at Chicago, ist einer der weltweit führenden Experten auf genau diesem Gebiet. Prof. Sweeney hat in den letzten beiden Jahrzehnten Hunderte von Patienten mit Schizophrenie, Bipolaren Störungen und Autismus hinsichtlich Störungen der Augenbewegungen und fMRT untersucht.

Das Besondere daran ist, dass er zumeist Ersterkrankte, noch nicht medizierte Patienten untersucht hat, so dass daran insbesondere Effekte der Medikation auf neuronale Systeme erforscht werden können. Zur Zeit leitet er eine große Multicenter Studie in den USA, die der Erforschung der genetischen Faktoren von Psychosen mittels phänotypischer Marker dient (BSNIP-Study). Dr. Lencer hat mit einem Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung von 2007 bis 2009 insgesamt 13 Monate in Chicago mit Prof. Sweeney zusammengearbeitet.

Die Preisverleihung an Prof. Sweeney findet während der Jahrestagung 2010 der Alexander-von-Humboldt-Stiftung im Juni in Berlin statt. Dann kommt Prof. Sweeney voraussichtlich auch nach Lübeck, um hier die neuesten Forschungsergebnisse zu diskutieren und die gemeinsamen Projekte konkret zu planen.

Mit dem Humboldt-Forschungspreis werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihr bisheriges Gesamtschaffen ausgezeichnet, deren grundlegende Entdeckungen, Erkenntnisse oder neue Theorien das eigene Fachgebiet nachhaltig geprägt haben und von denen auch in der Zukunft weitere Spitzenleistungen erwartet werden können. Die Preisträger sind eingeladen, selbst gewählte Forschungsvorhaben in Deutschland in Kooperation mit Fachkollegen für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr durchzuführen. Der Aufenthalt kann zeitlich aufgeteilt werden. Die Humboldt-Stiftung vergibt nach eigenen Angaben jährlich bis zu 100 Humboldt-Forschungspreise. Die Nominierung erfolgt durch Wissenschaftler in Deutschland.

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