Was Pflanzen zu Fleischfressern macht

Ein Insekt auf der Klappfalle einer Venusfliegenfalle. Deutlich erkennbar sind die Sinneshaare, die das Schließen der Falle auslösen. (Foto: Sönke Scherzer)

Fleischfressende Pflanzen wie die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) wachsen an extrem nährstoffarmen Standorten. Um dort überleben zu können, haben sie sich im Lauf der Evolution spezialisiert: Sie besorgen sich eine Zusatzernährung in Form von Tieren.

Die Venusfliegenfalle fängt ihre Beute mit Blättern, die zu Klappfallen umgebildet sind. Berühren Insekten spezielle Sinneshaare auf der Falle, klappt diese blitzschnell zu und wandelt sich in eine Art grünen Magen um: Drüsen geben ein salzsäurehaltiges Gemisch aus Verdauungsenzymen ab, und aus der Beute werden neben Nährstoffen auch Minerale wie Kalzium, Magnesium und Kalium freigesetzt. Über ihre Drüsen verleibt sich die Pflanze diese Zusatzmahlzeit dann ein.

PNAS-Publikation eines internationalen Teams

Besonders Kalium ist lebenswichtig für Pflanzen. Fleischfressende Gewächse brauchen es auch dringend für den Betrieb ihrer Fallen. Wie effizient die Venusfliegenfalle sich das Kalium aus ihren Beutetieren holt, hat jetzt ein internationales Forschungsteam herausgefunden. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin PNAS veröffentlicht.

Beteiligt an der Publikation sind die Gruppen des Würzburger Biophysikers Professor Rainer Hedrich und des Göttinger Neurowissenschaftlers und Nobelpreisträgers Professor Erwin Neher. Sie haben dafür mit den Professoren Sergey Shabala (Australien), Heinz Rennenberg (Freiburg) und Khaled Al-Rasheid (Saudi Arabien) zusammengearbeitet.

Konzertierte Aktion zweier Kaliumtransporter

Erste Erkenntnis: Die Drüsen in der Klappfalle können nur dann Kalium aufnehmen, wenn zuvor tatsächlich auch ein Insekt gefangen wurde. Als nächstes analysierten die Forscher die Gene, die für die Aufnahme von Kalium aktiviert werden. Es stellte sich heraus, dass zwei Kaliumtransporter und ein Enzym, eine Proteinkinase, hochgefahren werden. Genau diese drei werden auch bei „normalen“, also nicht-fleischfressenden Pflanzen mit der Kaliumaufnahme in der Wurzel in Verbindung gebracht.

Und so sieht das Zusammenspiel der drei Akteure aus: Das Enzym aktiviert die beiden Kaliumtransporter, die in einer konzertierten Aktion das gesamte Kalium aus der Beute in die Pflanze schaffen. Zuerst senkt der Transporter DmAKT1 den Kaliumspiegel im Magen der Venusfliegenfalle drastisch ab, dann erledigt der Transporter DmHAK5 die Feinarbeit. „Er hat eine beträchtliche Pumpkraft und kann auch dann noch Kalium in die Drüsenzellen verfrachten, wenn die Kaliumkonzentration dort schon sehr hoch ist“, erklärt Hedrichs Assistent Sönke Scherzer.

Auf der Suche nach dem Kaliumsensor

Was die Forscher als nächstes herausfinden wollen: Wie merken die Kalium-Aufnahmesysteme der Venusfliegenfalle, dass eine kaliumreiche Beute in der Falle sitzt? Dazu Hedrich: „Wir haben erste Hinweise darauf, dass nicht erst das aus der Beute freigesetzte Kalium, sondern schon die Berührung der Sinneshaare die Neusynthese der Transporter einleitet.“

Zu prüfen bleibt außerdem: Wie wird die Kaliumkonzentration im grünen Magen gemessen? Wie bekommt die Proteinkinase signalisiert, dass sie die beiden Transporter anschalten muss? Dieser noch zu identifizierende Kaliumsensor müsste die Kaliumaufnahmesysteme auch wieder abschalten, wenn der Magen kaliumleer ist, vermutet Hedrich: Dann öffnet sich die Falle wieder und ist bereit für den nächsten Fang.

Förderung vom Europäischen Forschungsrat

Hedrich treibt die Erforschung der Venusfliegenfalle und anderer fleischfressender Pflanzen mit einer hochkarätigen Förderung voran: Im Jahr 2010 hat der Europäische Forschungsrat (ERC) dem Würzburger Pflanzenwissenschaftler dafür einen „Advanced Grant“ über 2,5 Millionen Euro bewilligt. Im ERC-Projekt „Carnivorom“ ist Hedrichs Team den Genen auf der Spur, die Pflanzen zu Fleischfressern machen.

Calcium sensor kinase activates potassium uptake systems in gland cells of Venus flytraps, Sönke Scherzer, Jennifer Böhm, Elzbieta Krol, Lana Shabala, Ines Kreuzer, Christina Larisch, Felix Bemm, Khaled A.S. Al-Rasheid, Sergey Shabala, Heinz Rennenberg, Erwin Neher, Rainer Hedrich. PNAS Early Edition, 21. Mai 2015, DOI: 10.1073/pnas.1507810112

Kontakt

Prof. Dr. Rainer Hedrich, Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik der Universität Würzburg, T (0931) 31-86100, hedrich@botanik.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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