Wie „sprechen“ Nervenzellen und Blutgefäße miteinander?

Das Zusammenspiel zwischen Neuronen (grün), Astrozyten (blau) und Blutgefäßen (rot) im Mäusehirn. Die Zellpopulationen treten in einem spezifischen Muster auf und interagieren mit den Nachbarzellen. GU

Nervenzellen und Blutgefäße durchziehen den Körper oft Seite an Seite. Das bemerkte schon der flämische Anatom Andreas Vesalius im 16. Jahrhundert. Erst in den letzten zehn Jahren haben Forscher entdeckt, dass das Wachstum neuronaler und vaskulärer Netzwerke von denselben Molekülen gesteuert wird. Prof. Amparo Acker-Palmer, eine Pionierin auf diesem Gebiet, wird nun erstmals die Kommunikation zwischen Nervenzellen und Blutgefäßzellen im Gehirn untersuchen.

Dabei erhofft sie auch neue Erkenntnisse für die Therapie von Demenz und psychischen Erkrankungen. Der Europäische Forschungsrat fördert das Vorhaben mit einem Advanced Investigator Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren.

„Am interessantesten ist das Zusammenspiel von Nervenzellen und Blutgefäßen in der Hirnrinde. Bisher wissen wir wenig darüber, wie Neuronen mit den Endothelzellen im Inneren der Blutgefäße kommunizieren, damit sich das Gehirn richtig entwickeln und funktionieren kann“, erklärt Amparo Acker-Palmer. Sie will darum zunächst das schichtweise Wachstum der Gehirnrinde während der embryonalen Entwicklung untersuchen.

Denn hier wachsen die neuronalen Strukturen von innen nach außen, während die Blutgefäße sich in umgekehrter Richtung von der Oberfläche her nach innen ausbreiten. Da beide Wachstumsprozesse aufeinander abgestimmt sind, vermutet Acker-Palmer, dass sie von denselben Signalmolekülen gesteuert werden. Acker-Palmer möchte nun untersuchen, inwiefern eine fehlerhafte Abstimmung dieser Signalkaskaden zu kognitiven Störungen beitragen kann.

Als Modellorganismen verwendet ihre Arbeitsgruppe genetisch veränderte Mäuse und Zebrafische. Letzte sind durchsichtig, so dass sie lebend mit modernsten Licht-Mikroskopen untersucht werden können. Hochauflösende Elektronenmikroskope sollen außerdem dazu eingesetzt werden, die besonders engen Verbindungen zwischen Endothelzellen der Blutkapillaren und der Gliazellen an der Blut-Hirn-Schranke zu untersuchen. Gliazellen sind Nervenzellen, die sich um die Blutkapillaren wickeln und verhindern, dass schädliche Substanzen aus dem Blut in die Hirnzellen eindringen.

Acker-Palmer möchte mit ihrer Arbeitsgruppe die molekularen Signalwege an dieser entscheidenden Stelle entschlüsseln. „Wenn es uns gelingt, in den Mechanismus einzugreifen, um die Blut-Hirn-Schranke zeitweise zu öffnen, können wir Wirkstoffe einschleusen und somit neue Ansatzpunkte zur Therapie von Demenz oder psychiatrischen Erkrankungen finden“, so die Neurobiologin.

Amparo Acker-Palmer, geboren 1968 in Sueca, Valencia, Spanien, studierte Biologie und Biochemie an der Universität von Valencia, wo sie 1996 promovierte. Danach ging sie als Postdoktorandin an das Europäische Molekularbiologische Labor (EMBL) nach Heidelberg. 2001 wechselte sie als Leiterin einer selbstständigen Nachwuchsgruppe für Signaltransduktion an das Max-Planck-Institut für Neurobiologie nach Martinsried bei München.

2007 wurde sie an das Exzellenzzentrum „Makromolekulare Komplexe“ der Goethe-Universität Frankfurt berufen. Seit 2011 ist Acker-Palmer Leiterin der Abteilung Molekulare und Zelluläre Neurobiologie beim Fachbereich Biowissenschaften der Goethe Universität Frankfurt. 2012 erhielt sie ein Gutenberg Forschungskolleg(GFK)-Fellowship von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und ist eine der leitenden Wissenschaftlerinnen des Rhine-Main Neuroscience Network (rmn2).

2014 wurde Acker-Palmer zum Max-Planck-Fellow am MPI für Hirnforschung in Frankfurt berufen. Amparo Acker-Palmer ist Mitglied der Deutschen Akademie für Naturforscher Leopoldina und der Academia Europaea. 2010 wurde sie mit dem Paul Ehrlich-Nachwuchspreis ausgezeichnet.

Informationen: Prof. Amparo Acker-Palmer, Institut für Zellbiologie und Neurowissenschaft, Buchmann-Institut für Molekulare Lebenswissenschaften, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798-42563, Acker-Palmer@bio.uni-frankfurt.de.

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 gegründet mit rein privaten Mitteln von freiheitlich orientierten Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern fühlt sie sich als Bürgeruniversität bis heute dem Motto „Wissenschaft für die Gesellschaft“ in Forschung und Lehre verpflichtet. Viele der Frauen und Männer der ersten Stunde waren jüdische Stifter. In den letzten 100 Jahren hat die Goethe-Universität Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Chemie, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geisteswissenschaften.

Herausgeber: Die Präsidentin
Redaktion: Dr. Anne Hardy, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung Marketing und Kommunikation, Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60629 Frankfurt am Main, Tel: (069) 798-12498, Fax: (069) 798-761 12531, hardy@pvw.uni-frankfurt.
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