Forscher lüften Geheimnisse der Enzyme


Neue Medikamente und Fortschritt in vielen Bereichen durch maßgeschneiderte Enzyme: Im biotechnologischen Gemeinschaftsprojekt „Enzyme – Tools, Targets, Therapeutics" arbeiten an der Saar-Uni Pharmazeuten, Chemiker, Biologen, Biochemiker und Technische Biochemiker eng zusammen.

Enzyme sind für Mensch, Tier und Pflanze lebensnotwendig. Diese Eiweißstoffe werden im Körper als Bio-Katalysatoren für alle biochemischen Reaktionen gebraucht: Sie spielen unter anderem eine tragende Rolle für das Funktionieren der Organe, bringen das Ablaufen des genetischen Bauplans in Gang, sind unerlässlich für die Immunabwehr wie für die Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen. Aber auch für Krankheiten sind Enzyme mitverantwortlich – vom Krebs bis hin zur bakteriellen Infektion verursachen sie das Ablaufen fataler biochemischer Prozesse.

Pharmazeuten, Chemiker, Biologen, Biochemiker und Technische Biochemiker der Saar-Uni haben sich nun zusammengetan, um ihre Arbeitsgruppen zu vernetzen und neue Felder auf dem Gebiet der Enzymforschung zu erschließen. Dazu wurden zehn neue Doktorandenstellen vom saarländischen Wissenschaftsministerium für das Projekt „Enzyme – Tools, Targets, Therapeutics“ bereitgestellt. Sprecher dieses Projekts ist der Saarbrücker Professor für Technische Biochemie Prof. Dr. Elmar Heinzle.

Auf den Punkt gebracht geht es im Rahmen des Projektes darum, Vorgänge, die aufgrund von Enzymen in Lebewesen ablaufen, steuerbar und medizinisch und technisch einsetzbar zu machen.

Ein Ziel ist dabei die Entwicklung von Medikamenten: So werden gegen Enzyme, die für Krankheiten verantwortlich sind, Hemmstoffe entwickelt.
Sie sollen die Reaktionskette stoppen, die durch die Enzyme in Gang gebracht werden. Erforscht wird dies u.a. bei Prostatakrebs – hier ist das Enzym „Aldosteronsynthase“ der Übeltäter. Um gegen bakterielle Infektionen etwa
des Magen-Darm-Traktes oder der Atemwege einen Hemmstoff zu entwickeln, steht das Enzym „Urease“ im Blickpunkt des Interesses.
Aber auch in Sachen Resistenz gegen Antibiotika scheint ein „Kraut“ gewachsen: Schuld daran, dass Penizillin mit zunehmender Einnahme-Zeit unwirksam wird, sind „ß-Lactamasen“. Diese Enzyme bewirken, dass das Penicillin aufgespalten und so unwirksam wird. Ein Stoff, der die ß-Lactamasen von ihrer zerstörerischen Tätigkeit abhält, soll in Saarbrücken entwickelt werden.

Ein weiteres zentrales Vorhaben ist es, Enzyme mit besonderen Eigenschaften zu finden und hochwertige neue Enzyme mit maßgeschneiderten Eigenschaften herzustellen, sie also zu designen. Eine wichtige Rolle spielen Enzyme als Katalysatoren für Synthesen, also in Verfahren, in denen chemische Verbindungen künstlich aufgebaut werden. Chemische Methoden sind in vielen Fällen aufwendig und vor allem oft auch umweltschädlich. Dies hat die Chemieindustrie immer mehr dazu bewegt, umweltfreundlichere Methoden – zum Beispiel durch Enzyme katalysierte Synthesen – einzusetzen. Man spricht beim Einsatz dieser Bio-Katalysatoren von einer „Green Chemistry“, nicht nur, weil die Enzyme aus Pflanzen und Mikroorganismen stammen, sondern auch, weil die Reaktionen oft ohne Einsatz von organischen Lösungsmitteln und oft unter Vermeidung von Nebenprodukten ablaufen – ein ökologischer Vorteil, der für die Industrie gleichzeitig aber auch deutliche Kosteneinsparungen bedeuten kann.

