Rampe statt Stufen: Der Schlüssel für schnelles Aufladen einer Lithiumionen-Batterie

Die LFP-Zelle (links), an der die Messungen durchgeführt wurden. Rechts daneben die Halterung (in Rot), mit der die Zelle befestigt wurde. Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic

Batterien nehmen in der heutigen Energiewelt eine zunehmend wichtige Rolle ein. Sie speichern Strom nicht nur für den Betrieb unzähliger mobiler Elektronikgeräte, sondern auch bei Überproduktion von Windrädern und Solaranlagen.

Für Elektroautos eignen sich Lithiumionen-Batterien besonders gut als Stromspeicher. In dieser Anwendung hat sich in den letzten Jahren die Lithiumeisenphosphat-Batterie (LFP-Batterie, kurz für die chemische Formel des eingesetzten Kathodenmaterials LiFePO4) hervorgetan. Sie lässt sich relativ schnell aufladen und trumpft vor allem mit ihrer langen Lebensdauer, dem für den Einsatz im Auto entscheidenden Vorteil. Eine neue Studie unter der Leitung von Forschenden des PSI zeigt nun, warum die LFP-Batterie so schnell wieder aufgeladen werden kann.

Beim Aufladen der LFP-Batterie werden elektrisch geladene Lithiumatome (Ionen) unter dem Einfluss eines elektrischen Stroms aus der positiven, aus LiFePO4 bestehenden Elektrode der Batterie, in die negative, in der Regel aus Grafit bestehende Elektrode, verschoben. Die Lithiumionen durchwandern auf ihrem Weg den Elektrolyt – die Flüssigkeit, die beide Elektroden miteinander verbindet. Beim Entladen durchlaufen die Lithiumionen den umgekehrten Weg, wobei Strom durch das an die Batterie angeschlossene Gerät fliesst.

Das Lithium in einer LFP-Batterie liegt ursprünglich in Form von nahezu kugelförmigen Partikeln in der positiven Elektrode vor. Bei niedrigen Ladespannungen wird das Lithium von einer Seite der Partikel entnommen. Dadurch bilden sich in den Partikeln zwei Hälften aus: eine praktisch komplett vom Lithium entleerte Schicht und eine mit Lithium aufgefüllte Schicht. An der Grenze zwischen diesen Schichten entsteht somit ein steiles, stufenartiges Gefälle in der Lithiumkonzentration.

Den Lithiumionen, die sich an der schmalen Grenzschicht befinden und sich beim Laden von links nach rechts bewegen, muss nun nicht nur für ihre Fortbewegung, sondern auch allein für das Überwinden der „Stufe“ zusätzliche Energie zugeführt werden. Das hemmt die Bewegung der Ionen in der Batterie und führt dazu, dass diese eher langsam geladen werden kann. Nun stellt sich heraus, dass solche Hemmungen geringer sind, wenn man die Batterie unter höherer Spannung auflädt. Der Grund dafür: Das stufenartige Konzentrationsgefälle weicht dann einem sanfteren, rampenähnlichen Verlauf der Lithiumkonzentration.

Die am Ladevorgang beteiligten Lithiumionen sind unter höheren Spannungen nämlich für kurze Augenblicke über das Volumen der Elektrodenpartikel verteilt, statt in einer schmalen Schichtgrenze zusammengepfercht. Dadurch kann das Lithium beim Laden leichter in Bewegung gebracht werden, ohne dass mehr Energie für das Überwinden der Schichtgrenze aufgebracht werden muss.

Den Unterschied in der Ladeschnelligkeit kann man sich anhand folgenden Bilds vorstellen: Beim langsamen Laden gleicht die scharfe Trennung in zwei Schichten einer hohen Stufe. Die Lithiumionen stehen vor dieser Stufe förmlich Schlange, weil sie nur einzeln über die Stufe springen können. Beim schnellen Laden hingegen ist das Lithium zeitweise über das Volumen der Partikel verteilt; das ähnelt der Situation auf einer Rampe, auf der sich alle Lithiumatome gleichzeitig nach oben bewegen können.

Wie eine Langzeitaufnahme des Sternenhimmels

Den Nachweis, dass der Lithiumgehalt in den Elektrodenpartikeln beim schnellen Laden zeitweise gleichmässig statt schlagartig von aussen nach innen zunimmt, erbrachten die Wissenschaftler durch Messungen an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts PSI. Sie verwendeten dabei Röntgenlicht, um Veränderungen in der Struktur des Elektrodenmaterials während des Ladens und Entladens zu verfolgen.

