Wirkstoff hilft „Mondschein-Zellen“ bei DNA-Reparatur

Visualisierung der DNA-Reperaturproteine XPC (grün) und MUTYH (rot) an Orten mit UV-induziertem DNA-Schaden im Zellkern (blau) einer menschlichen Zelle. (© CeMM/ Abdelghani Mazouzi)

Welch verheerende Wirkung der UV-Anteil des Sonnenlichts auf die DNA-Moleküle der Hautzellen haben kann, wird sichtbar, wenn die Reparaturmechanismen versagen: Menschen, die an der seltenen Erbkrankheit Xeroderma pigmentosum leiden, entwickeln durch geringste UV-Einwirkung Entzündungen, Wucherungen und schließlich Hautkrebs.

Schuld daran sind Mutationen in den Genen für die sogenannte „Nukleotidexzisionsreparatur“ (NER) – dem einzig bekannten Reperaturmechanismus, der für UV-Schäden der DNA in menschlichen Zellen zuständig ist. Die bereits 1874 beschriebene Krankheit ist bisher unheilbar, unbehandelt sterben die meisten Betroffenen innerhalb der ersten zehn Lebensjahre daran.

Unter der Leitung von Joanna Loizou, Forschungsgruppenleiterin am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, ist das Team am CeMM in Kooperation mit der MedUni Wien und dem IRB Barcelona in seiner jüngsten Forschungsarbeit auf eine vielversprechende, von der US-amerikanischen FDA bereits zugelassene Substanz gestoßen: Acetohexamid, ein ursprünglich gegen Diabetes verschriebener Wirkstoff, macht Zellen mit defekter NER in vitro resistenter gegen UV-Strahlung.

Die in Molecular Cell veröffentlichte Studie (DOI: 10.1016/j.molcel.2017.10.021) beschreibt darüber hinaus einen bisher unbekannten Mechanismus zur Reparatur von UV-Schäden der DNA. Die Wirksamkeit des Medikaments bei betroffenen PatientInnen wurde in der Studie nicht getestet.

Für ihre Arbeit entwickelten die ForscherInnen aus Loizou´s Team ein spezielles chemisches Analyseverfahren, bei dem die CLOUD-Wirkstoffdatenbank des CeMM (Cemm Library of Unique Drugs) auf ihre Wirkung in Xeroderma pigmentosum-Zellen unter UV-Bestrahlung getestet wurde. Acetohexamid führte dabei zu einer erheblichen Verbesserung der UV Resistenz.

Daraufhin führte das Team eine Vielzahl weiterer Experimente durch, um den zugrundeliegenden molekularen Mechanismus zu klären. Es stellte sich heraus, dass der Proteinkomplex MUTYH eine zentrale Rolle spielt: Acetohexamid führt zu dessen Abbau, wodurch ein bisher unbekannter, NER-unabhängiger Reparaturmechanismus aktiviert wird.

„Der MUTYH-Komplex wurde bisher nicht mit der Reparatur von UV-induzierten Beschädigungen der DNA in Verbindung gebracht“, betont Abdelghani Mazouzi, damals PhD Student in Joanna Loizou´s Gruppe und Erstautor der Studie. „Unsere Daten zeigen jedoch eindeutig, dass der Anti-Diabetes-Wirkstoff Acetohexamid durch den Abbau von MUTYH die UV-Empfindlichkeit von NER-defizienten Zellen erheblich mildert und die Reperatur von UV-Schäden verbessert“.

„Der Verlust von MUTYH erlaubt es Xeroderma pigmentosum-Zellen besser mit DNA-Schäden umzugehen, die durch UV-Licht verursacht werden“, fasst Joanna Loizou die Ergebnisse zusammen. „Diese Erkenntnisse sind nicht nur ein wertvoller Beitrag für das grundlegende, molekulare Verständnis der DNA-Reparatur – sie könnten auch dabei helfen, neue therapeutische Ansätze für diese verheerende, bisher noch unheilbare und tödlich verlaufende Erbkrankheit zu finden.“

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Bilder im Anhang: Visualisierung der DNA-Reperaturproteine XPC (grün) und MUTYH (rot) an Orten mit UV-induziertem DNA-Schaden im Zellkern (blau) einer menschlichen Zelle. (© CeMM/ Abdelghani Mazouzi)

Die Studie „Repair of UV-Induced DNA Damage Independent of Nucleotide Excision Repair Is Masked by MUTYH“ erschien in der Zeitschrift Molecular Cell am 16.11.2017 . DOI: 10.1016/j.molcel.2017.10.021 (http://www.cell.com/molecular-cell/pdf/S1097-2765(17)30796-7.pdf)

Autoren: Abdelghani Mazouzi, Federica Battistini, Sarah C. Moser, Joana Ferreira da Silva, Marc Wiedner, Michel Owusu, Charles-Hugues Lardeau, Anna Ringler, Beatrix Weil, Jürgen Neesen, Modesto Orozco, Stefan Kubicek und Joanna I. Loizou

Förderung: Die Studie wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Europäischen Kommission, dem Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung, dem Spanischen Ministerium für Wissenschaft, der Katalanischen Regierung, dem Instituto de Salud Carlos III-Instituto Nacional de Bioinformática und dem Europäischen Forschungsrat ERC.

Joanna Loizou absolvierte ihr Doktoratsstudium an der Universität Manchester/Sussex, bei Keith Caldecott. Während ihrer postdoktoralen Arbeit an der International Agency for Research on Cancer (IARC) der Weltgesundheitsorganisation WHO in Frankreich forschte sie an der Regulation und Bedeutung von epigenetischen Modifikationen bei der DNA Reparatur. Am London Research Institute (LRI) der Cancer Research UK (CR- UK) erforschte sie die DNA Reparatur in der Entwicklung des Immunsystems und in der Unterdrückung von Lymphomen. Joanna Loizou ist seit 2011 Forschungsgruppenleiterin am CeMM.
http://cemm.at/research/groups/joanna-i-loizou-group/

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.at

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Mag. Wolfgang Däuble
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