Wenn Therapie eine Typfrage ist – Nanotherapie kann Leberentzündung gezielt unterdrücken

Ein zentraler Akteur der Entzündungsreaktion ist bereits bekannt: Der Transkriptionsfaktor NF-kB reguliert die Aktivität bestimmter Gene, so dass Entzündungsfaktoren produziert werden. „Dieses Molekül ist eine äußerst attraktive Zielstruktur für Wirkstoffe, die potent gegen Leberentzündungen vorgehen“, berichtet die LMU-Pharmazeutin Professor Angelika Vollmar.

„Einen Haken gibt es aber: NF-kB wird in zwei Typen von Leberzellen produziert. Die Hepatozyten schützt er vor Schädigung und Zelltod und ist damit wichtig für das Überleben des ganzen Organs. Zu Entzündungen führt er nur in den Kupfferzellen, wo er selektiv blockiert werden sollte.“ Einem Team um Vollmar ist eben dies nun erstmals im Tiermodell gelungen, wie online in der renommierten Gastroenterologie-Fachzeitschrift GUT berichtet.

Die Forscher banden kleine Moleküle, die NF-kB abfangen können, an winzige Nanopartikel, die selektiv nur von Kupfferzellen aufgenommen werden. „Im Tiermodell konnten wir akute Leberentzündungen sehr spezifisch hemmen“, sagt Vollmar. „Zudem erlaubt uns dieser Ansatz, die molekularen Entzündungsmechanismen besser zu untersuchen – möglicherweise auch ihre Rolle bei der Entstehung von Lebertumoren.“ (GUT online, 26. Mai 2009)

Transkriptionsfaktoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulation der Genaktivität. NF-kB ist einer der wichtigsten Vertreter und kommt in nahezu allen Zelltypen vor. Damit aber beeinflusst das Molekül auch eine Vielzahl verschiedener zellulärer Prozesse, etwa bei der Immunabwehr des Körpers und auch beim gezielten Untergang von Zellen. Auch für die Entstehung von Entzündungen ist NF-kB essentiell. In den immunologisch aktiven Kupfferzellen der Leber, einem Typ von Makrophagen, kann dies allerdings gefährliche Konsequenzen haben. Denn hier kann die Entzündung ein lebensbedrohliches akutes Leberversagen auslösen.

Die akute Entzündungsreaktion der Kupfferzellen kann mit Hilfe generell wirkender Medikamente im Prinzip behandelt werden. Dann wird NF-kB aber auch in den Leberparenchymzellen, den sogenannten Hepatocyten, gehemmt. Diesen Zelltyp schützt der Transkriptionsfaktor jedoch vor Schädigung und vor dem Zelltod. Eine anti-entzündliche Therapie würde diese Schutzwirkung – und damit das Überleben und die Regeneration der ganzen Leber – gefährden. „Gewünscht ist deshalb eine selektive Wirkung gegen NF-kB in den Kupfferzellen, die sich nicht auf die Hepatocyten auswirkt“, sagt Professor Angelika Vollmar vom „Center for Drug Research“ am Department für Pharmazie der LMU. „Bislang war das technisch nicht möglich.“

Unter der Leitung Vollmars ist einem Team von LMU-Forschern, dem auch Professor Gerhard Winter, Privatdozent Dr. Conrad Coester, Pharmazeutische Technologie, und Professor Alexander Gerbes von der Medizinischen Klinik 2 des Klinikums der Universität München angehören, nun eine derart spezifische Blockade gelungen. „Wir haben kleine NF-kB-Hemmer an Gelatine-Nanopartikel gebunden“, berichtet Vollmar. „Diese nur Millionstel Millimeter großen Vehikel werden von den Kupfferzellen, nicht aber von den Hepatocyten aufgenommen.“ Entsprechend selektiv wurde NF-kB auch nur am gewünschten Zielort gehemmt: Im Tiermodell wurden so unter unterschiedlichen Bedingungen schwere Leberschäden verhindert.

„Dieser Ansatz liefert uns aber nicht nur eine effiziente und nebenwirkungsarme Therapie zur spezifischen Hemmung von NF-kB in den Kupfferzellen“, meint Vollmar. „Die Nanopartikel haben sich auch als nützliches chemisches Werkzeug erwiesen, um die komplexen Mechanismen einer Leberentzündung besser zu verstehen. So konnten wir beispielsweise zeigen, dass die Rolle von NF-kB bei einer Leberentzündung nicht nur vom Zelltyp abhängt, sondern auch vom Stimulus, der die Entzündungskaskade auslöst. Wir wollen jetzt mit Hilfe des neuen Verfahrens auch untersuchen, ob die von Kupfferzellen ausgelösten Entzündungen bei der Entstehung von Lebertumoren eine Rolle spielen.“

Die aus grundwissenschaftlicher wie therapeutischer Hinsicht wichtige Entwicklung des zellspezifischen NF-kB-Hemmers ist das Ergebnis einer Kooperation von Forschern aus dem pharmazeutisch-biologisch und -technologischen Bereich mit experimentellen Medizinern aus der Hepatologie, dem mit der Leber und den Gallenwegen befassten medizinischen Fachgebiet. Die Studie wurde durchgeführt im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschergruppe 440 „Prävention des Ischämie-Reperfusionsschadens“ unter der Leitung von Professor Alexander Gerbes (suwe)

Publikation:
„A novel technique for selective Nf-kB inhibition in Kupffer cells – contrary effects in fulminant hepatitis and ischemia/reperfusion“,
Florian Hoffmann, Gabriele Sass, Jan Zillies, Stefan Zahler, Gisa Tiegs, Andreas Hartkorn, Sebastian Fuchs, Jenny Wagner, Gerhard Winter, Conrad Coester, Alexander L. Gerbes, Angelika M. Vollmar,

GUT online, 26. Mai 2009

Ansprechpartner:
Professor Angelika M. Vollmar
Department für Pharmazie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München
Tel.: 089 / 2180 – 77172
Fax: 089 / 2180 – 77170
E-Mail: Angelika.Vollmar@cup.uni-muenchen.de

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Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

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