Die Methode basiert auf der Beugung des Röntgenlichts durch die Atome des Materials. Das durch das Material gebeugte Röntgenlicht erzeugt auf einem Detektor ein Muster aus hellen und dunklen Flecken. Daraus können die Forschenden auf Anordnung und Abstand zwischen den Atomen im Material schliessen. Da der Abstand zwischen den Atomen vom Lithiumgehalt in der Umgebung abhängt, zeigen die Beugungsmuster auch die Verteilung des Lithiumgehalts in den Partikeln.

Das Material in den Partikeln weist eine regelmässige, dreidimensionale Gitterstruktur auf, in der jedes Atom einen bestimmten Platz einnimmt. Beim langsamen Laden ist die Gitterstruktur in den LFP-Partikeln in beiden Schichten gleich. Der Abstand zwischen den Atomen hingegen ist vom Lithiumgehalt abhängig und somit in jeder Schicht anders. Dieser Abstand verändert sich nämlich, wenn Lithium aus der äusseren Schicht entnommen wird. Dies ist im Beugungsmuster ersichtlich: Beim langsamen Laden besteht das Muster aus zwei hellen Bereichen (einem für jede Schicht mit ihren unterschiedlichen Atomabständen), die durch einen dunklen Bereich voneinander getrennt sind.

Wenn sich die scharfe Grenze beim schellen Laden auflöst, werden im Beugungsmuster neue Bereiche mittlerer Helligkeit sichtbar. Diese zusätzlichen hellen Bereiche stammen aus Teilen des Partikels mit mehreren unterschiedlichen Werten des Lithiumgehalts und folglich mit anderen Atomabständen. Sie sind also ein Hinweis darauf, dass das Lithium jetzt nicht mehr in einer Schicht konzentriert, sondern gleichmässig über die Partikel verteilt ist.

Die Zwischenzustände, die das schnelle Laden ermöglichen, sind kurzlebig: sie entstehen und verschwinden schnell wieder während des Ladens. Deshalb ist ihr Signal in einem Beugungsmuster sehr schwach, wenn man nur einen Ladevorgang beobachtet. Um sie trotzdem deutlicher zutage treten zu lassen, haben die Autoren der Studie eine Langzeitaufnahme gemacht, die sich über mehrere Ladevorgänge erstreckt hat.

Im Prinzip ist das wie bei einer Aufnahme des Sternenhimmels, bei der man eine lange Verschlusszeit wählt, um genug Sternenlicht einzusammeln. Hier hat man das von den Zwischenzuständen über mehrere Lade-Entlade-Zyklen gebeugte Licht gesammelt, weil die kurzlebigen Zwischenzustände während eines einzigen Ladevorgangs ein zu schwaches Signal geliefert hätten.

Petr Novak, Leiter der Studie und der Sektion Elektrochemische Energiespeicher am PSI fasst die Bedeutung der Studie wie folgt zusammen: „Wir haben mit unserer neuartigen Messtechnik einige Theorien bestätigt und andere widerlegt, die die schnelle Aufladbarkeit von LFP-Batterien zu erklären versuchen.“ Novak blickt zudem in die Zukunft: „Mit unseren Ergebnissen können wir nicht nur die LFP-Batterie besser verstehen und zu ihrer Weiterverbesserung beitragen. Die von uns entwickelte Messmethode wird uns auch in die Lage versetzen, Materialien zu untersuchen, die in anderen, ebenfalls schnell aufladbaren Batterien zum Einsatz kommen. Somit werden auch diese anderen Batterietypen profitieren.“

Text: Paul Scherrer Institut/Leonid Leiva

Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 1900 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 380 Mio.

Kontakt/Ansprechpersonen:
Prof. Dr. Petr Novák, Leiter der Sektion Elektrochemische Energiespeicher
Paul Scherrer Institut,
Telefon: +41 56 310 24 57
E-Mail: petr.novak@psi.ch [Deutsch, Englisch]

Dr. Claire Villevieille, Gruppenleiterin Batteriematerialien,
Sektion Elektrochemische Energiespeicher, Paul Scherrer Institut,
Telefon: +41 56 310 24 10
E-Mail: claire.villevieille@psi.ch [Französisch, Englisch]

Originalveröffentlichung:
Combined operando X-ray diffraction-electrochemical impedance spectroscopy detecting solid-solution reactions of LiFePO4 in batteries
Michael Hess, Tsuyoshi Sasaki, Claire Villevieille, Petr Novák,
Nature Communications 8. September 2015
DOI: 10.1038/NCOMMS9169 http://dx.doi.org/10.1038/NCOMMS9169

http://psi.ch/o95o Sektion Elektrochemische Energiespeicher, Paul Scherrer Institut
http://psi.ch/75EC Darstellung der Mitteilung auf der PSI-Webseite

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