Weiche Materie in hartem Gestein

Finanzkrise oder nicht: Die Erdölvorräte gehen allmählich zur Neige. Deshalb sucht die Ölindustrie nach neuen Ideen und stellt große Fördersummen bereit, um grundlegende physikalische Prozesse zu erforschen, die bei der Erdölgewinnung eine Rolle spielen.

Erdöllagerstätten bestehen meist aus porösen Gesteinsschichten, zum Beispiel früheren Flußdeltas, die später abgesackt sind und zu Sandstein verfestigt wurden. Diese Gesteinsporen sind noch immer durchsetzt von dem Wasser, das dort einmal geflossen ist, ebenso von den Resten der Organismen, die dort gelebt haben.

Diese sind inzwischen unter dem Druck, der in der Tiefe herrscht, zu Erdöl geworden, das sich im Laufe der Jahrmillionen als 'Fettaugen' an den höchsten Stellen der meist stark aufgefalteten Gesteinsschichten gesammelt hat. Diese Fettaugen bilden die Rohöllagerstätten, aus denen wir heute unser Heizöl und Benzin, aber auch den Rohstoff für viele High-Tech-Materialien beziehen.

Bei der Ölförderung kommt aber nicht nur das Rohöl, sondern auch das Porenwasser zum Vorschein: Zirka 40 Prozent des Öls verbleibt im Gestein. Wissenschaftler haben das gemeinsame Fließen von Wasser und Öl im porösen Stein bislang nur sehr wenig verstanden. So ist beispielsweise noch unklar, ob und wie man die Fördertechnik verbessern könnte. Grundlagenforschung ist also an dieser Stelle von Nöten, nicht nur für die Ölgewinnung, sondern auch für mögliche spätere Verwendungen der Ölfelder, etwa als Massenspeicher für Kohlendioxid.

Denn in dem Porenwasser der Gesteinsschichten könnte man ein Vielfaches des Kohlendioxids lösen, das durch Verbrennung des dort geförderten Öls entsteht. Weil es sich nicht nur im Wasser löst, sondern unter geeigneten Bedingungen sogar durch Fällung zu Kalkstein wird, würde es nie wieder 'herauszischen' können.

Für dieses Forschungs-Großprojekt sind Wissenschaftler des Erdöl-Giganten BP um die Welt gereist und haben an den führenden Forschungsstätten nach geeigneten Partnern gesucht. Drei Forschergruppen haben sie nun ausgewählt, von denen jede eine Million Dollar jährlich für Grundlagenforschungsprojekte zur Verfügung gestellt bekommt. Das Projekt ist auf zweimal fünf Jahre angesetzt. Eine der Gruppen ist die Abteilung „Dynamik komplexer Fluide“ unter Leitung von Stephan Herminghaus am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen.

Dort werden nun ab 1. September zehn weitere Wissenschaftler beschäftigt werden können, die sich unter sehr komfortablen Bedingungen mit der Dynamik mehrkomponentiger Flüssigkeiten, zum Beispiel Emulsionen, in geometrisch komplexer Umgebung befassen werden. Hierbei wird es wesentlich um Fragen gehen, die mit der Benetzung und der Flussdynamik in mikroskopischen Kanalsystemen aus unterschiedlichem Wandmaterial zu tun haben.

Das Team um Stephan Herminghaus wird eng mit Wissenschaftlern der Universitäten in Göttingen, Saarbrücken und Santa Barbara (USA) kooperieren, ebenso mit den beiden anderen ausgewählten Gruppen, die in Twente (Niederlande) und Kopenhagen (Dänemark) angesiedelt sind. Ferner wird es einen intensiven Datenaustausch mit den Wissenschaftlern der Forschungslabors von BP geben.

Kontakt:
Prof. Dr. Stephan Herminghaus
Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen
Fon: +49 (551) 5176 – 200
Fax: +49 (551) 5176 – 202
stephan.herminghaus@ds.mpg.de

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