Argentinien will mit Windkraft und Wasserstoff das "Kuwait des 21. Jahrhunderts" werden

Wasserstoff, mit Strom aus einem riesigen Windpark gewonnen, könnte künftig zu einem Exportartikel Argentiniens werden: Die Argentinische Gesellschaft für Windenergie hat bereits Pläne für ein solch ehrgeiziges Projekt ausgearbeitet. Flüssiger Wasserstoff aus Patagonien könnte dann als Energieträger in die ganze Welt verkauft werden.

Stark und stetig wie sonst an nur wenigen anderen Orten auf der Welt weht der Wind in Patagonien im Süden Argentiniens. Kalte Luft von der Westküste des südamerikanischen Kontinents strömt über den Gebirgszug der Kordilleren hinüber auf die wärmere Ostseite. Hier, im Herzen der Provinz Santa Cruz, sollen einmal mit Windenergie riesige Mengen Wasserstoff produziert und in flüssiger Form in die ganze Welt exportiert werden. Als Hersteller dieses Energieträgers der Zukunft könnte Argentinien zum „Kuwait des 21. Jahrhunderts“ werden. Diese Vision vertritt Erico Spinadel, Präsident der Argentinischen Gesellschaft für Windenergie, die bereits Pläne für das Projekt ausgearbeitet hat.

Nach dem Konzept der Organisation sollen auf einer Fläche von rund tausend Quadratkilometern mehrere tausend Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 10 Gigawatt entstehen. Das ist nicht viel weniger Leistung als alle Windräder Deutschlands von der Nordseeküste bis zu den Alpen zusammengenommen – und Deutschland ist inzwischen weltweit Spitzenreiter bei der Windkraft.

Der Vorteil des abgelegenen Standorts in Patagonien liege im extrem hohen Nutzfaktor der Windkraftanlagen, erläutert Spinadel, ordinärer Professor an der Staatlichen Technologischen Universität in Buenos Aires. Mit Windgeschwindigkeiten von durchschnittlich 10 bis 12 Metern pro Sekunde fällt die „Windernte“ äußerst üppig aus. Zudem sind häufige Wechsel der Windrichtung selten, die sich negativ auf den Ertrag auswirken. Zum Einsatz sollen Windkraftanlagen kommen, wie sie sich bereits an den europäischen Nordseeküsten bewährt haben.

Den Strom aus dem riesigen Windpark können die Argentinier allerdings nicht in das Stromnetz des Landes einspeisen. Dafür sind die Entfernungen zu den viel weiter nördlich gelegenen Ballungszentren des riesigen Landes zu groß. „Das wäre, als wolle man den Strom für Deutschland auf Madeira gewinnen“, illustriert Spinadel die Größenverhältnisse. Bislang gibt es ohnehin keine Netzverbindung von der südlichsten Provinz Patagoniens, Santa Cruz, in den Norden.

Statt Energie für das eigene Land wollen die Argentinier mit Windkraft daher Wasserstoff für den Export erzeugen. Mit dem in den Anlagen erzeugten Strom wird Wasser in Elektrolyseuren in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.

Der Sauerstoff kann für technische Anwendungen, beispielsweise in der Abwasserbehandlung, verwendet werden; viel wichtiger ist jedoch der energiereiche Wasserstoff, der nach den Plänen in 250 bis 400 Kilometer langen Pipelines bis an die Atlantikküste geleitet wird. Dort, in einer der Hafenstädte Puerto Deseado oder Puerto Santa Cruz, wird das Gas in einer Großanlage verflüssigt, indem es auf Temperaturen von minus 253 Grad Celsius abgekühlt wird. Flüssiger Wasserstoff muss zwar aufwändig in besonders isolierten Tanks gelagert werden, hat jedoch den großen Vorteil einer sehr viel höheren Energiedichte.

Spezielle Tankschiffe sollen das verflüssigte Gas aufnehmen und beispielsweise nach Japan transportieren – wie die Öltanker, die heute schon von den Ölländern beispielsweise im Nahen Osten aus die Industrieländer anlaufen. Dort kann der Wasserstoff für zahlreiche industrielle Zwecke genutzt werden und natürlich auch Brennstoffzellen für Autos und Heizungsanlagen antreiben.

Rund 20 Milliarden US-Dollar würde das Gesamtprojekt kosten, haben die Windenergie-Experten hochgerechnet. Mit dem bislang noch billigeren Energieträger Erdöl könnte der Wasserstoff aus Wind konkurrieren, wenn der Ölpreis auf dem Weltmarkt die 40-Dollar-Marke übersteigt – ein Wert, der beispielsweise Anfang der achtziger Jahre schon einmal erreicht wurde, von den derzeitigen rund 30 Dollar pro Barrel jedoch weit entfernt ist. An möglichen Konzepten für die Finanzierung arbeiten die Windenergieexperten derzeit noch. Ob sich das Projekt schon in naher Zukunft so verwirklichen lässt, ist noch völlig offen.

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Ulrich Dewald Initiative Brennstoffzelle

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