Warum Vögel keine Ohrmuscheln brauchen

Die Bilder zeigen, wie bei Huhn, Ente und Krähe die Lautstärke am rechten Ohr bei Geräuschen aus verschiedenen Richtungen variiert. Schnyder HA, Vanderelst D, Bartenstein S, Firzlaff U, Luksch H (2014) The Avian Head Induces Cues for Sound Localization in Elevation. PLoS ONE 9(11): e112178. doi:10.1371/journal.pone.0112178

Es ist Frühjahr, zwei Amseln singen um die Wette. Sie buhlen um die Gunst eines Weibchens. Welchen der beiden Amselmänner wird es erhören? Dafür muss das Weibchen seinen Wunschpartner erst einmal orten können.

„Da Vögel keine Außenohren haben, dachte man lange, dass sie Laute aus unterschiedlichen Höhen nicht unterscheiden können“, erklärt Hans A. Schnyder vom TUM-Lehrstuhl für Zoologie. „Allerdings sollte eine weibliche Amsel 'ihr' Männchen auch dann finden, wenn dieses direkt über ihr trällert.“

Säugetiere identifizieren vertikale Geräuschquellen mit ihren Außenohren: Deren besonderer Aufbau schluckt die Schallwellen, reflektiert oder beugt sie. Aus diesen Informationen leitet das Gehör ab, aus welcher Höhe ein Laut kommt. Doch wie nehmen Vögel diese Unterschiede wahr?

Der Kopf ersetzt die Außenohren

Durch Untersuchungen an drei Vogelarten – Krähe, Ente und Huhn – fand Schnyder heraus, dass auch Vögel Schall aus verschiedenen Höhenwinkeln identifizieren können. Offenbar verändert ihr leicht oval geformter Kopf Schallwellen in ähnlicher Weise wie Ohrmuscheln.

„Am Trommelfell der Vögel haben wir die Lautstärke von Tönen aus unterschiedlichen Höhenrichtungen gemessen“, berichtet Schnyder. Alle Geräuschquellen, die auf derselben Seite wie das Ohr liegen, sind ähnlich laut, egal aus welcher Höhe sie kommen. Das Ohr auf der gegenüberliegenden Seite des Kopfes registriert Höhenunterschiede dagegen viel genauer – in Form unterschiedlicher Lautstärken.

Unterschiedliche Lautstärken verraten Geräuschquellen

Dafür verantwortlich ist die Kopfform der Vögel. Je nach dem wo Schallwellen am Kopf auftreffen, werden sie zurückgeworfen, geschluckt oder abgelenkt. Wie die Wissenschaftler herausfanden, schattet der Kopf den Schall aus bestimmten Richtungen komplett ab. Andere Schallwellen wandern über den Kopf und lösen eine Reaktion am gegenüberliegenden Ohr aus.

Ob ein Geräusch von oben oder unten kommt, errechnet das Gehirn aus den unterschiedlichen Lautstärken an beiden Ohren. „Somit können Vögel erkennen, wo genau sich eine seitlich gelegene Schallquelle befindet – zum Beispiel auf Augenhöhe“, führt Schnyder aus. „Das System ist äußerst genau: Am besten können Vögel seitliche Geräusche in einem Höhenwinkel von – 30 bis + 30 Grad orten.“

Zusammenspiel von Hören und Sehen verbessert Orientierung

Warum haben Vögel das vertikale Hören entwickelt? Bei den meisten Vögeln sitzen die Augen seitlich, sie haben damit ein Sehfeld von nahezu 360 Grad. Da sie zusätzlich darauf spezialisiert sind, seitliche Geräusche aus unterschiedlichen Höhen zu verarbeiten, ergänzen sich die Informationen von Hör- und Sehsinn in idealer Weise – eine wichtige Fähigkeit für Vögel, die als Beutetiere gejagt werden.

Einige Greifvögel wie die Schleiereule haben eine völlig andere Strategie entwickelt. Die Eulenart jagt im Dunklen, wie beim Menschen sind ihre Augen nach vorn gerichtet. Ihr Federschleier im Gesicht modifiziert Laute in ähnlicher Weise wie Außenohren. Im Gegensatz zu den von Schnyder untersuchten Vogelarten hört die Eule frontale Geräusche am besten.

So fügen sich auch bei ihr die Informationen aus Hör- und Sehsinn optimal zusammen, wie frühere Untersuchungen gezeigt haben. „Unsere aktuellen Ergebnisse weisen in die gleiche Richtung: Offenbar ist der Einklang von Sehen und Hören ein wichtiges Prinzip in der Evolution der Tiere“, so Schnyder abschließend.

Publikation:
The Avian Head Induces Cues for Sound Localization in Elevation;
Hans A. Schnyder, Dieter Vanderelst, Sophia Bartenstein, Uwe Firzlaff and Harald Luksch; PLOS ONE, November 2014, DOI: 10.1371/journal.pone.0112178, http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0112178

Mehr Informationen:

Interview mit Hans A. Schnyder: http://youtu.be/ZlkxQTqt3m8
Bildmaterial: http://go.tum.de/069105

Kontakt:
Technische Universität München
Lehrstuhl für Zoologie
zoologie.wzw.tum.de

Hans A. Schnyder
Tel.: +49 8161 71-2806
hansa.schnyder@tum.de

Prof. Dr. Harald Luksch
Tel.: +49 8161 71-2801
harald.luksch@wzw.tum.de

Weitere Informationen:

http://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/kurz/article/32029/

Media Contact

Dr. Ulrich Marsch Technische Universität München

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