Schützen die richtigen Lipide in der Membran vor Krebs?

Dr. Andreas Koeberle von der Uni Jena prüft eine Lipidprobe. Der Biochemiker hat gemeinsam mit Kollegen herausgefunden, dass bestimmte Lipide aus der Zellmembran das Zellwachstum drosseln können. Foto: Jan-Peter Kasper/FSU<br>

Innerhalb einer lebenden Zelle kommt dem Enzym „Proteinkinase B“ eine zentrale Rolle zu. Im „Maschinenraum“ der Zellen, in dem ihr Wachstum und ihre Vermehrung gesteuert werden, übernimmt es die Funktion eines Hauptschalters: Die Proteinkinase B modifiziert andere Enzyme mit chemischen Gruppen und schaltet diese so jeweils „an“ oder „aus“.

„Doch nicht nur beim normalen Zellwachstum ist das Enzym damit einer der Hauptakteure“, sagt Dr. Andreas Koeberle von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Auch in Tumorzellen, die sich unkontrolliert vermehren, ist die Proteinkinase B maßgeblich am Wachstum beteiligt“, so der Biochemiker weiter, der im Team um Prof. Dr. Oliver Werz vom Lehrstuhl für Pharmazeutische und Medizinische Chemie forscht.

Wie dieses Schlüssel-Enzym selbst in seiner Aktivität reguliert wird, ist daher ein viel erforschter Gegenstand. „Je mehr wir über dieses Enzym wissen, umso besser können wir verstehen, wie es zur Krebsentstehung kommt und umso leichter wird es, gezielt in diese Regulationsmechanismen einzugreifen und das Tumorwachstum zu drosseln“, erläutert Dr. Koeberle.

Der Jenaer Forscher und seine Kollegen haben nun gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Tokyo und Tübingen einen bisher gänzlich unbekannten Regulationsmechanismus für die Proteinkinase B entdeckt, den sie in der soeben erschienenen Ausgabe des renommierten Fachmagazins „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) veröffentlicht haben (DOI:10.1073/pnas.1216182110).

Demnach wird das Enzym von einem Bestandteil der Zellmembranen – einem Lipid-Molekül – direkt in seiner Aktivität beeinflusst. „Das Lipid hemmt die Wirkung der Proteinkinase B und unterdrückt damit das weitere Zellwachstum“, sagt Andreas Koeberle. Interessanterweise sei das Lipid-Molekül kein Unbekannter. Es handelt sich dabei um ein Speichermolekül der sogenannten Arachidonsäure, die wiederum eine wichtige Funktion bei der Entstehung von Entzündungen spielt. „Wir haben ein genau gegenläufig oszillierendes Muster dieser beiden Substanzen im Verlauf des Zellzyklus gefunden“, so der Forscher. Wenn die Konzentration des Membran-Lipids ansteigt, nimmt die Aktivität der Proteinkinase B ab. Sinkt die Lipid-Konzentration wieder, steigt die Aktivität des Enzyms an.

Für ihre Untersuchungen haben die Jenaer Wissenschaftler in Zellkulturen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihres Vermehrungszyklus die Lipidzusammensetzung durch Kombination chromatographischer und massenspektrometrischer Methoden umfassend analysiert. Auf diese Weise haben sie jeweils „Momentaufnahmen“ des gesamten Lipidstoffwechsels der Zellen erhalten und mit der Aktivität der Proteinkinase B abgleichen können.

Diese Erkenntnisse, so betont Dr. Koeberle, seien bislang reine Grundlagenforschung. Doch schon jetzt zeichnen sich vielversprechende Anknüpfungspunkte für weitergehende Studien und eine mögliche Anwendung dieses Wissens ab. Denn: „Es gibt bereits eine ganze Reihe von Medikamenten, die in den Arachidonsäure-Stoffwechsel eingreifen“, so Koeberle und nennt als Beispiel entzündungshemmende Medikamente, wie Aspirin oder Indomethacin, die bei kontinuierlicher Einnahme nachweißlich vor Krebs schützen. Denkbar sei, dass diese wachstumshemmende Wirkung nicht ausschließlich auf eine verringerte Bildung von entzündungsfördernden Arachidonsäure-Abkömmlingen zurückzuführen ist, wie bislang angenommen, sondern auch auf einen erhöhten Gehalt des Arachidonsäure-Speicherlipids. Das Jenaer Team plant daher nun den Einfluss unterschiedlicher Arzneistoffe auf den neu entdeckten Regulationsmechanismus genauer unter die Lupe zu nehmen.

Original-Publikation:
Koeberle A. et al. Arachidonoyl-phosphatidylcholine oscillates during the cell cycle and counteracts proliferation by suppressing AKT membrane binding, PNAS, 2013 (DOI:10.1073/pnas.1216182110)
Kontakt:
Dr. Andreas Koeberle, Prof. Dr. Oliver Werz
Institut für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Philosophenweg 14, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949815, 03641 / 949801
E-Mail: andreas.koeberle[at]uni-jena.de, oliver.werz[at]uni-jena.de

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