Nach Enzymen für solche Anwendungen wird im Saarbrücker Projekt gesucht. Im so genannten „Screening“ wird getestet, welches Anwendungs – und Aktivitätsspektrum eine Vielzahl von Enzymen besitzt. Um die gefundenen Enzyme schnell zu identifizieren und auf ihre Aktivität hin zu untersuchen, wird ein an der Saar-Uni entwickeltes Verfahren eingesetzt, bei dem die so genannte MALDI-Massenspektrometrie eine zentrale Rolle spielt.
Hat man ein erfolgversprechendes Enzym entdeckt, arbeitet man im nächsten Schritt daran, es zu optimieren, um es zum Beispiel stabiler für den „harten“ Produktionseinsatz zu machen. Kurz: der Bauplan des Enzyms wird entschlüsselt und damit dann ein gezielt optimierter Katalysator entwickelt. Das nennt man „Evolutives Engineering“.

So arbeitet zum Beispiel eine Arbeitsgruppe an Enzymen, die den Abbau von Fremdstoffen wie zum Beispiel Arzneirückständen oder Pestiziden im Körper bewirken bzw. beschleunigen. Diese Bio-Katalysatoren sollen später zur biotechnologischen Produktion von Steroiden eingesetzt werden. Eine andere Gruppe untersucht Moose, die unter anderem Enzyme enthalten, welche „halogenieren“, die also bewirken, dass in einer organischen Verbindung beispielsweise Chlor eingebaut wird. Wieder andere forschen an „Oxidasen“, also Enzymen, die den zielgenauen Einbau von Sauerstoff in Moleküle unterstützen oder an „Dehydrogenasen“, die in der Lage sind, Molekülen Wasserstoff zu entziehen.

Weiterhin wird an Verfahren gearbeitet, mit denen die Enzyme zukünftig effizienter optimiert werden können. Bislang war es immer schwierig zu untersuchen, ob ein besonders designtes Enzym, das in einer genetisch veränderten Zelle produziert wurde, die gewünschten Eigenschaften nun auch tatsächlich besitzt. Da das Enzym innerhalb der Zelle gebildet wird, musste die Zelle erst zerstört werden, um seine Aktivität zu untersuchen. Einer Arbeitsgruppe an der Saar-Universität ist es nun gelungen, die Zelle dazu zu bringen, das Enzym an seiner Oberfläche zu präsentieren, ohne dass sie dabei zerstört wird: Die Zelle zeigt den Forschern das Enzym also freiwillig.
Dieses bei Bakterien eingesetzte und als „Oberflächen-Display“ bezeichnete Verfahren wird in einem weiteren Projekt auf die eukaryontische Hefe übertragen. Im Unterschied zu Bakterien sind Hefezellen unseren eigenen Körperzellen erstaunlich ähnlich, wodurch sie heutzutage bereits erfolgreich bei der gentechnischen Herstellung neuer Arzneimittel (Biopharmaka) eingesetzt werden. Saarbrücker Forscher versuchen nun Hefen auch als Lebendimpfstoff einzusetzen: Die Mikrobiologen konnten Hefezellen gentechnisch so verändern, dass fremde Eiweiße (wie virale Enzyme oder Virushüllproteine) produziert und in die äußere Hefezellwand eingebaut werden. Die so in ihrer Zelloberfläche modifizierten Hefen könnten als effektiver und völlig ungefährlicher Lebendimpfstoff eingesetzt werden und mittelfristig das Gebiet der rekombinanten Impfstoffentwicklung um eine neuartige Strategie erweitern.

Sie haben Fragen?
Dann setzen Sie sich bitte in Verbindung mit dem Sprecher des Saarbrücker Projektes
Prof. Dr. Elmar Heinzle: Tel.: 0681 / 302-2905, oder -3405; Fax: 0681 / 302-4572
E-Mail: e.heinzle@mx.uni-saarland.de .
Weitere Informationen im Internet unter:
http://www.uni-saarland.de/fak8/heinzle/research/ETTT_projekte.htm

Weitere Informationen finden Sie im WWW:

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Claudia Brettar idw

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