Training der Finger verbessert Tastsinn von Wangen und Lippen

Das berichtet PD Dr. Hubert Dinse vom Institut für Neuroinformatik der Ruhr-Universität gemeinsam mit französischen Kollegen aus Lyon in der Zeitschrift „Current Biology“.

Erstmals wiesen die Forscher nach, dass Lerneffekte, die von einem Körperteil auf einen anderen transferieren, nicht nur nach Amputation auftreten können, sondern auch durch verstärktes Training.

Benachbarte Hautbereiche sind im Gehirn nebeneinander repräsentiert

Sinneseindrücke von benachbarten Hautregionen verarbeitet das Gehirn in benachbarten Bereichen; es enthält eine vollständige Repräsentation des Körpers, den sogenannten Homunkulus.

Eine Ausnahme der Nachbarschaftsregel ist die Grenze zwischen Fingern und Gesicht. Obwohl sie im Körper weit voneinander entfernt liegen, sind sie im Gehirn direkt nebeneinander repräsentiert – der Grund für die beobachteten Effekte.

Passive Stimulation verbessert den Tastsinn

Um den Tastsinn empfindlicher zu machen, stimulierten die Forscher die Spitze des rechten Zeigefingers drei Stunden lang mit einer vibrierenden Membran. In vorangegangenen Arbeiten hatte die Gruppe von Hubert Dinse bereits gezeigt, dass passives Training die Sinnesleistung verbessert (http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2013/pm00292.html.de).

Nach der Stimulation konnten die Probanden zwei nebeneinanderliegende Reize mit dem trainierten Finger leichter auseinanderhalten als mit den nicht stimulierten Fingern. Die Tastschärfe der Lippen und der rechten Wange steigerte sich auf gleiche Weise.

Ähnlicher Effekt wie nach Amputation

Nach Handamputationen tritt ein ähnliches Phänomen auf. Die Gehirnregion, die zuvor Sinneseindrücke der Hand repräsentierte und nun arbeitslos ist, erhält „überschwappenden“ Input aus der benachbarten Gesichtsregion.

Nach einer Weile verarbeiten alle Zellen im früheren Handareal Sinneseindrücke aus dem Gesichtsbereich. Hubert Dinses Team und Forscher vom Neuroscience Research Center in Lyon zeigten erstmals, dass dieser „Cross Border“-Transfer auch ohne Verletzung eintreten kann, nämlich wenn man die Nervenzellen in einem Bereich verstärkt stimuliert.

„Physische Gegebenheiten wie die Entfernung zwischen Hand und Gesicht sind dabei irrelevant“, sagt Hubert Dinse.

Förderung

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Studien, unter anderem im Rahmen des Bochumer SFB 874 „Integration und Repräsentation sensorischer Prozesse“. Die McDonnell Foundation unterstützte das Team in Lyon.

Titelaufnahme

D. Muret, H.R. Dinse, S. Macchione, C. Urquizar, A. Farnè, K.T. Reilly (2014): Touch improvement at the hand transfers to the face, Current Biology, DOI: 10.1016/j.cub.2014.07.021

Weitere Informationen

PD Dr. Hubert Dinse, Institut für Neuroinformatik der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-25565, E-Mail: hubert.dinse@ini.rub.de

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RUBIN-Artikel: Hirnstimulation mit Fingerspitzengefühl
http://rubin.rub.de/de/hirnstimulation-mit-fingerspitzengefuehl

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