Zusammenhang zwischen erhöhten Blutzuckerspiegeln und Dickdarmkrebs-Risiko entdeckt

An der EPIC-Studie sind 10 europäische Länder beteiligt. EPIC

Das Wissenschaftlerteam um Heiner Boeing und Krasimira Aleksandrova vom DIfE untersuchte den Zusammenhang zwischen der Körpergewichtszunahme im Erwachsenenalter, dem Darmkrebsrisiko und 20 verschiedenen Biomarkern mit Hilfe einer in der EPIC**-Studie eingebetteten Fall-Kontroll-Studie. Diese schloss die Daten von 266 erstmals an Dickdarmkrebs und 186 an Enddarmkrebs erkrankten Menschen sowie die Daten von 452 nicht an Krebs erkrankten Kontrollpersonen ein.

Wie die aktuelle Studie zeigt, haben Erwachsene, die ab dem 20. Lebensjahr jährlich mehr als 300 Gramm Körpergewicht zulegen, im Vergleich zu Personen, die unter diesem Wert bleiben, ein um 54 Prozent erhöhtes Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken.

Diese Risikoerhöhung beobachteten die Wissenschaftler auch, wenn Menschen mittleren Alters über einen Zeitraum von 30 Jahren mehr als 9 Kilogramm Gewicht zunahmen. Kontrollpersonen derselben Altersgruppe, deren Körpergewicht langfristig stabil war, hatten kein erhöhtes Darmkrebsrisiko.

Die Forscher beobachteten zudem, dass für die Risikobeziehung zwischen Gewichtszunahme und Dickdarmkrebs eine Zunahme des Taillenumfangs sowie ein hoher HbA1c-Wert (Maß für den Langzeitblutzucker) eine Rolle spielen. Für Enddarmkrebs stellten sie in dieser Studie keine deutliche Risikoerhöhung fest.

Ein großer Taillenumfang weist meist auf übermäßige Fetteinlagerungen im Bauchraum hin. Hohe HbA1C-Werte lassen dagegen auf eine anhaltende Störung des Zuckerstoffwechsels schließen, denn der HbA1C-Wert ist ein wichtiger Indikator für die durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der vergangenen acht bis zwölf Wochen.

„Wir nehmen daher an, dass der beobachtete Zusammenhang zwischen einer Gewichtszunahme und Dickdarmkrebs mit physiologischen Veränderungen einhergeht, die zumindest teilweise auf eine Zunahme des Bauchfetts und eine Störung des Zuckerstoffwechsels zurückzuführen sind“, sagt Erstautorin Krasimira Aleksandrova vom DIfE. „Aus einer früheren Untersuchung*** wissen wir zudem, dass auch ein gestörter Fettstoffwechsel für die Dickdarmkrebs-Entstehung eine Rolle spielen könnte.

Ob jedoch ein über lange Zeit erhöhter Blutzuckerspiegel das Dickdarmkrebsrisiko direkt negativ beeinflusst, wissen wir derzeit nicht. Zumindest liefert die neue Studie aber weitere Ansatzpunkte, die sich weiterverfolgen lassen, um die molekularen Mechanismen der Dickdarmkrebs-Entstehung aufzuklären“, so Aleksandrova weiter. Diese zu kennen, sei eine wichtige Voraussetzung, um neue Behandlungsstrategien zu entwickeln.

„Dennoch zeigen die neuen Daten schon jetzt, wie wichtig es ist, lebenslang mit Hilfe eines gesunden Lebensstils Fett- und Zuckerstoffwechselstörungen zu vermeiden und darauf zu achten, auch im Alter nicht übermäßig an Körperfett zuzunehmen“, sagt Heiner Boeing, der die Potsdamer EPIC-Studie und die Abteilung Epidemiologie am DIfE leitet.

Hintergrundinformationen

* Biomarker sind charakteristische biologische Merkmale, die objektiv gemessen werden und auf einen normalen biologischen oder krankhaften Prozess im Körper hinweisen können. Bei einem Biomarker kann es sich um Zellen, Gene, Stoffwechselprodukte oder bestimmte Moleküle wie das Glykohämoglobin HbA1C handeln. Als eingängiges Beispiel sei das Blutbild genannt, das Hinweise auf den Gesundheitszustand des Patienten gibt (Quelle: Wikipedia).

** EPIC steht für European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. Sie ist eine der größten, mit öffentlichen Mitteln geförderten, prospektiven („vorausschauenden“) Studien, welche die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht. An der EPIC-Studie sind zehn europäische Länder mit insgesamt 519.000 weiblichen und männlichen Studienteilnehmern im Erwachsenenalter beteiligt. In Deutschland gehören das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg sowie das DIfE zu den EPIC-Studienzentren.

Die Potsdamer EPIC-Teilstudie schließt mehr als 27.500 Erwachsene ein. Bei der Auswertung einer prospektiven Studie ist es wichtig, dass die Teilnehmer zu Beginn der Studie noch nicht an der zu untersuchenden Krankheit leiden. Die Risikofaktoren für eine bestimmte Erkrankung lassen sich so vor ihrem Entstehen erfassen, wodurch eine Verfälschung der Daten durch die Erkrankung weitestgehend verhindert werden kann – ein entscheidender Vorteil gegenüber retrospektiven Studien.

Die aktuelle Fall-Kontroll-Studie und die wissenschaftliche Arbeit der Erstautorin (K. Aleksandrova) wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

*** Übergewichtsbedingter Dickdarmkrebs ist eine Stoffwechselkrankheit (17.02.2014)

Weitere Ergebnisse der DIfE-Forscher hinsichtlich des Darmkrebsrisikos:

• Starke Gewichtszunahme im jungen Erwachsenenalter ist mit erhöhtem Darmkrebsrisiko verbunden (27.05.2015) http://www.dife.de/presse/pressemitteilungen/?id=1306
• Körpermaße und Dickdarmkrebs-Risiko – Neue Ergebnisse der EPIC-Studie (05.07.2006) http://www.dife.de/presse/pressemitteilungen/?id=1051
• Fleisch steigert, Fisch senkt das Darmkrebsrisiko (14.06.2005) http://www.dife.de/presse/pressemitteilungen/?id=1033
• Weniger Darmkrebs durch mehr Ballaststoffe (03.05.2003) http://www.dife.de/presse/pressemitteilungen/?id=1019

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Mehr unter www.dife.de. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Weitere Informationen zum DZD finden Sie unter http://www.dzd-ev.de.

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 91 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.600 Personen, darunter 9.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,7 Milliarden Euro. Mehr unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

Kontakt:

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Abteilung Epidemiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal/Deutschland
Tel.: +49 33200 88-2711
E-Mail: boeing@dife.de

Dr. Krasimira Aleksandrova
Abteilung Epidemiologie
Start-up-Lab Ernährung, Immunität und Metabolismus
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
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Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
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oder presse@dife.de
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http://www.dife.de/forschung/abteilungen/kurzprofil.php?abt=EPI Abteilung Epidemiologie am DIfE
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https://academic.oup.com/aje/article-lookup/doi/10.1093/aje/kww194 Link zur Publikation

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