Weibliche Vorliebe beeinflusst männliche Maße

Vor den Augen von weiblichen Zahnkärpflingen, einer in Mexiko beheimateten Fischart, finden vor allem große Männchen Gnade. Doch wie verhält es sich, wenn die weiblichen Fische die Bewerber gar nicht sehen können, weil sie in dunklen Höhlen leben? Darauf gibt die Evolution zwei unterschiedliche Antworten, wie der Biologe Dr. Martin Plath von der Universität Potsdam herausfand.

Zahnkärpflinge leben normalerweise in oberirdischen Flüssen und Seen. Weibchen dieser lebend gebärenden Art haben eine angeborene Vorliebe für große Männchen als Vater für ihre Nachkommen. Die Forscher vermuten, dass gutes Wachstum für sie ein Indikator für gute Gene ist. Diese sexuelle Selektion führt dazu, dass die Männchen größer werden. Allerdings haben große Männchen auch Nachteile: Sie können sich erst später als ihre kleineren Artgenossen fortpflanzen, da die Fische erst nach Abschluss ihres Wachstums geschlechtsreif werden. Zudem fangen die Fraßfeinde der Fische, wie beispielsweise Reiher und größere Buntbarsche, bevorzugt große Exemplare.
Diese natürliche Selektion wirkt also der sexuellen Selektion entgegen. Aus dem Kräftespiel dieser beiden gegensätzlich wirkenden Mechanismen ergibt sich zum einen eine obere Grenze für das Größenwachstum der Männchen. Zum anderen führt es dazu, dass sowohl große als auch kleinere männliche Fische innerhalb einer Population vorkommen, da beide „Strategien“ Vorteile haben.

Biologen haben nun auch in zwei Höhlen Populationen von Zahnkärpflingen entdeckt, die sich seit unbestimmter Zeit unabhängig voneinander und von ihren oberirdischen Vorfahren entwickelt haben. Martin Plath und seine Kollegen haben diese Tiere näher untersucht. Dabei stellten sie überrascht fest, dass es zwar in der ersten Höhle sowohl größere als auch kleinere Männchen gab, in der zweiten Höhle aber ausschließlich kleine Männchen.

Die Forscher gehen davon aus, dass die Fischweibchen in der ersten Höhle einen Weg gefunden haben, trotz der Finsternis die Größe von Vaterschaftsbewerbern zu erkennen. Dafür nutzen sie, so die These der Biologen, das für Fische typische Seitenlinienorgan. Es registriert Druckschwankungen, die entstehen, wenn die von den Flossen verursachten Wellen an Objekten reflektierte werden. Ähnlich wie das Echolot der Fledermäuse liefert das Seitenlinienorgan den Fischen Hinweise auf die Beschaffenheit ihre Umgebung.

Die Weibchen haben offenbar gelernt, mithilfe dieses Sinnesorgans Rückschlüsse auf die Größe männlicher Artgenossen zu ziehen. Ein unterschiedlicher Geruch der großen und kleinen Männchen könnte ihnen zusätzliche Hinweise liefern.

Durch diese noch näher zu erforschenden Fähigkeiten der Weibchen blieb der Selektionsdruck auf die Männchen, größer zu werden, in einer der beiden Höhlen erhalten.

Anders dagegen in der zweiten Höhle. Hier haben die Weibchen nicht die Fähigkeit entwickelt, über andere Sinneskanäle die Größe von Männchen feststellen. In dieser Höhle hat Körpergröße also keinen Vorteil für Männchen, sondern nur Nachteile.

Vom Druck des weiblichen Geschmacks befreit, sind deshalb alle Männchen in dieser Höhle klein. Zusammen mit seinen Kollegen Michael Tobler, Texas A&M University und Ingo Schlupp, University of Oklahoma, konnte Martin Plath nachweisen, dass tatsächlich die fehlende Möglichkeit, Größe wahrzunehmen, dafür verantwortlichen war und dass nicht etwa die Weibchen ihren Geschmack geändert hatten. Bei Tests in seinem beleuchteten Labor standen eindeutig wieder die großen Männchen in der Gunst der Höhlenweibchen. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich im Fachmagazin Biology Letters (10.1098/rsbl.2008.0259) vorab online veröffentlicht.

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