Auf dem Weg zum dynamischen Netz

Smart Grids steuern die Stromerzeugung und vermeiden so Netzüberlastungen.

Einst war Energieerzeugung eine simple Sache. Kraftwerke produzierten Strom, den Haushalte und Industrie verbrauchten. Wärme und Kälte wurden mit Gas- und Ölheizung sowie der Klimaanlage erzeugt. Schwankungen der Nachfrage glichen die Energieversorger aus, indem sie Gaskraftwerke starteten oder Pumpspeicherkraftwerke nutzten – unerwünschte Schwankungen in der Stromproduktion gab es eigentlich nicht.

Seit viele Länder nun auf erneuerbare Energien setzen, wird es aber komplizierter: Gab es etwa in Deutschland vor 20 Jahren ein paar hundert mittlere und große Kraftwerke, so sind es heute fast 2 Millionen Energieerzeuger wie Solaranlagen auf den Dächern, Windturbinen oder Biomassekraftwerke. Immer mehr werden Haushalte, Gebäude und Industriebetriebe zu Prosumern, also zu Konsumenten, die gleichzeitig selbst Energie produzieren.

Aufgrund von fluktuierenden Einspeisungen erneuerbarer Energien, die darüber hinaus zu stark schwankenden Strompreisen führen, werden intelligente Stromnetze zur Energieübertragung und –verteilung notwendig. Diese Smart Grids helfen, die Energieeffizienz zu steigern, indem sie die sogenannten „Prosumer“ – also Energie-Produzenten und –Konsumenten wie Gebäude oder künftig auch Elektroautos – einbinden und Angebot und Nachfrage möglichst gut ausbalancieren.

Zuverlässige und sichere Netze

Für eine effiziente Energieverteilung sind besonders in Ballungsräumen Smart Grids von größter Bedeutung. Sie beruhen auf der wechselseitigen Kommunikation zwischen allen am Strommarkt beteiligten Komponenten und binden sowohl große zentrale als auch kleine dezentrale Erzeugungseinheiten und Verbraucher in eine Gesamtstruktur ein. Smart Grids steuern die Stromerzeugung und vermeiden Netzüberlastungen, indem sie dafür sorgen, dass stets nur so viel Strom wie nötig produziert wird. Mit Verfahren der Verbrauchssteuerung lässt sich zudem auch die Nachfrage besser dem Energieangebot anpassen. So können zum Beispiel Kühlanlagen für kurze Zeit ausgeschaltet werden, Aufzüge langsamer fahren oder der Einsatz von Stromfressern in der Industrie kann so geplant werden, dass sie genau dann ihren maximalen Verbrauch erreichen, wenn das Angebot am größten ist.

Siemens sorgt mit solchen „Smart Grids“ weltweit schon heute für die richtige Balance zwischen Erzeugung und Nachfrage nach Strom – auch in Deutschland. Wie beispielsweise im schwäbischen Wildpoldsried. Der Ort erzeugt wesentlich mehr Ökostrom als er verbraucht. Da die schwankende Einspeisung der Energie aus Solar-, Wind- und Biogasanlagen die Netzstabilität gefährden würde, sorgt hier ein intelligentes Stromnetz für die nötige Balance. Im Smart Grid regeln sogenannte Software-Agenten von Siemens die Interaktion zwischen Energieverbrauchern und -erzeugern im Netz.

Energiespeicher entwickeln und ausbauen

Strom aus Erneuerbaren fluktuiert aber je nach Wetterlage. Künftig werden daher verstärkt auch Energiespeicher gefordert sein, die überschüssigen Strom aus dem Smart Grid über Stunden, Tage und notfalls sogar Wochen hinweg speichern können.

Eine bewährte Speichertechnologie mit hohem Wirkungsgrad sind Pumpspeicherkraftwerke. Sie befördern Wasser mit überschüssigem Strom in ein höher gelegenes Becken. Bei Bedarf fließt es wieder talwärts und treibt so Turbinen für die Stromproduktion an. Leider gibt es für Pumpspeicherkraftwerke – zumindest in Ballungsgebieten – nicht genug geeignete Standorte.

Siemens arbeitet deshalb auch an Alternativen. So kann Überschussstrom genutzt werden, um in Elektrolyse-Anlagen umweltfreundlichen Wasserstoff zu erzeugen, der dann beispielsweise Brennstoffzellen-Fahrzeuge antreiben kann. Ein weiterer Schritt wäre, mit Hilfe eines Katalysators aus Wasserstoff und Kohlendioxid Methan herzustellen. Dieses synthetische Erdgas wiederum lässt sich ins Erdgasnetz einspeisen, in unterirdischen Kavernen speichern oder über Gasturbinen in Strom zurückverwandeln. Zudem können Batterien in Gebäuden oder in Elektroautos als Zwischenspeicher für Strom dienen. Siemens forscht auf all diesen Feldern.

Eine bereits verfügbare Speicherlösung dagegen ist das modulare Energiespeichersystem Siestorage. Es puffert kurzzeitige sekunden- oder minutenlange Schwankungen der Leistung aus erneuerbaren Quellen. Siestorage basiert auf Lithium-Ionen-Akkumulatoren und passt (in großer Ausführung) in einen üblichen Transportcontainer. So können 1000 Kilowattstunden Strom gespeichert werden – das entspricht ungefähr dem durchschnittlichen Tagesverbrauch von 100 Haushalten. Der italienische Energieversorger Enel (Verlinkung auf Enel-Artikel) hat kürzlich die erste Anlage mit einem Megawatt Leistung in Betrieb genommen. Enel will damit in seinem Mittelspannungsnetz untersuchen, wie Spannung stabilisiert werden kann.

Verschiedene Energieformen geschickt vereinen

Häufig entsteht der Strom aus Erneuerbaren aber auch an Orten, wo er nicht benötigt wird – das gilt besonders für Windräder. Die Folge: Die weißen Riesen an der Nordsee beispielsweise werden heute bei viel Wind und wenig Nachfrage immer häufiger abgestellt – das erneuerbare Potenzial bleibt ungenutzt. Um das zu vermeiden, muss der Strom ebenfalls entweder gespeichert oder über Fernleitungen dorthin transportiert werden, wo gerade Bedarf ist.

In Zukunft können auch sogenannte „multimodale Energiesysteme“ ins Spiel kommen, die verschiedene Energieformen in einem System vereinen. Elektrische Energie kann nämlich alternativ zur Einspeisung ins Stromnetz auch in thermische Energie wie Wärme oder Kälte oder in chemische Energie wie Wasserstoff oder Methan umgewandelt werden. Auch in diesen Formen kann Energie transportiert, gespeichert und genutzt werden. Hierfür können auch bestehende Gasnetze und –speicher zum Einsatz kommen. So lassen sich Kosten sparen und Energiesysteme flexibilisieren.

Man kann den Strom aber auch verwenden, um Warmwasser zu erzeugen, das dann zum Beispiel in Fernwärmenetze geleitet werden kann. In heißen Gegenden könnte auch das Gegenteil sinnvoll sein: ein zentraler Kältespeicher in Form eines Kaltwasser- oder Eisspeichers. Dieser könnte den Einsatz von Klimaanlagen verringern, die mit ihren hohen Nachfragespitzen ansonsten die Stromnetze belasten. Solche Wärme- und Kältespeicher sind oft kostengünstiger zu realisieren als Stromspeicher.

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