Erhebliches Zukunftspotenzial für biogene Rest- und Abfallstoffe

Eine Studie aus dem Forschungszentrum Karlsruhe erweist biogene Rest- und Abfallstoffe als Energieträger mit Zukunft

Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft durchgeführte und jetzt veröffentlichte Untersuchung* des Forschungszentrums Karlsruhe bescheinigt biogenen Rest- und Abfallstoffen ein erhebliches Zukunftspotenzial. So könnten Stroh, Waldrestholz, Gülle und ähnliche Stoffe mittelfristig rund 10 Prozent des deutschen Primärenergiebedarfs decken. Auch lässt sich mit Strom und Wärme aus Bioabfall der Ausstoß klimarelevanter Treibhausgase vergleichsweise kostengünstig verringern. Allerdings sind biogene Rest- und Abfallstoffe als Energiequelle noch nicht wettbewerbsfähig und somit sind weitere Entwicklungen notwendig.

Die Studie des zum Forschungszentrum Karlsruhe gehörenden Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) schätzt das energetische Potenzial der biogenen Reststoffe ab und untersucht, wie dieses Potenzial erschlossen werden kann, welche Technologien sich hierzu besonders eignen, welche Rahmenbedingungen nötig und welche Auswirkungen von einer verstärkten Förderung zu erwarten sind. Neben der Logistik zur Bereitstellung solch unterschiedlicher Stoffe wie Stroh, Waldrestholz, Industrierestholz oder Klärschlamm stehen dabei rund 40 gängige Verfahren zur Strom- und Wärmegewinnung aus biogenen Reststoffen auf dem Prüfstand.

Gegenwärtig decken biogene Rest- und Abfallstoffe rund 1,3 Prozent des deutschen Primärenergiebedarfs ab. In detaillierten Analysen kommen die Karlsruher Technikforscher zu dem Schluss, dass dieser Anteil in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten auf 10 Prozent gesteigert werden könnte. „Biogene Rest- und Abfallstoffe würden dann zu den wichtigsten regenerativen Energieträgern hierzulande gehören“, erläutert Dr. Ludwig Leible, Leiter des ITAS-Projekts „Energie aus biogenen Rest- und Abfallstoffen“. In Form von Stroh, Waldrestholz und Gülle stammen dabei knapp zwei Drittel dieser Stoffe aus der Land- und Forstwirtschaft.

Neben dem mengenmäßigen Potenzial ist es die „Klimakostenbilanz“, welche die biogenen Rest- und Abfallstoffe zu einem Energieträger mit Zukunft macht. Die ITAS-Wissenschaftler vergleichen die Verfahren der Bio- und Klärgasnutzung sowie der Verbrennung und Vergasung von biogenen Reststoffen mit anderen Szenarien zur Emissionsminderung treibhausrelevanter Gase. Hierbei gelangen sie zu der Einschätzung, dass bei einem CO2-Minderungsziel von 25 oder gar 40 Prozent die mit der Nutzung biogener Reststoffe verbundenen Mehrkosten von 50 bis 100 Euro pro Tonne CO2-Äquivalente – angesichts teurerer Alternativen wie Photovoltaik oder Solarthermie – durchaus zu akzeptieren sind.

Eine konkurrenzfähige Erzeugung von Strom und Wärme aus biogenen Rest- und Abfallstoffen ist derzeit noch Zukunftsmusik – sie bedarf der politischen Förderung wie der technologischen Optimierung. So liegen die Stromgestehungskosten aus Importkohle in einem 500-MW-Steinkohlekraftwerk bei rd. 45 Euro/MWhel, aus Gülle in einer 140-kW-Biogasanlage bei 80 Euro/MWhel, aus Waldrestholz und Stroh in einem Biomassekraftwerk bei rund 120 Euro/MWhel. Vergleichsweise gut schneidet die Co-Verbrennung bzw. Co-Vergasung von Waldrestholz und Stroh im Steinkohlekraftwerk ab; hier sind Gestehungskosten zwischen 90 und 100 Euro/MWhel realisierbar. Sowohl bei den Verbrennungstechnologien als auch bei denen der Vergasung und Vergärung wünschen sich die Autoren eine verstärkte Anwendung der Kraft-Wärme-Kopplung.

Bei der Stromerzeugung aus biogenen Reststoffen, so die Karlsruher Studie, werden neben der Co-Verbrennung und Co-Vergasung in Steinkohlekraftwerken die großen Biogas- und Klärgasanlagen als erste die Schwelle zur Wettbewerbsfähigkeit überschreiten. „Volkswirtschaftlich wäre es zu begrüßen“, so Ludwig Leible, „wenn auch die Co-Verbrennung von Biomasse in großen Kraftwerken in den Genuss der Einspeisevergütung käme und das Erneuerbare-Energien-Gesetz entsprechend geändert würde. Auch sollte bei der anstehenden Novellierung des EEG eine der Stromgewinnung analoge `Wärmegutschrift´ für Wärme aus erneuerbaren Energieträgern erwogen werden.“

Die von einer vermehrten Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe ausgehenden Beschäftigungsimpulse sind gegenüber den erzielbaren CO2-Minderungseffekten nicht mehr als eine positive Begleiterscheinung. Zwar errechnet die Karlsruher Studie die Zahl von rund 40 000 gesicherten bzw. neu geschaffenen Arbeitsplätzen für den Fall, dass die Hälfte der verfügbaren Reststoffe bereitgestellt und energetisch genutzt wird. Dieser Wert relativiert sich jedoch, wenn man berücksichtigt, dass in der Land- und Forstwirtschaft derzeit knapp 1 Mio. Personen tätig sind und es darüber hinaus sicherlich kostengünstigere Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung im ländlichen Raum gibt.

Das Forschungszentrum Karlsruhe ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, die mit ihren 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,1 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands ist. Die insgesamt 24 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Helmholtz-Gemeinschaft forschen in den Bereichen Struktur der Materie, Erde und Umwelt, Verkehr und Weltraum, Gesundheit, Energie sowie Schlüsseltechnologien.

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Inge Arnold idw

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