Zellen im Takt – Menschliche Zellen verändern sich im Tagesverlauf

Menschliche Zellmembranen sind morgens anders zusammengesetzt als abends. Foto: Susanne Schwaiger

Fettsäuren sind wichtige Bestandteile von Zellmembranen. Sie leiten Signale in die Zelle weiter und steuern Stoffwechselvorgänge im gesamten Körper. Thomas Ruf und Walter Arnold vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna sind diesen zyklischen Schwankungen bei menschlichen Zellen nachgegangen.

„Nahezu alle physiologischen Vorgänge bei Mensch und Tier, wie Körpertemperatur oder Herzfrequenz, unterliegen tagesperiodischen Rhythmen, viele von ihnen zeigen auch jahresperiodische Schwankungen. Wir wollten herausfinden, ob diese Rhythmen mit Veränderungen von Zellmembranen zusammenhängen können“, erzählt der Erstautor Ruf.

Die Forscher untersuchten ein Jahr lang die Mundschleimhautzellen von 20 Testpersonen. Alle Personen sammelten an einem bestimmten Tag im Monat alle drei Stunden ihre eigenen Mundschleimhautzellen, indem sie die Mundhöhle mehrmals täglich kräftig mit Wasser spülten und diese Lösungen in speziellen Röhrchen einfroren.

Zusammensetzung der Fettsäuren verändert sich mit der Tageszeit

Die Analyse der Zellmembranen zeigte klare tageszeitabhängige Rhythmen bei elf verschiedenen Fettsäuren. Einige Fettsäuren waren nachts in höheren Mengen vorhanden, andere eher tagsüber. „Die zellulären Veränderungen haben eines gemeinsam, sie fanden bei allen Personen immer ungefähr zur gleichen Tageszeit statt. Es ist also ein klarer Rhythmus sichtbar“, erklärt Ruf.

„Aus der Tierphysiologie wissen wir, dass Tiere die Fettsäurenkomposition in ihren Zellmembranen an Umwelterfordernisse anpassen. Die Zusammensetzung unterliegt vor allem jahreszeitlichen Schwankungen. Bei den von uns untersuchten Personen zeigten sich zwar tageszeitliche Schwankungen, jahreszeitliche Schwankungen traten eher individuell auf.“

Anders als bei Wildtieren zeigte sich bei den Testpersonen kein klarer Jahresrhythmus im Fettsäuremuster. Bei etwa der Hälfte der Testpersonen gab es zwar jahresperiodische Rhythmen, sie verliefen aber nicht synchron. Bei manchen Testpersonen gab es einen Gipfel im Frühjahr oder Sommer, bei anderen war dieselbe Fettsäure im Herbst oder Winter erhöht. „In westlichen Ländern nimmt der Einfluss der Jahreszeiten auf den Körper tendenziell ab. Grund dafür sind künstliches Licht, das die Tage verlängert und lange Heizperioden, die Temperaturschwankungen mildern. Jahresrhythmen existieren zwar, werden aber nicht mehr mit der Jahreszeit synchronisiert“, so Ruf.

Bestimmte Krankheiten treten jahresperiodisch auf

Die von den Wissenschaftern entdeckte Umstrukturierung der menschlichen Zellmembranen könnte von medizinischer Bedeutung sein. Es ist bekannt, dass bestimmte Fettsäuren wie beispielsweise die Omega-3-Fettsäuren vor bestimmten Erkrankungen schützen, während andere, wenn sie im Übermaß aufgenommen werden, ungünstig sein können. Die Zusammensetzung der Fettsäuren in den Membranen könnte also verschiedenste gesundheitliche Auswirkungen haben.

„Möglicherweise erklärt sich daraus auch, warum bestimmte Krankheiten und Todesfälle tageszeitabhängig auftreten. Morgens kommt es statistisch gesehen häufiger zu Herzinfarkten als abends. Auch der der Blutdruck zeigt normalerweise vormittags einen Anstieg. Derzeit wissen wir nicht genau, was die Veränderungen in der Zusammensetzung der Zellmembran hervorruft. Die Art und Zeit der Nahrungsaufnahme könnte dabei eventuell auch eine Rolle spielen. Diese Fragen gilt es noch zu erforschen“, betont Ruf.

Möglicherweise ist es nicht nur wichtig gesundheitsfördernde Omega-3-Fettsäuren in Fischöl oder Ölsäure in Olivenöl in ausreichenden Mengen zu sich zu nehmen, sondern auch den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wollen die Forscher in Zukunft herausfinden.

Service:
Der Artikel „Daily and Seasonal Rhythms in Human Mucosa Phospholipid Fatty Acid Composition” von Thomas Ruf und Walter Arnold wurde in der internationalen Zeitschrift Journal of Biological Rhythms veröffentlicht. doi: 10.1177/0748730415588190
http://jbr.sagepub.com/content/early/2015/06/29/0748730415588190.full.pdf+html

Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.300 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur Vetmeduni Vienna. Im Jahr 2015 feiert die Vetmeduni Vienna ihr 250-jähriges Bestehen. http://www.vetmeduni.ac.at

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