Orbitalbohren: Wie ein Satellit Luftfahrtwerkstoffe bearbeiten

Bei der Orbitalbearbeitung taucht das Fräswerkzeug spiralförmig auf einer Helixbahn in das Werkstück ein

Luftfahrtindustrie und Ingenieurwissenschaften in Bremen kooperieren hervorragend. Jüngstes Beispiel aus der Zerspanungstechnik: In der Universität Bremen ist am 13. April 2005 ein gemeinsamer Versuchsstand für Orbitalbohren in Betrieb genommen worden. Beteiligt sind Materials and Processes Airbus Bremen und das ECO-Centrum des Instituts für Werkstofftechnik (IWT) zusammen mit dem Fachbereich Produktionstechnik der Universität. Orbitalbohren eignet sich optimal zum Bearbeiten von Verbundwerkstoffen. Diese Werkstoffe werden heute fast überall verwendet, besonders in der Luftfahrtindustrie, etwa beim Bau von Airbus-Flugzeugen.

Der Slogan „höher, schneller, weiter“ gilt auch in der Luftfahrt. Durch leichte Materialverbunde soll an allen Enden und Ecken Gewicht eingespart werden. Im Bereich der Zerspanung von Verbundwerkstoffen, wie zum Beispiel bei Kohlefaserverstärkten Kunststoffen (CFK) und Aluminium ist die Orbitalbohrbearbeitung der konventionellen Bohrbearbeitung deutlich überlegen.

Im Allgemeinen werden Verbundwerkstoffe eingesetzt, um die Funktionalität von Bauteilen wesentlich zu verbessern. Die spanende Bearbeitung von Verbundwerkstoffen jedoch erweist sich als besonders schwierig, insbesondere die Fertigung von Präzisionsteilen. In der Regel sind Werkzeuge so ausgelegt, dass sie für die Bearbeitung eines Werkstoffes optimiert worden sind. Werden mehrere Werkstoffe als Verbund kombiniert, so muss ein optimaler Kompromiss gefunden werden. Die Zerspanung von beispielsweise Aluminium, Titan oder CFK ist schon im Einzelfall mit hohen Kosten verbunden, wenn die zu fertigenden Bauteile hohen Qualitätsanforderungen unterliegen. Die unterschiedlichen Eigenschaften solcher Materialkombinationen steigern die Anforderungen an die eingesetzten Werkzeuge, die Maschine und den Prozess nochmals. Das stellt den Bearbeiter besonders bei der Bohrungs- und Fräsbearbeitung vor große Probleme. Eine Lösung ist das Orbitalbohren.

Prinzip Orbitalbohren

Bei der Orbitalbearbeitung taucht das Fräswerkzeug spiralförmig auf einer Helixbahn (Satelliten- oder Orbitalbewegung) in das Werkstück ein und erzeugt so die Bohrung, Bild 1. Der Bohrungsdurchmesser wird über den Radius der Helixbahn im Programm der Maschine erstellt.

Das Orbitalbohrverfahren bringt im direkten Vergleich mit der normalen Bohrungsbearbeitung viele Vorteile mit sich. Entscheidend ist hier die Möglichkeit, aufgrund des Funktionsprinzips mit einem einzelnen Fräser, unabhängig vom Werkzeugdurchmesser unterschiedliche Bohrungsdurchmesser fertigen zu können. Das führt besonders bei Bauteilen mit vielen unterschiedlich großen Bohrungen durch die Einsparung von mehreren Werkzeugwechseln zu einer erheblichen Ersparnis an Zeit und Werkzeugen.

Beim „traditionellen“ Bohren sind die Schneiden des Bohrers ununterbrochen im Einsatz, das führt zu hohen Temperaturen und zu starkem Verschleiß am Werkzeug. Das Orbitalbohren bietet nun den Vorteil, dass der Werkzeugdurchmesser immer kleiner als der Bohrungsdurchmesser ist. Dieser Effekt führt dazu, dass die einzelne Schneide nicht dauerhaft mit dem Werkstoff in Kontakt ist. Dadurch wird die Wärmebeeinflussung reduziert, der Verschleiß vermindert sowie eine bessere Bauteilqualität hervorgerufen.

Frühere Untersuchungen am IWT haben gezeigt, dass beim normalen Bohren einer Passbohrung vier Werkzeugwechsel zum Erreichen der gewünschten Bohrungsqualität nötig sind. Im Gegensatz dazu reduziert sich beim Orbitalbohren der Aufwand auf die zwei Arbeitsschritte, Schruppen (Grobbearbeitung) und anschließendes Schlichten (Feinbearbeitung) mit einem Werkzeug. Das führt zu einer Zeitersparnis von 50 Prozent, Tendenz steigend.

Wirtschaftlichkeit des Orbitalbohrens

M&P Airbus und das ECO-Centrum am IWT kooperieren seit Jahren erfolgreich als Bremer Tandem Zerspanungstechnologie. Ziel des Bremer Tandems ist es, die Bearbeitung von Werkstoffen, welche in der Luftfahrtindustrie eingesetzt werden, mit innovativen Fertigungsprozessen zu ermöglichen. Das Orbitalbohren bildet hier als Verfahren einen innovativen Ansatz zur Prozessoptimierung und Prozesszeitenverkürzung. Im Rahmen des Bremer Tandems erarbeiten M&P Airbus und das IWT gemeinsam Know-how, welches dann bei Airbus in der Fertigung umgesetzt wird. Aus diesem Grunde stellt M&P Airbus den Wissenschaftlern des IWT eine Versuchseinheit zum Orbitalbohren zur Verfügung. Diese bildet einen weiteren wichtigen Baustein des Bremer Tandems.

Weitere Informationen:

Stiftung Institut für Werkstofftechnik / ECO-Centrum
Universität Bremen / Fachbereich Produktionstechnik
Prof. Dr.-Ing Ekkard Brinksmeier
Dr.-Ing. André Walter
Badgasteiner Str. 3
Tel.: 0421 / 218 – 5353
Fax: 0421 / 218 – 3272
E-Mail: adre.walter@iwt-bremen.de

Media Contact

Angelika Rockel idw

Weitere Informationen:

http://www.iwt-bremen.de

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