Wichtig fürs Lernen: Protein stärkt Kontaktstellen von Nervenzellen

Kultivierte Nervenzelle (rot). Nach Stimulation hat sich Copine-6 (grün) an den zahlreichen Synapsen der Empfängerzelle angereichert. Universität Basel, Biozentrum

Das Gehirn ähnelt einem weit verzweigten Strassennetz. Dabei werden intensiv genutzte Verbindungen zwischen den Nervenzellen zu Autobahnen ausgebaut, kaum genutzte dagegen stillgelegt. Diese Fähigkeit ist grundlegend für das Lernen und Speichern von Wissen. Wie das Team von Prof. Markus Rüegg vom Biozentrum der Universität Basel nun erstmals zeigen konnte, sorgt das Protein Copine-6 für den Ausbau der Verbindungen. Indem es die Verknüpfungsstellen zwischen den Nervenzellen umbaut und verstärkt, können die Signale schneller und effizienter von einer Zelle zur nächsten weitergeleitet werden. Deshalb haben Mäuse, denen Copine-6 fehlt, grosse Mühe, Neues zu lernen.

Protein sorgt für starke Verbindungen

Das Protein Copine-6 wird vor allem in den Zellen des Hippocampus gebildet. Diese Hirnregion ist für das Lernen und die Gedächtnisbildung wichtig. Dabei spielen die Verknüpfungsstellen zwischen den Nervenzellen, die sogenannten Synapsen, eine entscheidende Rolle. Sie übertragen die Informationen von einer zur nächsten Nervenzelle. Eine Empfängerzelle trägt tausende solcher Verknüpfungsstellen und kann dadurch von verschiedenen Nachbarzellen aktiviert werden. Je intensiver eine solche Synapse genutzt wird, wie zum Beispiel beim Lernen, desto stärker wird die Verbindung und umso leichter kann die empfangende Nervenzelle aktiviert werden.

Lerndefizite, wenn Copine-6 fehlt

Die Forscher haben in ihrer Studie die Nervenzellen künstlich stimuliert und so das Einströmen von Kalzium ausgelöst – ein Vorgang, der für das Lernen die Initialzündung darstellt. Dadurch wandert Copine-6 in Richtung Synapse und bindet schliesslich mithilfe des Kalziums an die Zellmembran. Dies ist ausschlaggebend für das Umstrukturieren des Zellskeletts und den damit einhergehenden Umbau der Synapse. Die Kontaktfläche vergrössert sich, die Verbindung wird stärker und der Informationsfluss effektiver. «Dass Copine-6 das Lernverhalten wirklich beeinflusst, konnten wir an Mäusen beobachten, denen das Protein fehlte», sagt Judith Reinhard, Erstautorin der Studie. «In Lerntests schnitten sie viel schlechter ab als ihre normalen Artgenossen. Durch das Umstrukturieren optimiert Copine-6 die Reizweiterleitung an den Synapsen. Aus kleinen Strassen werden so Autobahnen, unser Gehirn bleibt dadurch anpassungs- und lernfähig.»

Bezug zu Krankheiten mit Lernstörungen möglich

Alzheimer, Autismus und das Fragile-X-Syndrom sind Krankheiten, bei denen die Lernfähigkeit beeinträchtigt ist. Copine-6 könnte dabei eine Rolle spielen, weil dieses Lernmolekül bestimmte Signalwege steuert, die bei diesen Krankheiten gestört sind. «Mit unserer Entdeckung, dass Copine-6 das Lernen und Gedächtnis direkt beeinflusst, gibt es einen neuen Akteur, der bei Lernstörungen eine Rolle spielen könnte», meint Rüegg. «In nächster Zeit möchten wir uns den anderen, noch relativ unbekannten Mitgliedern der Copine-Familie widmen und herausfinden, ob sie in anderen Hirnregionen ähnliche Aufgaben übernehmen wie Copine-6 im Hippocampus.»

Originalbeitrag
Judith R. Reinhard, Alexander Kriz, Milos Galic, Nico Angliker, Mathieu Rajalu, Kaspar E. Vogt and Markus A. Ruegg
The calcium sensor Copine-6 regulates spine structural plasticity and learning and memory
Nature Communications (2016), doi: 10.1038/ncomms11613

Weitere Auskünfte
Prof. Dr. Markus Rüegg, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 267 22 23, E-Mail: markus-a.ruegg@unibas.ch
Dr. Katrin Bühler, Universität Basel, Kommunikation Biozentrum, Tel. +41 61 267 09 74, E-Mail: katrin.buehler@unibas.ch

https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Wichtig-fuers-Lernen-Protein-…

Media Contact

Katrin Bühler Universität Basel

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer