Wie Ribosomen ihre Blockaden überwinden

Die genaue Kenntnis über den Aufbau und die Arbeitsweise des Ribosoms, einem der Hauptangriffsorte für antibakterielle Wirkstoffe, ist für die Antiobiotikaforschung von großer Bedeutung. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Nature* publiziert.

Ribosomen sind die „Eiweißfabriken“ in den Zellen aller Lebewesen. An ihnen werden die Proteine anhand des vorgegebenen genetischen Codes, der auf speziellen Nukleinsäuremolekülen zwischengespeichert ist, hergestellt. Diese Moleküle, die wegen der auf ihnen gespeicherten genetischen Information auch messenger RNA (mRNA) heißen, werden vom Ribosom abschnittsweise abgelesen. Definierte Start- und Stop-Signale auf der mRNA steuern diesen Prozess. Fehlt ein Stop-Signal, kann die Proteinbildung nicht abgeschlossen werden und das Ribosom ist in seiner Funktion blockiert.

Bislang konnte der Prozess, wie ein Ribosom eine solche Blockade überwinden kann, nicht in allen Details dokumentiert werden. Im Zentrum dieses Reparaturvorgangs, Trans-Translation genannt, steht ein weiteres Nukleinsäuremolekül (tmRNA), das sowohl Eigenschaften der mRNA als auch einer weiteren Nukleinsäure, der transferRNA (tRNA), in sich vereint. Die tRNA vermittelt bei der Proteinbiosynthese die richtige Aminosäure zur entsprechenden Gen Sequenz auf der mRNA. Dem tmRNA-Molekül gelingt es nun, das fehlende Stoppsignal in das Protein einzuschleusen und so die Blockade aufzuheben. Bislang war unklar, wie genau sich dieses große tmRNA-Molekül durch das Ribosom bewegt und seine Information in den mRNA-Kanal des Ribosoms einschleusen kann.

Dieser Prozess konnte nun erstmals mittels der Kryo-Elektronenmikroskopie dokumentiert werden. Diese Methode bietet die Möglichkeit, räumliche und zeitliche Interaktionen zwischen den Einzelkomponenten von Makromolekülen zu untersuchen. Die Ribosomen werden dabei in flüssigem Ethan bei – 192° Celsius schockgefroren und mehrere hunderttausend zweidimensionale Einzelbilder in eine dreidimensionale Rekonstruktion zurückprojiziert. „Mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie konnte ein einzigartiger Einblick in einen zentralen Schlüsselschritt des Zusammenspiels zwischen Ribosom, tmRNA, einem speziellen Protein (SmbP) und dem Elongationsfaktor G gewonnen werden“, erklärt David Ramrath, Doktorand am Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Charité und Erstautor der Studie.

Der mRNA Kanal, in den die tmRNA die fehlenden Informationen einschleusen muss, verläuft mitten durch das Ribosom zwischen den sogenannten Kopf- und Körperdomänen der kleinen ribosomalen Untereinheit. Die Strukturanalyse hat gezeigt, dass die Kooperation zwischen Ribosom und tmRNA für den Reparaturfall nur auf Grundlage einer Konformationsänderung, d.h. einer kurzfristigen und unerwartet großen räumlichen Änderung der Kopfdomäne des Ribosoms möglich ist.

Kontakt:
Prof. Christian Spahn
Institut für Medizinische Physik und Biophysik
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t: +49 30 450 524131
E-Mail: cmts@charite.de

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Dr. Julia Biederlack idw

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