Wie Proteine Zellen stabil machen

Das hat ein internationales Forscherteam unter Federführung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität Umeå in Schweden herausgefunden und jetzt im internationalen Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht.

Mit Hilfe der nur wenige Nanometer großen Einstülpungen kann sich jede Zelle an ihre Umgebung anpassen oder Stoffe aufnehmen, um diese ins Zellinnere zu transportieren. Bilden sich die Einstülpungen, zieht sich die Zellmembran zusammen – ohne die Einstülpungen wird sie wieder größer. Ist dieser Vorgang gestört, kann das zu schweren Muskel- oder Fettzell-Erkrankungen führen oder etwa die Blutgefäße beschädigen.

Bereits bekannt war, dass das Protein EHD2 bei der Caveolae-Bildung eine zentrale Rolle spielt. „Das Protein bindet an bestimmte Stellen der Zellmembran und sorgt dafür, dass sich die Oberfläche nach innen wölbt oder wieder gerade zieht“, erklärt Dr. Christian Schwieger von der Arbeitsgruppe für Biophysikalische Chemie der MLU.

Der genaue Vorgang, wie das Protein an die Membran andockt, war dagegen bislang unbekannt: Im Normalzustand ist es nämlich gar nicht bindungsfähig. Damit es seine Wirkung an der Zellmembran entfalten kann, muss sich die Struktur von EHD2 verändern. Genau diese veränderte Struktur lässt sich mit den gängigen Methoden der Proteinforschung aber nur schwer analysieren.

Deshalb verwendeten die Forscher eine neue Methode der Infrarotspektroskopie. „Damit ist es möglich zu beobachten, wie ein Protein bestimmte Lichtfrequenzen reflektiert oder absorbiert. Darüber lassen sich wiederum Aussagen über die Struktur des Proteins treffen, wie es auch in einer Zelle vorliegt“, so Schwieger weiter. Die Arbeiten der halleschen Chemiker an diesem Verfahren, der Infrarot-Reflexions-Absorptions-Spektroskopie, sind weltweit führend.

Durch weitere Computersimulationen ist Schwieger der Struktur des gebundenen EHD2 auf die Schliche gekommen. Das Forscherteam konnte nun zeigen, dass es einen mechanistischen Kreislauf gibt, der die Bildung der Einstülpungen auf der Zellmembran steuert: Mit der Hilfe des Moleküls ATP, bekannt Energielieferant der Zellen, lässt sich die Form von EHD2 so verändern, dass es an die Zellmembran andocken kann.

Mehrere EHD2-Proteine reihen sich an der jeweiligen Stelle wie auf einer Perlenkette hintereinander. Dadurch wird die Oberfläche an dieser Stelle gekrümmt und es entstehen die kleinen Einstülpungen. Ist nicht mehr genügend ATP vorhanden, löst sich das Protein wieder von der Membran – Protein und Zelloberfläche nehmen wieder ihre ursprüngliche Form an, oder die Caveolae lösen sich von der Membran und treten ihren Weg ins Zellinnere an.

„Unsere Forschung zeigt, wie der von uns beschriebene mechanistische Kreislauf von EHD2 eine zentrale Rolle bei der Eigenschaft von Caveolae spielt, die Zellmembran zu stabilisieren“, sagt Prof. Dr. Richard Lundmark von der Universität Umeå.

Die von den schwedischen und deutschen Wissenschaftlern vorgestellte Methode könnte in Zukunft dabei helfen, andere Proteine und deren Struktur unter realistischen Bedingungen zu untersuchen.

Zur Publikation: Hoernke et al. „EHD2 restrains dynamics of caveolae by an ATP-dependent, membrane-bound, open conformation“ PNAS, 2017, DOI: 10.1073/pnas.1614066114

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Tom Leonhardt idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

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