Zu Hause Sonne tanken

Über eine Ladestation wird das Elektrofahrzeug mit PV-Strom vom Hausdach versorgt. © Fraunhofer ISE

Das Haus der Zukunft ist ökologisch, energieeffizient und smart. Auf dem Dach erzeugten Photovoltaikstrom nutzen die Bewohner nicht nur für den Haushalt, sondern auch zum Laden des eigenen Elektroautos. In einer Gruppe von mehreren im Passivhaus-Standard gebauten Reihenhäusern in Fellbach, Baden-Württemberg, ist dieses Szenario bereits Realität.

Die neu errichtete Häusergruppe wurde im Projekt »Fellbach ZeroPlus« um Elektromobilität und ein umfassendes Energie-Management-System erweitert. Das Vorhaben wird durch das Programm »Schaufenster Elektromobilität« gefördert, einer Initiative der Bundesregierung.

Schnellladestationen und Heim-Energie-Management

»Die großen Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern liefern langfristig mehr Energie als die Bewohner verbrauchen. Die überschüssige Energie lässt sich ins Stromnetz einspeisen und für tägliche Fahrten mit dem privaten Elektroauto verwenden«, erläutert Dominik Noeren, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg.

Um die Elektromobilität effizient in den privaten Alltag zu integrieren, haben der Forscher und sein Team für fünf der sieben Haushalte Schnellladestationen mit einer Ladeleistung von 22 Kilowatt konzipiert und ein Heim-Energie-Management-System (HEMS) entwickelt. Die java-basierte Software läuft auf kleinen Rechnern, sogenannten Embedded Systems.

Das HEMS liest die verschiedenen Stromzähler im Haus aus: den Zähler für die Photovoltaik, das Elektroauto, die Wärmepumpe und den sonstigen Haushaltsstrom. Das System zeigt die Energieströme an und informiert die Bewohner zu jeder Tageszeit über die Höhe ihres Stromverbrauchs. »Sie erfahren, ob und wieviel Strom aus dem Netz kommt oder aus der Solaranlage, und wer die Energie verbraucht – beispielsweise Wärmepumpe, Haushaltsgeräte oder Elektrofahrzeug«, sagt Noeren.

Darüber hinaus prognostiziert das HEMS die solare Einstrahlung für einen Zeitraum von etwa 20 Stunden und setzt den Nutzer über die Menge der zur Verfügung stehenden Solarenergie in Kenntnis. Zudem berechnet ein lernfähiger Algorithmus für jede Viertelstunde die zukünftige Haushaltslast. Aus allen Daten lässt sich ermitteln, wieviel PV-Strom dem Elektroauto zu einem beliebigen Zeitpunkt zur Verfügung steht. »Der Strom geht erst in den Haushalt. Nicht verbrauchte Energie speichert die Autobatterie. Ist dann noch Strom übrig, wird dieser in das Netz eingespeist«, erklärt Noeren.

Während eines zweijährigen Feldtests wurde – abgestimmt mit den Bewohnern – eine Android-App entwickelt. Die App zum HEMS visualisiert alle Abläufe und Stromflüsse in Echtzeit und stellt die Prognose der solaren Einstrahlung graphisch und numerisch dar. Ein lernfähiger Algorithmus ermöglicht die optimale Eigenstromnutzung. Mit Hilfe der App lassen sich die Ladestation ansteuern, der Batteriefüllstand sowie die Ladezeiten der Elektroautos angeben. »Diese Parameter sind für das intelligente Laden der Elektrofahrzeuge erforderlich«, so der Forscher.

Um einen optimalen Ladefahrplan zu berechnen, muss das System den aktuellen Batteriefüllstand sowie die geplante Abfahrtszeit der nächsten Fahrt kennen. Das Energiemanagementsystem nutzt diese Informationen zusammen mit Wettervorhersagen und Verbrauchsprognosen, um die Energieflüsse im Haus abzuschätzen. Es berechnet, wieviel Strom nachzuladen und wann der Zeitpunkt am günstigsten ist, um das Fahrzeug mit einem maximalen Anteil aus dem selbstproduzierten Solarstrom zu laden.

»Es ist preiswerter, den eigenen Strom zu verbrauchen, als ihn ins Netz einzuspeisen«, sagt Noeren. Das HEMS unterstützt den Verbraucher dabei, abhängig von Fahrzeiten, Einstrahlungsprognose und aktuellem Haushaltsstromverbrauch die Ladezeiten der E-PKW mit der Stromproduktion auf den Dächern zu synchronisieren und somit den Eigenstromanteil zu maximieren. Der Nutzer hat dadurch nicht nur Kostenvorteile, er verwirklicht auch die Vision vom Wohnen und Fahren mit geringer CO2-Belastung. Die hohe Eigenstromnutzung entlastet das Netz zusätzlich und reduziert Einspeisespitzen.

Das HEMS basiert auf dem offenen Fraunhofer-Framework openMUC, das eine Vielzahl von Zählern und Geräten unterstützt. Es ist modular erweiterbar, ermöglicht also beispielsweise im Haushalt das Einbinden von Funksteckdosen, die jedes Haushaltsgerät per Bluetooth oder WLAN an- und abschalten können, oder von größeren Verbrauchern wie Wärmepumpen.

Im Projekt »Fellbach ZeroPlus« nutzen zwei von fünf Haushalten das System seit Mitte 2014 im Feldtest erfolgreich als Car-Sharing-Variante.

Media Contact

Karin Schneider Fraunhofer Forschung Kompakt

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Energie und Elektrotechnik

Dieser Fachbereich umfasst die Erzeugung, Übertragung und Umformung von Energie, die Effizienz von Energieerzeugung, Energieumwandlung, Energietransport und letztlich die Energienutzung.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Windenergie, Brennstoffzellen, Sonnenenergie, Erdwärme, Erdöl, Gas, Atomtechnik, Alternative Energie, Energieeinsparung, Fusionstechnologie, Wasserstofftechnik und Supraleittechnik.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Merkmale des Untergrunds unter dem Thwaites-Gletscher enthüllt

Ein Forschungsteam hat felsige Berge und glattes Terrain unter dem Thwaites-Gletscher in der Westantarktis entdeckt – dem breiteste Gletscher der Erde, der halb so groß wie Deutschland und über 1000…

Wasserabweisende Fasern ohne PFAS

Endlich umweltfreundlich… Regenjacken, Badehosen oder Polsterstoffe: Textilien mit wasserabweisenden Eigenschaften benötigen eine chemische Imprägnierung. Fluor-haltige PFAS-Chemikalien sind zwar wirkungsvoll, schaden aber der Gesundheit und reichern sich in der Umwelt an….

Das massereichste stellare schwarze Loch unserer Galaxie entdeckt

Astronominnen und Astronomen haben das massereichste stellare schwarze Loch identifiziert, das bisher in der Milchstraßengalaxie entdeckt wurde. Entdeckt wurde das schwarze Loch in den Daten der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation,…

Partner & Förderer