Schnell feuernde Nervenzellen recyceln schnell

Wissenschaftlern der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Utah gelungen, ultraschnelle Prozesse an den Kommunikationsschnittstellen von Nervenzellen zu dokumentieren.

Die Forscher konnten erstmals nachweisen, dass die Verpackungseinheiten, in denen Nervenzellen ihre Botenstoffe freisetzen, innerhalb von wenigen hundertstel Sekunden wiederverwendet werden – viel schneller als bisher angenommen. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Nature* erschienen.

Nervenzellen produzieren elektrische Impulse, sogenannte Aktionspotentiale. Sie kommunizieren miteinander durch die Freisetzung bestimmter Botenstoffe, den Neurotransmittern. Diese werden im Nervenende hergestellt und dort durch Transport-Proteine in kleine Bläschen, die Vesikel, gepumpt.

Beim Eintreffen eines elektrischen Signals werden die Transmitter in den synaptischen Spalt ausgeschüttet, der zwei Nervenzellen miteinander verbindet. Dabei verschmelzen die Vesikel mit der Membran der Zelle, wodurch die Botenstoffe freigesetzt werden und mit der nachgeschalteten Zelle reagieren können.

„Die Informationsübertragung zwischen Nervenzellen erfolgt innerhalb weniger Millisekunden. Die verwendeten Vesikel müssen in einem aufwändigen Prozess recycelt werden, bevor sie wieder mit Botenstoffen befüllt und für eine erneute Freisetzung zur Verfügung stehen. Dieses sogenannte Vesikel-Recycling (Endocytose) war bislang als ein eher langsamer Prozess betrachtet worden“, erklärt Prof. Christian Rosenmund, Sprecher des Exzellenzclusters NeuroCure der Charité und Mitautor der Studie. „Durch die Kombination neuester Methoden aus den Bereichen der Neurobiologie und Elektronenmikroskopie war es uns jetzt möglich, diesen Prozess gezielt zu untersuchen“, fügt er hinzu.

Zuerst führten die Wissenschaftler ein Gen für lichtaktivierbare Kanalproteine in die Nervenzellen ein. Durch diesen „Trick“ ließ sich durch das kurze Aufblitzen einer blauen Lampe in allen Zellen nahezu gleichzeitig ein Aktionspotential auslösen. Wenige Millisekunden später wurden die Zellen schockgefroren um alle zellulären Prozesse zu fixieren. Im Anschluss analysierten die Forscher die Zellen unter einem Elektronenmikroskop, das durch eine bis zu 100.000fache Vergrößerung die synaptischen Freisetzungs- und Fusionsprozesse sichtbar macht. Die Auswertung von etwa 3000 Synapsen nach dem „flash und freeze“ Prozess ergab, dass die Endozytose innerhalb von wenigen hundertstel Sekunden abgeschlossen sein kann, also bedeutend schneller als die bisher angenommenen 20 Sekunden.

„Für uns war es sehr überraschend zu sehen, mit welch enormer Geschwindigkeit die Vesikel recycelt werden“, betont Prof. Rosenmund. „Weiterführende Arbeiten sollen nun die beteiligten Moleküle der ultraschnellen Endocytose identifizieren.“

*Originalpublikation: Watanabe S, Rost BR, Camacho-Pérez M, Davis MW, Söhl-Kielczynski B, Rosenmund C, Jorgensen EM. Ultrafast endocytosis at mouse hippocampalsynapses. Nature. 2013 Dec 12;504(7479):242-7. doi: 10.1038/nature12809. PubMedPMID: 24305055.

Kontakt:
Prof. Christian Rosenmund
Sprecher des Exzellenzclusters NeuroCure
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t: + 49 30 450 539 061
christian.rosenmund@charite.de

Media Contact

Dr. Julia Biederlack idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer