Zelluläre Wundreaktion nach Gehirnverletzung – neue Erkenntnisse über Astroglia-Zellen

Proliferating astrocyte in direct contact with the vasculature (immunohistochemistry). Quelle: HMGU/ LMU<br>

Erstmalig konnten Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München (HMGU) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) die zelluläre Wundreaktion des Gehirns in vivo, also am lebenden Organismus, verfolgen und dabei spezifische Zellfunktionen der Astroglia aufdecken. Ihre Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals ‚Nature Neuroscience‘ veröffentlicht.

Ein Gewebeschaden des Gehirns, durch Verletzungen oder auch eine Durchblutungsstörung beim Schlaganfall, führt zu einer zellulären Wundreaktion und zur Narbenbildung. Im Gehirn unterscheidet man zwischen Nervenzellen, sogenannten Neuronen, und Gliazellen, die als Stützgewebe oder Abwehrzellen zahlreiche Funktionen ausüben. Bisher ging man davon aus, dass Astroglia, sternförmige Gliazellen, zum Ort einer Verletzung wandern und dort zur Bildung einer Gewebsnarbe beitragen. Diese Theorie konnten nun Wissenschaftler des HMGU und der LMU um Professor Dr. Magdalena Götz widerlegen und spezifische Subpopulationen der Astroglia unterscheiden.

Im Mausmodell beobachteten sie mittels live imaging über Wochen das Verhalten der Gliazellen nach einer Gewebsverletzung. Dabei zeigte sich, dass in einer Subpopulation von Astroglia, die direkt an den Blutgefäßen im Gehirn zu finden ist, nur wenige Zellen zu einer gezielten Teilung angeregt werden. Diese Zellen steuern die zelluläre Wundreaktion, indem sie spezielle Funktionen an der Schnittstelle zwischen Blutgefäßen und Gehirn ausüben. Darüber hinaus ließen sich die übrigen Astrogliazellen in ihrem Verhalten weiter unterscheiden, in solche, die unbeteiligt bleiben und solche, die ihre sternförmigen Ausläufer zu der Läsion hin ausrichten. Eine Zellwanderung dagegen findet nicht statt. Damit beschreiben die Wissenschaftler eine bislang unbekannte heterogene Zellreaktion der Astroglia nach einer Gewebsverletzung im Gehirn. „Es ist wichtig, die Wundreaktion nach Gehirnverletzung zu verstehen, um die positiven Aspekte der Wundheilung zu fördern, und die negativen Aspekte, wie Narbenbildung, zu hemmen und so die Fehlfunktionen nach Gehirnverletzung zu minimieren“, sagt Götz, Direktorin des Instituts für Stammzellforschung am HMGU und Lehrstuhlinhaberin des Instituts Physiologische Genomik der LMU.
Wie genau die Narbenbildung erfolgt und welche Funktionen die gefäßnahen Astroglia-Zellen dabei erfüllen, wollen die Wissenschaftler nun weiter erforschen. Dabei will man auch neue Ansätze finden, um künftig die Narbenbildung zu hemmen und die Regeneration von Neuronen zu fördern. Eine bedeutende Rolle könnten dabei wiederum die oben erwähnten Astrogliazellen an den Blutgefäßen spielen, da diese ein hohes plastisches Wandlungsvermögen sowie Stammzelleigenschaften besitzen.

Weitere Informationen
Original-Publikation:
Bardehle, S. et al. (2013), Live Imaging of astrocyte responses to acute injury reveals selective juxtavascular proliferation. Nature Neuroscience, doi: 10.1038/nn.3371

Link zur Fachpublikation: http://www.nature.com/neuro/journal/vaop/ncurrent/full/nn.3371.html

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.000 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 34.000 Beschäftigten angehören. http://www.helmholtz-muenchen.de

Das Institut für Stammzellforschung (ISF) untersucht die grundlegenden molekularen und zellulären Mechanismen der Stammzellerhaltung und -differenzierung. Daraus entwickelt das ISF Ansätze, um defekte Zelltypen zu ersetzen, entweder durch Aktivierung ruhender Stammzellen oder Neuprogrammierung anderer vorhandener Zelltypen zur Reparatur. Ziel dieser Ansätze ist die Neubildung von verletztem, krankhaft verändertem oder zugrunde gegangenem Gewebe.

As one of Europe's leading research universities, LMU Munich is committed to the highest international standards of excellence in research and teaching. LMU attracts a large number of international students – 14 percent of its 49,000 students come from abroad, originating from 125 countries worldwide. Building on its 500-year-tradition of scholarship, LMU covers a broad spectrum of disciplines, ranging from the humanities and cultural studies through law, economics and social studies to medicine and the sciences. The know-how and creativity of LMU's academics form the foundation of the University's outstanding research record, as recognized by many national and international university rankings. This is also reflected in the designation of LMU as a „university of excellence“ in the context of the Excellence Initiative, a nationwide competition to promote top-level university research. http://www.lmu.de

Ansprechpartner für die Medien
Abteilung Kommunikation, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH), Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg – Tel.: 089-3187-2238 – Fax: 089-3187-3324 – E-Mail: presse@helmholtz-muenchen.de
Fachlicher Ansprechpartner
Prof. Magdalena Götz, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH), Institut für Stammzellforschung, Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg – Tel.: 089-3187-3750 – E-Mail: magdalena.goetz@helmholtz-muenchen.de

Weitere Informationen:

http://www.nature.com/neuro/journal/vaop/ncurrent/full/nn.3371.html
– Link zur Fachpublikation
http://www.helmholtz-muenchen.de
– Weitere Informationen über das Helmholtz Zentrum München

Media Contact

Abteilung Kommunikation Helmholtz-Zentrum

Weitere Informationen:

http://www.lmu.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer