Wie Signalmoleküle für die Ausbildung unterschiedlicher Zelltypen kontrolliert werden

Die Regulation wichtiger Signalmoleküle, die für die Ausbildung unterschiedlicher Zelltypen von zentraler Bedeutung sind, kann durch eine chemisch hergestellte Variante des in der traditionellen chinesischen Medizin verwendeten Naturstoffs Indirubin beeinflusst werden. Das haben Wissenschaftler der Universität Heidelberg gemeinsam mit Forschern aus Kaiserslautern und Jena nachgewiesen.

Mit ihren Forschungen konnten sie erstmals auch zeigen, dass die „Kontrolle“ dieser Signalmoleküle in der Zelle – es handelt sich um regulatorische SMAD-Proteine – nicht nur über die Regulation ihrer Aktivierung, sondern auch über die verfügbare Menge der Signalmoleküle im nicht-aktivierten Zustand erfolgt. Da mit diesen Prozessen nicht nur die zelluläre Differenzierung, sondern auch das Wachstum von Tumoren verbunden ist, ergibt sich aus den Untersuchungen ein neuer Ansatz sowohl für die Gewinnung von induzierten pluripotenten Stammzellen als auch für die Entwicklung von Tumortherapeutika. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Chemistry & Biology“ veröffentlicht.

Zelluläre Differenzierung entscheidet darüber, welche Funktionen von Zellen im Körper übernommen und durchgeführt werden können. Ihre präzise Regulation hat entscheidenden Einfluss auf die Embryonalentwicklung, spielt aber auch später eine wesentliche Rolle für die Aufrechterhaltung der Aktivität von Organen. Unter anderem ist es nach einer toxischen Schädigung wichtig, dass Zellen angemessen reagieren können, um den Schaden zu begrenzen und das Gewebe zu regenerieren. Dies erfordert eine enge Kommunikation zwischen den Zellen, die über eine Vielzahl von Signalmolekülen gesteuert wird. „Nur wenn alle Teile eines Signalwegs vorhanden sind, können Zellen mit einem abgestimmten Programm auf die Signale der Umgebung reagieren. Fehlt eine dieser Komponenten, wird die entsprechende zelluläre Antwort unterbunden“, erläutert Prof. Dr. Stefan Wölfl vom Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg.

Wie die zelluläre Differenzierung während der Embryonalentwicklung und auch im erwachsenen Organismus geregelt wird, hängt wesentlich von der Familie der TGFß/BMP-Wachstumsfaktoren ab. Vertreter dieser speziellen Signalmoleküle sind aber auch an der Entstehung und Ausbildung von Tumorerkrankungen beteiligt. Mit ihren Arbeiten konnten die Wissenschaftler jetzt zeigen, dass die Zellen selbst beeinflussen, wie empfindlich sie auf Wachstumsfaktor-Signale reagieren. Dies geschieht dadurch, dass die Verfügbarkeit der ergänzenden Signalmediatoren innerhalb der Zelle an die jeweilige Situation angepasst wird. Wie groß der Vorrat an diesen sogenannten regulatorischen SMAD-Proteinen (R-Smad-Proteine) in der Zelle ist, wird durch die Kontrolle ihrer Herstellung, insbesondere aber über eine Steuerung des Abbaus verändert. Dabei kommt ein spezielles System zum Einsatz, das in jeder Zelle vorhanden ist. Dieses Ubiquitin-Proteasom-System macht es möglich, dass zelluläre Proteine kontrolliert abgebaut werden.
Frühere Forschungsarbeiten haben bereits gezeigt, dass der Abbau aktivierter R-Smad-Proteine über das Ubiquitin-Proteasom-System erfolgt, wodurch es zu einem Abschalten der Signale kommt. „Unsere Ergebnisse belegen nun, dass auch der Vorrat an nicht-aktivierten R-Smad-Signalmediatoren streng kontrolliert wird. Dies verhindert, dass entsprechende äußere Signale ein internes Programm aktivieren“, so Prof. Wölfl. „Sind beispielsweise Tumorzellen bei ihrem Wachstum auf dieses Signal angewiesen, könnten diese Zellen am Überleben gehindert und möglicherweise sogar in den Zelltod getrieben werden, wenn sich die Signalmediatoren gezielt entfernen ließen.“ Wie der Wissenschaftler erläutert, sind R-Smad-Proteine zugleich wichtige Mediatoren der zellulären Differenzierung. „Eine Reduzierung oder das Entfernen dieser Signalmediatoren aus Stammzellen würde dazu führen, dass diese nicht mehr auf Differenzierungssignale reagieren können und folglich ihre Stammzelleigenschaften behalten müssten.“

In ihren Untersuchungen haben die Wissenschaftler mit einer von ihnen chemisch hergestellten Variante des Naturstoffs Indirubin gearbeitet. Dabei hat sich gezeigt, dass dieses Indirubin-Derivat in menschlichen Zellen zu einem Abbau der R-Smad-Proteine führt. Auf diese Weise werden die durch TGFß/BMP-Wachstumsfaktoren vermittelten Signale blockiert. Dabei greift der Ableger des Indirubins in verschiedene Prozesse ein, die alle dazu beitragen, dass sich die Konzentration der R-Smad-Proteine in der Zelle verringert. Reduziert wird dabei insbesondere die Aktivität von spezifischen regulierenden Enzymen, sogenannten Ubiquitin-Proteasen, die Proteine vor dem Abbau im Ubiquitin-Proteasom-System schützen.

Die Arbeiten wurden im Rahmen eines Verbundprojektes im Förderschwerpunkt Medizinische Systembiologie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Das Forscherteam am Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg hat dabei mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Kaiserslautern und des Universitätsklinikums Jena sowie des Instituts für Humangenetik des Universitätsklinikums Heidelberg zusammengearbeitet.

Originalpublikation:
X. Cheng, H. Alborzinia, K.H. Merz, H. Steinbeisser, R. Mrowka, C. Scholl, I. Kitanovic, G. Eisenbrand, S. Wölfl: Indirubin Derivatives Modulate TGFβ/BMP Signaling at Different Levels and Trigger Ubiquitin-Mediated Depletion of Nonactivated R-Smads, Chemistry & Biology, Volume 19, Issue 11, 21 November 2012, Pages 1423-1436,
doi: 10.1016/j.chembiol.2012.09.008

Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Wölfl
Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie
Telefon (06221) 54-4878, wolfl@uni-hd.de

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