Selbstentgiftende Filter

Neuartige selbstentgiftende Filter auf Basis luftdurchlässiger Textilien, die mit speziellen katalytisch aktiven Metall-organischen Gerüststrukturen imprägniert sind, können Kampfmittel zersetzen. (c) Wiley-VCH

Luftfilter zum Schutz vor chemischen Kampfstoffen, etwa für Atemschutzmasken, basieren meist auf einer reinen Adsorption der Giftstoffe. Solche Filter haben nur eine begrenzte Aufnahmekapazität und einmal belastet können sie selbst zu einer gefährlichen Emissionsquelle werden.

Spanische Wissenschaftler stellen in der Zeitschrift Angewandte Chemie jetzt einen neuen Ansatz für selbstentgiftende Filter vor, die Kampfmittel zersetzen können. Sie basieren auf luftdurchlässigen Textilien, die mit speziellen katalytisch aktiven Metall-organischen Gerüststrukturen imprägniert sind.

Herkömmliche Aktivkohlefilter haben den Nachteil, dass sie chemische Kampfstoffe zwar adsorbieren, aber nicht zerstören. Kontaminierte Filter sind damit ein Risiko und müssen aufwändig entsorgt werden. Eine wünschenswerte Alternative wären Filter, die hochgifte Substanzen nicht nur abfangen, sondern auch gleich zersetzen.

Das Team um Jorge A. R. Navarro und Elisa Barea, Wissenschaftler von der Universidad de Granada (Spanien) und dem Instituto Murciano de Investigación y Desarrollo Agrario y Alimentario (La Alberca, Spanien), hat jetzt einen neuen Ansatz für selbstreinigende Filter entwickelt. Er basiert auf sogenannten Metall-organischen Gerüsten (engl. metal-organic frameworks, MOF).

MOFs bestehen aus metallischen „Knotenpunkten“, die über organische Bausteine als Verbindungsstücke zu dreidimensionalen Gittern verknüpft sind. So entstehen hochporöse kristalline Feststoffe, die Moleküle in ihren Poren aufnehmen können. Passend aufgebaut können solche Stoffe außerdem katalytisch aktiv sein. Das haben sich die Forscher zunutze gemacht und ein MOF maßgeschneidert, das Kampfstoffe unschädlich machen kann.

Ausgangspunkt war das zirkoniumhaltige MOF UiO-66, das durch seinen besonderen Aufbau in der Lage ist, Organophosphate in Anwesenheit von Feuchtigkeit zu spalten. In dieses Gerüst lagerten die Forscher zusätzlich spezielle lithiumorganische Verbindungen ein. Auf diese Weise erhielten sie ein katalytisch deutlich aktiveres Material, das sehr effektiv Phosphor-Fluor-, Phosphor-Sauerstoff- und Kohlenstoff-Chlor-Bindungen spaltet, wie sie typischerweise in chemischen Kampfstoffen vorkommen.

Die Wissenschaftler imprägnierten Seidengewebe mit dem neu entwickelten MOF. In Form von Nanokristallen lagert es sich fest an die Fasern an. So entstanden luftdurchlässige Textilien, die in der Lage sind, chemische Kampfstoffe rasch und effektiv zu entgiften, wie Tests mit harmlosen, aber chemisch ähnlich aufgebauten Modellsubstanzen zeigten.

Der berichtete Durchbruch könnte für zukünftige Entwicklungen selbstentgiftender Filtertechnologien sowohl für individuelle als auch für kollektive Schutzsysteme sein.

Den gleichen Ausgangspunkt, aber eine andere Strategie wählten amerikanische Forscher: Durch eine Variation der Gerüststruktur von UiO-66 konnten sie eine besonders schnelle Spaltung von Nervengift-Simulantien in einem Rohrreaktor erreichen (Lesen Sie dazu die Angewandte Chemie Presseinformation 16/2015).

Angewandte Chemie: Presseinfo 12/2015

Autor: Jorge A. R. Navarro, Universidad de Granada (Spain), http://www.ugr.es/~jarn/

Permalink to the original article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201502094

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.

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Dr. Renate Hoer GDCh

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