Winzige Nanomaschine absolviert erfolgreich Probefahrt

Modell der Nanomaschine: Die beiden ineinandergreifenden Ringe sind gut zu erkennen. In der Mitte befindet sich die T7-RNA-Polymerase. © Julián Valero/caesar Bonn

Zu den Nanomaschinen zählen Strukturen aus komplexen Proteinen und Nukleinsäuren, die aus chemischer Energie gespeist gerichtete Bewegungen vollführen können. Das Prinzip ist aus natürlichen Vorbildern bekannt: Auch Bakterien bewegen sich zum Beispiel mit einer Geißel vorwärts. Das Team der Universität Bonn, des Forschungszentrums Caesar in Bonn und der University of Michigan (USA) nutzte Strukturen aus DNA-Nanoringen. Die zwei Ringe greifen wie bei einer Kette ineinander.

„Der eine Ring erfüllt die Funktion eines Rades, der andere treibt es wie ein Motor mit Hilfe von chemischer Energie an“, erklärt Prof. Dr. Michael Famulok vom Life & Medicale Sciences (LIMES)-Institut der Universität Bonn.

Das winzige Gefährt misst gerade einmal rund 30 Nanometer (Millionstel Millimeter). Den „Treibstoff“ stellt die so genannte „T7 RNA Polymerase“ bereit. An den als Motor dienenden Ring gekoppelt synthetisiert dieses Enzym anhand der DNA Sequenz einen RNA-Strang, und nutzt dabei frei werdende chemische Energie für die Drehbewegung des DNA Ringes.

„Mit fortschreitender Strecke wächst der RNA-Strang wie ein Bindfaden aus der RNA Polymerase heraus“, berichtet Erstautor Dr. Julián Valero aus Famuloks Team. Diesen immer länger werdenden RNA-Faden, der quasi als Abfallprodukt des Antriebs herausragt, nutzen die Forscher, um das winzige Mobil entlang von Markierungen auf einer Nanoröhrchen-Strecke zu halten.

Länge der Probefahrt beträgt 240 Nanometer

An diesem Faden befestigt legte die Einrad-Maschine auf ihrer Probefahrt etwa 240 Nanometer zurück. „Das war ein erster Aufschlag“, sagt Famulok. „Die Strecke lässt sich beliebig verlängern.“ Doch nicht nur die Weglänge wollen die Forscher als nächsten Schritt ausbauen, es sind auch kompliziertere Herausforderungen auf der Teststrecke geplant. An eingebauten Abzweigungen, soll sich die Nanomaschine entscheiden, welchen Weg sie einschlägt. „Wir können mit unseren Methoden vorbestimmen, welche Abzweigung die Maschine nehmen soll“, blickt Valero in die Zukunft.

Klar, die Wissenschaftler können dem winzigen Gefährt nicht mit bloßem Auge bei der Arbeit zusehen. Mit einem Rasterkraftmikroskop, das die Oberflächenstruktur der Nanomaschine abtastete, konnten die Wissenschaftler die ineinandergreifenden DNA-Ringe sichtbar machen. Darüber hinaus zeigte das Team mit Fluoreszenz-Markierungen, dass sich das „Rad“ der Maschine tatsächlich drehte.

Fluoreszierende „Streckenposten“ entlang des Nanoröhrchen-Weges leuchteten auf, sobald das Nano-Einrad sie passierte. Anhand dieser Daten ließ sich auch die Geschwindigkeit des Gefährts berechnen: Eine Umdrehung des Rades dauerte etwa zehn Minuten. Das ist nicht besonders schnell – für die Forscher aber ein großer Schritt. „Die Nanomaschine in die gewünschte Richtung zu bewegen, ist nicht trivial“, sagt Famulok.

Die Bestandteile der Maschine fügen sich automatisch zusammen

Anders als große Maschinen wurde die Nanomaschine der Bonner Wissenschaftler freilich nicht mit dem Schweißbrenner oder dem Schraubenschlüssel zusammengebaut. Die Konstruktion erfolgt nach dem Prinzip der Selbstorganisation. Wie in lebenden Zellen entstehen die gewünschten Strukturen spontan, wenn die entsprechenden Bestandteile zur Verfügung gestellt werden.

„Dies funktioniert wie bei einem imaginären Puzzle“, erläutert Famulok. Jedes Puzzleteilchen ist so gestaltet, dass es mit ganz speziellen Partnern wechselwirken kann. Bringt man genau diese Partner in einem Gefäß zusammen, findet jedes Teilchen seinen Wunschpartner und es entsteht automatisch die gewünschte Struktur.

Mittlerweile haben Wissenschaftler weltweit zahlreiche Nanomaschinen und Nanomotoren entwickelt. Aber bei der Methode von Famuloks Team handelt es sich um ein völlig neuartiges Prinzip. „Das ist ein großer Schritt: Es ist nicht einfach, so etwas in der Größenskala von Nanometern verlässlich zu designen und zu realisieren“, sagt der Wissenschaftler. Sein Team will demnächst noch komplexere Nano-Motor-Systeme entwickeln. „Es handelt sich dabei um Grundlagenforschung“, sagt Famulok.

„Wo sie hinführt, ist jetzt noch nicht genau abzusehen.“ Mit etwas Phantasie sind als mögliche Anwendungen zum Beispiel Computer denkbar, die logische Schritte anhand von Molekülbewegungen vollziehen. Außerdem könnten winzige Maschinen Medikamente durch die Blutbahn zielgenau zu den Wirkorten bringen. „Aber das sind noch Zukunftsvisionen“, sagt Famulok.

Publikation: Julián Valero, Nibedita Pal, Soma Dhakal, Nils G. Walter and Michael Famulok: A bio-hybrid DNA rotor-stator nanoengine that moves along predefined tracks, Nature Nanotechnology, DOI: 10.1038/s41565-018-0109-z

Kontakt:

Prof. Dr. Michael Famulok
Life & Medical Sciences (LIMES)-Institut
Universität Bonn
Tel. 0228/731787
E-Mail: m.famulok@uni-bonn.de

Bildzeilen:

Famulok_Lannert_003.JPG: Im Labor: Prof. Dr. Michael Famulok (links) und Dr. Julián Valero vom Life & Medical Sciences (LIMES)-Institut der Universität Bonn am Rasterkraftmikroskop. © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn

cover_project_18_reflejo_cat_pressrelease: Modell der Nanomaschine: Die beiden ineinandergreifenden Ringe sind gut zu erkennen. In der Mitte befindet sich die T7-RNA-Polymerase. © Julián Valero/caesar Bonn

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Sebastian Scherrer idw - Informationsdienst Wissenschaft

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