Weniger Muskelkrämpfe nach Rückenmarkverletzungen

Verletzungen am Rückenmark lösen nebst Lähmungen auch oft unkontrollierte und schmerzhafte Muskelkrämpfe, so genannte Spasmen, aus. Forschende der Universität und der ETH Zürich zeigen nun, dass Ratten nach Behandlungen, die das Wachstum von Nervenfasern einleiten, nicht nur einen Teil ihrer Bewegungsfähigkeit wiedererlangen, sondern auch weniger Krämpfe erleiden.

Viele Patienten mit Rückenmarkverletzungen müssen Einbussen in ihrer Beweglichkeit und Empfindsamkeit in Kauf nehmen. Darüber hinaus stellen sich bei gut zwei Dritteln dieser Patienten im Verlaufe einiger Monate nach der Verletzung – aus bisher noch nicht bekannten Gründen – zum Teil schmerzhafte und unkontrollierte Muskelkrämpfe, so genannte Spasmen, ein. Sowohl die Intensität als auch die Häufigkeit dieser Spasmen verringern sich, wenn die Nervenfasern in Ratten nach einer Rückenmarkverletzung zum Wachstum angeregt werden, wie ein Forschungsteam um Martin Schwab vom Hirnforschungsinstitut der Universität Zürich nun in der Fachzeitschrift Annals of Neurology berichtet (*).

Hoffnung für Querschnittgelähmte
Als Schwab und sein Team vor 10 Jahren das Eiweiss Nogo-A entdeckten, rückte der Traum etwas näher, dass Querschnittgelähmte dereinst dem Rollstuhl entsteigen und wieder auf eigenen Füssen gehen können. Denn Nogo-A verhindert, dass Nervenfasern im Rückenmark nach Verletzungen wieder auswachsen. Dank Behandlungen mit einem Antikörper, der das Nogo-A ausser Gefecht setzt, haben gelähmte Ratten und Affen einen Teil ihrer Beweglichkeit wiedererlangt. Im Moment sind klinische Versuche mit am Rückenmark verletzten Patienten im Gange.
Zusätzliche positive Wirkung
In der neuen Studie kommt das Team um Schwab nun zum Schluss, dass diese Behandlungen zudem eine zweite positive Wirkung ausüben. Die Forschenden untersuchten, wie oft und wie stark sich am Rückenmark verletzte Ratten beim Schwimmen aufgrund eines Krampfes zusammenkrümmten. Während in den ersten Tagen nach der Verletzung nur wenige Tiere an leichten Spasmen litten, wurden bis vier Wochen nach der Verletzung drei Viertel der unbehandelten Tiere von immer stärkeren Krämpfen heimgesucht. Diese befielen aber nur einen Drittel der Ratten, die in dieser Zeit eine Behandlung mit dem Nogo-A-Antikörper erhielten. Auch ein tägliches Bewegungstraining auf dem Laufrad half den Ratten: Trainierte Ratten litten im Schnitt weniger an Muskelspasmen als untrainierte.
Ähnlichkeiten zwischen Ratte und Mensch
Die Spasmen bei der Ratte und beim Menschen ähneln sich in vielerlei Hinsicht: Sie treten erst einige Zeit nach der Rückenmarkverletzung auf, und zwar umso häufiger und intensiver, je kälter es ist. Ausserdem suchen die Krämpfe Mensch und Ratte vor allem am frühen Morgen und früh abends heim. Auch wenn die Resultate aus den Rattenversuchen nicht direkt auf den Menschen übertragbar sind, hoffen die Forschenden aufgrund der Ähnlichkeiten, dass die Behandlung mit dem Nogo-A Antikörper dereinst auch beim Menschen Muskelkrämpfe reduzieren und somit rückenmarkverletzten Patienten Linderung verschaffen kann.
(*)Roman Gonzenbach, Pascal Gasser, Björn Zörner, Eva Hochreutener, Volker Dietz, Martin Schwab (2010). Nogo-A antibodies and training reduce muscle spasms in spinal cord-injured rats. Annals of Neurology 68: 48-57.

(als PDF beim SNF erhältlich; E-Mail: pri@snf.ch)

Kontakt:
Prof. Martin E. Schwab
Institut für Hirnforschung
Universität Zürich
Winterthurerstrasse 190
CH-8057 Zürich
Tel.: +41 44 635 33 30
E-mail: schwab@hifo.uzh.ch

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