Steigende Kosten für CO2-Emissionen als Treiber der technischen Entwicklung

Anfang 2005 begann in der EU die Erprobungsphase für den Handel mit Emissionszertifikaten, die noch bis Ende 2007 läuft. Grundlage dafür ist das bereits 1997 im japanischen Kyoto beschlossene Protokoll zum Klimaschutz mit dem Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen weltweit deutlich zu reduzieren. Der Anfang ist innerhalb Europas gemacht, seitdem Ende Februar dieses Jahres die Zuteilung der zunächst kostenfreien Zertifikate rechtskräftig abgeschlossen wurde. Doch noch ist sehr viel Zurückhaltung bei den Beteiligten spürbar. Trotzdem wächst das Interesse vor allem auf Seiten der Kraftwerksbetreiber, denn derzeit stehen Kosteneinsparungen mehr im Vordergrund als der Handel. Eine erste Bilanz wird die Fachtagung „Emissionshandel – Herausforderung für die Europäische Energiewirtschaft“ ziehen, die von der Energietechnischen Gesellschaft (ETG) im VDE im Rahmen ihres internationalen Kongresses in Dresden (14. bis 16. September 2005) veranstaltet wird. „Zudem wollen wir Verbesserungen für die Handelsperiode von 2008 bis 2012 diskutieren und somit die ersten Lehren aus dem Beginn des Emissionshandels ziehen“, erklärt Prof. Johannes Verstege von der Bergischen Universität Wuppertal, Wissenschaftlicher Leiter der Tagung.


In Deutschland und Europa läuft gerade eine große Erneuerungswelle der Kraftwerke an. Allein in Deutschland sind bis 2020 bis zu 80.000 Megawatt (MW) Leistung zu installieren, um dem steigenden Bedarf zu entsprechen, veraltete, unwirtschaftliche Blöcke zu ersetzen sowie neue Anlagen für die auslaufende Kernenergie zu schaffen. In Europa ist die Situation ähnlich, hier müssen 200.000 MW bis 2020, sogar 320.000 MW bis 2030 neu gebaut werden. Hierfür sind Investitionen in der Größenordnung von 250 Milliarden Euro nötig. „Aktivitäten in Richtung Neubau und Modernisierung sind deutlich vom Thema Emissionshandel beeinflusst. Unsere Kunden rechnen sehr genau aus, was auf sie zukommt, und wollen wissen, in welche Technologien sie investieren sollen“, sagt Dr. Rainer Speh von Siemens Power Generation. Selbst aus dem asiatischen Ausland kommen entsprechende Anfragen, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein.

Zunächst aber hat der Emissionshandel die Planungssicherheit verringert und bei vielen Investoren zu einem Aufschub von Investitionsentscheidungen geführt. Angesichts der Planungshorizonte von 15 bis 30 Jahren auf der Seite der Kraftwerksbetreiber und der Regulierungshorizonte von drei bis acht Jahren auf Seite der Politik sicher kein Wunder. In den meisten Mitgliedsstaaten ist das Emissionshandelssystem derzeit noch so ausgestaltet, dass Neuinvestitionen aus CO2-Sicht nicht oder kaum belohnt werden. Positive Ausnahmen sind hier Deutschland, Polen oder Ungarn. Hier zahlt sich die Emissionseinsparung einer Ersatzinvestition wirklich aus, da es möglich ist, die Allokation von einer Altanlage auf eine Neuanlage zu übertragen.

Ein marktstimulierender Effekt zeigt sich darin, dass die Strompreise auf Grund der teilweisen Weitergabe der CO2-Kosten schon früher ein Niveau erreichen werden, auf dem Investitionen refinanzierbar sind. Mittelfristig ist zu erwarten, dass die Investitionsanreize die Planungsunsicherheit kompensieren werden. Es lohnt sich heute unter den Randbedingungen des Emissionshandels, mehr Geld für den Wirkungsgrad einer Anlage auszugeben, weil dadurch automatisch Brennstoffbedarf und Emissionen sinken. Gerade diese technischen Optionen sollen auf der Fachtagung behandelt werden.

Deutlich steigende Preise für Kohlendioxid-Emissionen

Seit Oktober 2004 sind die Preise für Kohlendioxid-Emissionen an der Leipziger European Energy Exchange von etwa 8 € auf rund 28 € (Anfang Juli) angestiegen. Fachleute gehen davon aus, dass dieser Trend anhält – einerseits ist das gehandelte Volumen noch sehr gering, andererseits ist wie beim Aktienhandel ein Teil davon auch Spekulation. Dennoch: Wenn diese Entwicklung anhält, könnten in 10 bis 20 Jahren innovative Technologien zur Abscheidung von CO2 erschwinglich werden. Dazu zählt auch die Umwandlung der Kohle über ein Vergasungsverfahren in ein Gas, das Wasserstoff und Kohlenmonoxid enthält. Das Kohlenmonoxid könnte in einer zusätzlichen Prozessstufe mit Wasserdampf zu Kohlendioxid reagieren und dabei zusätzlichen Wasserstoff bilden, der dann in der Turbine verbrannt würde. Das daraus entstehende konzentrierte CO2 ließe sich abfangen und gezielt zum Beispiel in ausgebeuteten Lagerstätten unter Tage entsorgen.

Weltweit werden bereits verschiedene Vergasungsverfahren mit unterschiedlichen Brennstoffen (Kohle, Petrolkoks, Biomasse, flüssige Raffinerierückstände) erprobt. Dazu gehören u.a. die Anlagen in Lünen/Deutschland, Buggenum/Niederlande, Plaquemine/USA, Puertollano/Spanien oder Priolo Gargallo/Italien. Alternativ zur Abscheidung des CO2 aus dem Brenngas kann es auch aus dem Abgas des Verbrennungsprozesses abgetrennt werden. Dieser Weg ist jedoch teurer und führt zu größeren Leistungs- und Wirkungsgradeinbußen.

Das Ziel sind weitere Verbesserungen beim Wirkungsgrad, was gleichermaßen der Ökonomie und Ökologie nutzt. Zur Bewältigung der Kohlendioxid-Emissionen zeichnen sich Möglichkeiten ab, die in Richtung Kohlendioxid freies Kraftwerk zielen. Allerdings sind zur Realisation dieser Vision noch viele technische und wirtschaftliche „Brocken“ aus dem Weg zu räumen. Ein Einsatz zur Demonstration derartiger Anlagen dürfte ab 2015 möglich sein.

Der Emissionshandel stellt für alle Anlagenbetreiber eine energiepolitische Herausforderung dar, die Risiken, aber auch Chancen im Wettbewerb bietet. Beide Aspekte werden auf der ETG-Fachtagung intensiv beleuchtet werden. Auf Grund der Aktualität, aber auch wegen der langfristigen Bedeutung des Themas ist die Veranstaltung für einen großen Teilnehmerkreis von hohem Interesse. Dazu zählen Stromhändler und Kraftwerksbetreiber, Großverbraucher und Industrievertreter mit eigenen Energieumwandlungsanlagen, Hochschulen und die Hersteller-Industrie.

Media Contact

Ursula Gluske-Tibud idw

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