Signale aus dem Blut der Mutter fördern die Reifung des Gehirns

Die Reifung des Gehirns ungeborener Babys bekommt einen Schubs von der Mutter: Ein Eiweißbotenstoff aus dem Blut der Mutter gelangt über die Plazenta in den Embryo und regt dort die Nervenzellen des Gehirns zum Wachstum und zur Verschaltung an.

Neurowissenschaftler aus Bochum (Prof. Dr. Petra Wahle, Entwicklungsneurobiologie der Ruhr-Universität), Magdeburg (Dr. Peter Landgraf, Prof. Dr. Michael R. Kreutz) und Münster (Prof. Dr. Hans-Christian Pape) haben jetzt diesen Signalweg im Detail untersucht und diejenigen Moleküle im Gehirn des Embryos identifiziert, die mit dem mütterlichen Botenstoff interagieren.

Damit gelang ihnen ein entscheidender Schritt zum Verständnis dieses Signalweges. Ihre Arbeit ist in der aktuellen Ausgabe des Journal of Biological Chemistry veröffentlicht.

Immunsystem der Mutter produziert Signalmolekül

Bereits in früheren Arbeiten gelang den Wissenschaftlern die Isolierung des kleinen Peptid-Botenstoffes „survival promoting peptide / Y-P30“, welches eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung des Gehirns von Embryonen und Neugeborenen spielt. Y-P30 verbessert das Überleben von Nervenzellen des Thalamus (Zwischenhirn) und fördert die Bildung von Zellausläufern von Nervenzellen aus dem Kleinhirn und dem Thalamus.

„Interessanterweise wird Y-P30 nicht im reifenden Gehirn selbst synthetisiert“, erklärt Prof. Wahle. „Vielmehr wird es während der Schwangerschaft von bestimmten Immunzellen im Blut der Mutter gebildet, gelangt von dort über die Plazenta in den Embryo und reichert sich unter anderem in Neuronen der Großhirnrinde an.“ (Landgraf P, Sieg F, Wahle P, Meyer G, Kreutz MR, Pape HC (2005) A maternal blood-borne factor promotes survival of the developing thalamus. FASEB Journal 19:225-227). Die Wissenschaftler konnten das Peptid im Gehirn von Föten und Neugeborenen der Ratte, der Maus und des Menschen nachweisen.

Botenstoffe benötigen Rezeptoren um zu wirken

Um die biologische Rolle des Botenstoffs zu untersuchen und seine Wirkmechanismen aufzuklären, war es danach von zentralem Interesse, mögliche Rezeptoren für Y-P30 zu finden. Jetzt gelang die Identifizierung von Molekülen, die mit Y-P30 interagieren. Es handelt sich zum einen um Pleiotrophin, ein Protein des Extrazellulärraums. Des Weiteren interagieren die so genannten Syndecane, Proteine der Zelloberfläche.

Für beide Bindepartner war bereits bekannt, dass sie das Nervenzellwachstum fördern können. Die Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass Y-P30 die Bildung des Signalkomplexes aus Pleiotrophin und Syndecanen fördert und den Komplex stabilisiert. Die Signalgebung in die Nervenzellen wird verstärkt und fördert das Wachstum der Zellfortsätze. In parallel laufenden Arbeiten der Bochumer Wissenschaftler Prof. Petra Wahle und Suvarna Wagh, Doktorandin im Graduiertenkolleg 736, konnte eine direkte Wirkung des Y-P30 Peptids auf das Wachstum von Axonen (Nervenzellfortsätzen) gezeigt werden. Der Signal-Rezeptor-Komplex aus Y-P30, Pleiotrophin und Syndecan scheint somit die Entwicklung der axonalen Projektionsbahnen und der Verschaltung des Gehirns zu fördern.

Titelaufnahme

Peter Landgraf, Petra Wahle, Hans-Christian Pape, Eckhard D. Gundelfinger, Michael R. Kreutz: The Survival-promoting Peptide Y-P30 Enhances Binding of Pleiotrophin to Syndecan-2 and -3 and Supports Its Neuritogenic Activity. In: Journal of Biological Chemistry, 5. September 2008, doi:10.1074/jbc.M800963200

Weitere Informationen

Prof. Dr. Petra Wahle,
AG Entwicklungsneurobiologie, Fakultät für Biologie und Biotechnologie,
Ruhr-Universität, Bochum,
Tel.: 0234/32-24367, E-Mail: petra.wahle@rub.de
Prof. Dr. Michael R. Kreutz ,
Project Group Neuroplasticity,
Department of Neurochemistry/Molecular Biology,
Leibniz Institute for Neurobiology, Magdeburg,
Tel. 0391/6263-518,-204, E-Mail: kreutz@ifn-magdeburg.de

Media Contact

Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer