Widersprüchlich: Krebsforscher von MDC und Charité entdecken Doppelrolle eines Genschalters

NF-kappaB verfügt offenbar auch über eine andere Seite, wie die Krebsforscherin Dr. Hua Jing und Prof. Clemens Schmitt vom Max-Delbrück-Centrum (MDC) Berlin-Buch und der Charité – Universitätsmedizin Berlin jetzt zeigen konnten. NF-kappaB verstärkt ein durch Chemotherapie ausgelöstes Zellschutzprogramm (Seneszenz). Es bewirkt bei Krebszellen einen endgültigen Zellteilungsstopp und kann so zum Beispiel das Wachstum von Lymphdrüsenkrebs hemmen (Genes and Development, doi:10.1101/gad.17620611)*.

Das Seneszenz (lat. senex für Alter, Greis) genannte Zellschutzprogramm wird paradoxerweise von einem krebsauslösenden Gen (Onkogen) im Frühstadium einer Krebserkrankung angeschaltet. Krebszellen können sich, sobald das Programm aktiviert ist, nicht mehr ungebremst teilen. „Vielmehr bringt die Seneszenz die Zellteilung endgültig zum Stehen“, erläutert Prof. Schmitt, der am MDC eine Forschungsgruppe leitet und in der Charité als Kliniker arbeitet. Zwar leben die Krebszellen weiter, können sich aber nicht mehr teilen und sind Stoffwechsel-aktiv. In der letzten Zeit gab es Hinweise darauf, dass der Genschalter NF-kappaB bei der Auslösung des Seneszens-Programms mitwirkt. Offenbar löst er die Ausschüttung von Botenstoffen des Immunsystems (Zytokine) aus, die dieses Schutzprogramm verstärken.

NF-kappaB spielt damit eine widersprüchliche Rolle. Denn bei zahlreichen Formen von Lymphdrüsenkrebs (Lymphomen) treibt der Genschalter die Krebsentstehung und das Fortschreiten der Erkrankung voran und ist trägt dazu bei, dass ein Tumor gegen eine Therapie resistent wird, das heißt, auf eine Behandlung nicht mehr anspricht. Dabei schaltet NF-kappaB ein anderes Schutzprogramm der Zelle aus, die Apoptose. Dieses Programm treibt normalerweise geschädigte oder entgleiste Zellen in den Selbstmord und bewahrt damit den Organismus als Ganzes vor Schaden. Bei Krebserkrankungen ist dieses Programm jedoch häufig defekt, so dass die Zellen nicht mehr absterben. Allerdings vermag Chemotherapie durch Anschaltung der Seneszens durchaus einen Wachstumsstillstand der Erkrankung zu erreichen.

Prof. Schmitt, dessen Spezialgebiet die Erforschung der Seneszenz ist, wollte genauer wissen, welche Rolle NF-kappaB bei diesem Schutzprogramm spielt. Mit seinen Mitarbeitern erforschte er in einem Lymphdrüsenkrebs (Lymphom)-Modell, unter welchen genetischen Bedingungen NF-kappaB zur Seneszenzauslösung unter Chemotherapie beiträgt.

Die so gewonnenen genetischen Informationen verglichen die Forscher mit Daten von 223 Lymphompatienten, von denen sie wissen, welche Gene bei ihrer Erkrankung aktiv sind und wie der Krankheitsverlauf ist. „Wir haben bei unserem Vergleich eine klinisch bedeutsame Gruppe von Lymphompatienten ausfindig gemacht, bei denen hohe NF-kappaB-Aktivität einen günstigen Verlauf nach Chemotherapie voraussagt – ein durchaus überraschender Befund, der vermutlich auf den Zusammenhang von NF-kappaB und Seneszenzauslösung zurückzuführen ist“, sagte Prof. Schmitt. „Wir können jetzt sagen, dass wir künftig in klinischen Behandlungsstudien die Bedeutung hoher NF-kappaB-Aktivität besonders würdigen sollten.“

*Opposing roles of NF-kB in anti-cancertreatment outcome unveiled by cross-species Investigations
Hua Jing,1,5 Julia Kase,2,5 Jan R. Dörr,2 Maja Milanovic,2 Dido Lenze,3 Michael Grau,4 Gregor Beuster,1 Sujuan Ji,2 Maurice Reimann,2 Peter Lenz,4 Michael Hummel,3 Bernd Dörken,1,2 Georg Lenz,2 Claus Scheidereit,1 Clemens A. Schmitt,1,2,6 and Soyoung Lee2
1Max-Delbrück-Center for Molecular Medicine, 13125 Berlin, Germany; 2Department of Hematology, Oncology, and Tumor Immunology, Charité-Universitätsmedizin, Campus Virchow Clinic, Molekulares Krebsforschungszentrum, D-13353 Berlin, Germany; 3Department of Pathology, Charité-Universitätsmedizin, D-10117 Berlin, Germany; 4Department of Physics, Philipps-University Marburg, D-35032 Marburg, Germany

5These authors contributed equally to this work. 6Corresponding author.

Barbara Bachtler
Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
in der Helmholtz-Gemeinschaft
Robert-Rössle-Straße 10
13125 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 94 06 – 38 96
Fax: +49 (0) 30 94 06 – 38 33
e-mail: presse@mdc-berlin.de

Media Contact

Barbara Bachtler Max-Delbrück-Centrum

Weitere Informationen:

http://www.mdc-berlin.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer