Verwandtschaft verpflichtet – Jagdhunde und Wölfe teilen sich ihre Parasiten

Wolf (Canis lupus) Heiko Anders

Seit Beginn der 1990er Jahre breitet sich der Grauwolf wieder in Deutschland und Mitteleuropa aus. Diese Wiederbesiedlung weckt viele Fragen rund um den großen Beutegreifer und dessen Einfluss auf seine Umwelt.

Berliner WissenschaftlerInnen des Leibniz-IZW haben jetzt herausgefunden, dass die Anwesenheit von Wölfen die Parasitenlast bei ihrem nächsten Verwandten, dem Haushund, wenig beeinflussen. Die ForscherInnen verglichen hierfür Jagdhunde aus ostdeutschen Gebieten, wo Wölfe seit Anfang des Jahres 2000 wieder heimisch sind, mit Jagdhunden aus dem Norden der Bundesrepublik, wo es zum Zeitpunkt der Untersuchungen keine ansässigen Wolfsrudel gab.

„Anders als Begleithunde eignen sich Jagdhunde besonders gut für diesen Vergleich, da sie, wie auch der Wolf, bei der Jagd die Wälder durchstöbern und Zugang zu Wildresten haben“, erklärt Ines Lesniak, Doktorandin am Leibniz-IZW.

„Im Fokus der Untersuchung standen die Parasiten der inneren Organe, sogenannte Endoparasiten, die sich im Kot des Wirts nachweisen lassen.“ Dank einer Vorläuferstudie* war bekannt, welches Spektrum an Endoparasiten bei Grauwölfen in Deutschland vorkommt. Wie zuvor bei den Wölfen wiesen die WissenschaftlerInnen auch bei Jagdhunden parasitäre Würmer und eine Vielzahl einzelliger Darmparasiten aus der Gruppe der Sarcocystis-Arten genetisch nach.

Sowohl die Befallsrate als auch die Artenvielfalt von Würmern und Sarcocystis-Arten unterschieden sich nicht zwischen den Jagdhunden in den wolfsfreien und vom Wolf besiedelten Studiengebieten. Das Parasitenspektrum von Jagdhund und Wolf überlappte sich sehr stark, was darauf hindeutet, dass der Hund den Wolf in dessen Abwesenheit als geeigneten Endwirt für die Parasiten ersetzt haben könnte.

Eine einzige als „Wolfsspezialist“ bekannte Sarcocystis-Art (Sarcocystis grueneri) trat häufiger bei Jagdhunden in Wolfsgebieten auf als bei Jagdhunden in wolfsfreien Gebieten. Wie viele Bandwürmer haben diese Einzeller einen Lebenszyklus, in dem Fleischfresser wie Hunde oder Wölfe als Endwirt fungieren und deren Beutetiere wie Rehe und Hirsche die Zwischenwirte sind.

„Natürlich werden Hunde, anders als Wildtiere, regelmäßig entwurmt. So auch die Jagdhunde, die an unserer Studie teilgenommen haben“, betont Lesniak. „Solche Präparate wirken jedoch nicht gegen einzellige Parasiten wie Sarcocystis.“ Daher vermuten die ForscherInnen, dass die hohe Infektionswahrscheinlichkeit der Jagdhunde, über 60 Prozent mit verschiedenen Sarcocystis-Arten in beiden Studiengebieten, durch die übliche Fütterung mit rohem Wildfleisch oder Schlachtabfällen verursacht wird. „Es liegt also in der Hand der Hundebesitzer“, so Lesniak.

„Viele der Studienteilnehmer zeigten bereits großes Verantwortungsbewusstsein, indem sie ihre Hunde regelmäßig, am besten mehrmals im Jahr, entwurmen.“ Die offizielle Empfehlung des europäischen wissenschaftlichen Beirats für Haustierparasiten (ESSCAP) ist eine monatliche Anwendung bei Risikogruppen wie Jagdhunden. Wenn Wurmkuren häufig angewendet werden, haben parasitäre Würmer nicht die Möglichkeit sich im Wirt fortzupflanzen und Eier zu produzieren, was das gesundheitliche Wohl des Jagdhundes garantiert.

„Die Hundebesitzer können aber auch durch die achtsame Fütterung von Fleischresten die Parasitenlast ihrer Hunde senken, indem sie das Fleisch kurz abkochen. Diese einfache Vorsichtsmaßnahme inaktiviert jegliche Parasiten – vom Einzeller bis zur Bandwurmzyste – sowie andere Krankheitserreger, die im Fleisch stecken könnten.“

Nach Einschätzung des Leibniz-IZW spielen Wölfe bei der Ausscheidung und Verbreitung der Parasiten eine untergeordnete Rolle. „Die Anzahl der Wölfe in Deutschland ist im Vergleich zu anderen wilden Fleischfressern wie Füchsen oder Marderhunden, die ebenfalls als Wirte für die beschriebenen Parasiten in Frage kommen, aber eben auch im Vergleich zur Anzahl der Jagdhunde, verschwindend gering“, kommentiert Dr. Oliver Krone, Seniorautor der Studie.

Die Hundebesitzer in Deutschland können sich freuen: Keine der bei Jagdhunden nachgewiesenen Parasitenarten birgt ein übermäßiges Gesundheitsrisiko für den Menschen, egal ob die Hunde im Wolfsgebiet oder im wolfsfreien Gebiet leben. Die regelmäßige Behandlung mit Wurmkuren und die Fütterung abgekochter Fleischreste sind einfache, aber effektive Maßnahmen zum Erhalt der Gesundheit des Jagdhundes. Die Leibniz-IZW Studie zeigt, dass die mit der Rückkehr des Wolfes verbundenen Befürchtungen in Bezug auf Krankheiterreger gegenwärtig unbegründet sind.

Publikationen:
Lesniak I, Heckmann I, Franz M, Greenwood AD, Hofer H, Krone K (2017): Surrogate hosts: hunting dogs and recolonizing grey wolves share their endoparasites. International Journal for Parasitology: Parasites and Wildlife 6, 278-286. Doi:10.1016/j.ijppaw.2017.09.001.

*Lesniak I, Heckmann I, Heitlinger E, Szentiks CA, Nowak C, Harms V, Jarausch A, Reinhardt I, Kluth G, Hofer H, Krone O (2017): Population expansion and individual age affect endoparasite richness and diversity in a recolonising large carnivore population. Scientific Reports 7, 41730. DOI: 10.1038/srep41730.

Kontakt:
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Straße 17
10315 Berlin

Dr. Ines Lesniak
lesniak@izw-berlin.de

Presse- und Kommunikation
Steven Seet
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Mobil 0177 / 857 26 73
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