Von der Stammzelle zur Leberzelle

Unterschiede mit dem Auge kaum erkennbar: Links menschliche Leberzellen – rechts aus Stammzellen gezüchtete, hepatozytenähnliche Zellen. @IfADo/University Edinburgh 2015

Stammzellen haben die Fähigkeit, sich in jede beliebige Zelle des Körpers zu verwandeln – in Haut-, Nerven- oder Organzellen, wie beispielsweise Leberzellen, auch Hepatozyten genannt. Die Erforschung der Leber ist ein zentrales Thema am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund.

Die IfADo-Forscher arbeiten an Methoden, um induzierte pluripotente Stammzellen, die aus menschlichen Hautzellen gewonnen werden können, im Labor so zu programmieren, dass sie in Aufbau und Funktion den Hepatozyten entsprechen.

Ein in mehrfacher Hinsicht relevantes Vorhaben: Denn die Leber agiert als das zentrale Stoffwechselorgan in unserem Körper und ist daher besonders in der Toxikologie und der pharmazeutischen Industrie von Bedeutung.

So können beim Abbau von Medikamenten durch die Leber beispielsweise reaktive Zwischenprodukte entstehen, die das Gewebe schwer schädigen. Um gesundheitlich Risiken auszuschließen und genau zu bestimmen, wie die Medikamente wirken, werden Tierversuche durchgeführt. Da diese Experimente auf ein Minimum beschränkt werden sollen und sich die Bedingungen im Tier von denen im menschlichen Organismus unterscheiden, eignen sich am besten menschliche Leberzellen für toxikologische Tests. Diese Zellen sind aber kaum verfügbar, da sie nur aus chirurgisch entfernten Lebern isoliert werden können.

Um verlässliche Alternativen zu finden, startet am IfADo nun ein breit angelegtes Forschungsprojekt in Kooperation mit Forschern der Universität Saarbrücken, der Berliner Charité, der TU Dortmund sowie Experten aus Großbritannien und Schweden. Das Ziel: Das Gennetzwerk zu entschlüsseln, das die Weiterentwicklung der Stammzellen kontrolliert, und dieses Wissen anschließend zu nutzen, um Leberzellen im Labor zu züchten.

Das Know-how ist dar: 2015 ist es dem Team um IfADo-Forscher Dr. Patricio Godoy gelungen, auf Basis von Genanalysen und mittels mathematischer Modelle eine Blaupause für die Stammzelldifferenzierung von Leberzellen zu erstellen. Der systematische Vergleich von menschlichen Hepatozyten, Stammzellen und im Labor weiterentwickelten Stammzellen zeigt im Detail, wie groß die genetischen Unterschiede zwischen den Zelltypen jeweils sind und wo sie liegen.

So ergab die Gegenüberstellung beispielsweise, dass manche Gengruppen der verschiedenen, aus Stammzellen gezüchteten hepatozytenähnlichen Zellen den echten Leberzellen hinsichtlich der Proteinbildung ähneln. Andere Gengruppen entsprechen allerdings mehr den Funktionen von Darmzellen oder Stammzellen.

Der Zellvergleich macht somit deutlich, welche Parameter auf dem Weg von der Stammzelle zur Leberzelle weiter optimiert werden müssten. Hier setzen die Forscher nun an: Sie testen verschiedene Methoden, um z.B. die unerwünschte Ausbildung von Stammzell- oder Darmeigenschaften zu unterdrücken und gleichzeitig die Expression bestimmter Gene zu forcieren, um Leberzellen zu entsprechen. Unter anderem arbeiten die Wissenschaftler dabei mit der Gen-Editing-Technologie CRISPR/Cas.

„Die hepatozytenähnlichen Zellen gleichen bisher zu maximal 68 Prozent echten Leberzellen. Unser Projektziel ist es, die Differenzierung der Stammzellen in Hepatozyten noch weiter zu verbessern“, sagt IfADo-Forscher Godoy. Im Anschluss sollen in vitro Testsysteme entwickelt werden. Mit diesen soll es möglich sein, im großen Maßstab Leberzellen zu züchten. „Diese Technologie könnte Tierversuche aus der Toxikologie verdrängen und eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der Stammzelltherapie einnehmen“, so Godoy. Das Projekt „StemNet“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit knapp einer Millionen Euro gefördert. Das dreijährige Projekt startet im Februar 2017.

http://www.ifado.de/toxikologie/2015/06/03/blaupause-fuer-die-stammzelldifferenz… Blaupause für die Stammzelldifferenzierung
http://www.ifado.de/blog/2017/01/04/forschungsprojekt-von-der-stammzelle-zur-leb… Kontaktdaten

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Eva Mühle idw - Informationsdienst Wissenschaft

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