Zwei Neonikotinoide schädigen Bienenköniginnen

Eine markierte Bienenkönigin, die untersucht wurde. Sie befindet sich gemeinsam mit Arbeiterinnen auf einer Wachswabe, in deren Zellen sich entwickelnde Arbeiterinnen befinden. Geoffrey Williams, Universität Bern

Weltweit sterben seit den 2000er Jahren immer mehr Bienenvölker – die Gründe dafür sind vielseitig und noch nicht vollständig geklärt. Neben eingeschleppten Parasiten wird vermutet, dass auch landwirtschaftliche Insektizide zu den Völkerverlusten beitragen können. Diese werden gegen Schädlinge in der Landwirtschaft eingesetzt, entfalten ihre Wirkung aber auch in Nützlingen wie Honigbienen.

Widersprüchliche Studien zur Wirkung auf Nützlinge liessen indes bisher keine eindeutigen Schlüsse zu. Umfragen bei Imkerinnen und Imkern in mehreren Ländern haben ergeben, dass der Verlust ganzer Kolonien möglicherweise mit Gesundheitsproblemen von Bienenköniginnen zusammenhängen könnte.

Ob auch die Insektizide der Neonikotinoidgruppe zu einer Schwächung der Bienenköniginnen beitragen können, war bislang nicht erwiesen. Nun hat ein internationales Forscherteam unter Schweizer Führung herausgefunden, dass zwei weitverbreitete Neonikotinoide die Fortpflanzung von Bienenköniginnen stark beeinträchtigen können.

Die untersuchten Bienenköniginnen wiesen vergrösserte Eierstöcke auf, konnten weniger Spermien von männlichen Bienen (den Drohnen) speichern und waren insgesamt weniger erfolgreich bei der Eierlegetätigkeit. «Dies ist die erste Studie zu den Auswirkungen von Neonikotinoiden auf die Physiologie, die Anatomie und allgemein auf den Reproduktionserfolg von Bienenköniginnen», sagt Erstautor Dr. Geoffrey Williams vom Institut für Bienengesundheit der Universität Bern. «Die Ergebnisse zeigen, dass diese Chemikalien Königinnen schädigen und dadurch für die Verluste von Bienenvölkern mitverantwortlich sein können.»

Schädigung durch zwei Neonikotinoide nachgewiesen

Die Studie wurde in Bern von einem internationalen Forscherteam unter Leitung des
Instituts für Bienengesundheit der Universität Bern zusammen mit dem Zentrum für Bienenforschung von Agroscope sowie der kanadischen Acadia Universität durchgeführt und im open-access Journal «Scientific Reports» der «Nature»-Verlagsgruppe publiziert.

Bereits 2013 wurde vorsorglich die Anwendung von drei Wirkstoffen aus der Gruppe der Neonikotinoide in Europa für zwei Jahre stark eingeschränkt, um die Auswirkungen auf die Bienengesundheit genauer zu untersuchen. In Anlehnung an die EU wurde der Einsatz dieser Wirkstoffe in der Schweiz ebenfalls teilweise verboten.

Zu diesen aktuell verbotenen Chemikalien zählen Thiamethoxam, Clothianidin und Imidacloprid, wobei die zwei ersten in der vorliegenden Studie untersucht wurden und eine erhebliche negative Wirkung auf die Bienenköniginnen zeigten. «Die Ergebnisse der Studie sind beunruhigend, aber nicht überraschend», sagt Letztautor Dr. Laurent Gauthier von Agroscope. Laut den Forschenden seien diese Chemikalien nicht so harmlos für Nützlinge wie ursprünglich angenommen. Sie fordern denn auch gründlichere Umweltverträglichkeitsprüfungen von Neonikotinoiden, um Bienen und andere Nützlinge zu schützen.

Zusammenhang von Gesundheit, Bestäubung und Honigproduktion

In einem Bienenvolk gibt es nur eine Königin. Sie allein kann Eier legen und ist daher zentral für den Nachwuchs im Volk. Zudem sorgt sie durch die Produktion von Pheromonen für den sozialen Zusammenhalt des Volkes. «Ohne sie wäre das Volk innert kürzester Zeit nicht mehr überlebensfähig», erklärt Ko-Autor Professor Peter Neumann vom Institut für Bienengesundheit der Universität Bern.

Honigbienen erfüllen, wie alle bestäubenden Insekten, eine sehr wichtige Rolle für das Ökosystem und dadurch auch für die Wirtschaft. Jedes Jahr produzieren Millionen von Honigbienenvölkern in Europa und Nordamerika Honig und tragen massgeblich zur Bestäubung von landwirtschaftlichen Pflanzen bei. Die Vielfalt der bienenbestäubten Pflanzen reicht von der Karotte über die Mandel bis hin zum Raps. Die gesamte Bestäubungsleistung beträgt jährlich mehrere Milliarden Euro.

Angaben zur Publikation:
Williams, G.R., Troxler, A., Retschnig, G., Roth, K., Shutler, D., Yañez, O., Neumann, P., Gauthier, L. 2015. Neonicotinoid insecticides severely affect honey bee queens. Scientific Reports 5, 14621; doi: 10.1038/srep14621.

Die Studie wurde finanziell von der Stiftung Vinetum, der Ricola Foundation – Natur und Kultur, und dem Schweizerischen Nationalfonds unterstützt. Durchgeführt wurden die Arbeiten von Forschenden der Universität Bern (Institut für Bienengesundheit, Vetsuisse Fakultät), Agroscope (Zentrum für Bienenforschung) und der Universität Acadia, Kanada (Department of Biology, Faculty of Science).

http://www.kommunikation.unibe.ch/content/medien/medienmitteilungen/index_ger.ht…
http://www.nature.com/articles/srep14621

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Nathalie Matter Universität Bern

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