Weltweit seltene Gerätekombination an der FH Bielefeld

Peter Spieth (v.l.), Dr. Rieke Lohse und Prof. Dr. Anant Patel züchten derzeit die ersten Zellkulturen im neuen Mikrobioreaktor der FH Bielefeld. Berit Steinkröger

 „Mit diesem Gerät hätte ich die Versuche für meine Doktorarbeit in der Hälfte der Zeit herausarbeiten können“, sagt Dr. Rieke Lohse und guckt ein bisschen stolz zu einem großen Glasschrank im Labor für Mikrobiologie der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Dort steht seit ein paar Tagen ein so genannter Mikrobioreaktor, integriert in einen Pipettierroboter, genauer der BioLector® Pro mit RoboLector® der m2p-labs-GmbH.

Damit können die Wissenschaftler nun zum Beispiel Bakterien, Pilze oder Pflanzenzellkulturen unter idealen Bedingungen züchten. „Der Mikrobioreaktor misst verschiedene Parameter wie den pH-Wert oder die Temperatur und bessert mithilfe des Pipettierroboters bei Abweichungen eigenständig nach“, erklärt Prof. Dr. Anant Patel, Leiter der Arbeitsgruppe „Fermentation und Formulierung von Zellen und Wirkstoffen“. Denn eigentlich sind es zwei Geräte, die zu einem zusammengefügt wurden. Die FH Bielefeld ist weltweit eine von wenigen Hochschulen und Firmen, die diese innovative Gerätekombination besitzen.

Vor zwei Jahren hatten die Wissenschaftler des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik den Antrag für das vollautomatische Mikrobioreaktorsystem gestellt. Im November 2014 war es im Rahmen des Förderprogrammes „FHInvest“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bewilligt worden. 20 Prozent des Geldes kommen zudem vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW. Doch die Lieferung verschob sich immer wieder. Umso glücklicher ist die Arbeitsgruppe nun, dass der Biolector endlich in ihrem Labor steht.

„Erste Tests mit Hefe haben wir bereits gemacht, und die Ergebnisse sind sehr überzeugend“, sagt Rieke Lohse. Hefe sei deshalb benutzt worden, weil hier, wie bei Bakterien, die Kultivierungsprozesse relativ schnell ablaufen. „Dabei hat man das gewünschte Wachstum meist schon nach zwei Tagen, während es bei Pflanzenzellkulturen ein bis zwei Monate dauert. Sie wachsen einfach langsamer“, so Lohse.

Gerade auch dabei helfe die neue Gerätekombination den Forschern, weil sie zum Testen ihrer Proben nicht mehr selbst die Pipette in die Kulturen halten müssen. „Dabei besteht die Gefahr einer Kontamination. Das ist natürlich bei Proben, die bereits mehrere Monate gewachsen sind, besonders ärgerlich, wenn man wieder von vorne beginnen muss“, erklärt Lohse.

Derzeit wird das Gerät vor allem für die Entwicklung eines Kultivierungsverfahrens zur Produktion eines neuartigen Bioinsektizids verwendet. Hierfür stellen die Forscher derzeit Pflanzenzellkulturen her und isolieren Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien, Endophyten genannt, aus dem Inneren des indischen Niembaums.

„In der Natur produziert dieser spezielle Baum Stoffe, die auf Insekten fraß- und reproduktionshemmend wirken“, meint Prof. Dr. Anant Patel. Die Pflanzenzellkulturen und Endophyten werden mittels komplexer Analyseverfahren auf eine mögliche Insektizidproduktion hin untersucht. Anschließend wird die Insektizidausbeute durch eine Optimierung des Kultivierungsverfahrens im neuen Mikrobioreaktorsystem gesteigert.

Im weiteren Verlauf des Projektes soll das optimierte Kultivierungsverfahren in Kooperation mit einem Unternehmen auf einen größeren Rührkesselreaktor, auch Fermenter genannt, im Labor- und Technikumsmaßstab übertragen werden, so dass es zum Projektende vielleicht möglich ist, das Bioinsektizid ohne das ursprüngliche Pflanzenmaterial zu produzieren.

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Detlev Grewe-König idw - Informationsdienst Wissenschaft

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